«Die Schweiz macht die besseren Gesetze als die EU»
Der Schweizer Unternehmer und Investor Luzius Meisser engagiert sich gegen das Rahmenabkommen mit der EU. Die im Vergleich zur EU-Bürokratie schlanken Schweizer Gesetze seien ein Standortvorteil, schreibt der Blockchain-Experte im Standpunkt.
Es ist ein altes Klischee, dass die Europäische Union bürokratisch und bürgerfern sei. Bedauerlicherweise bestätigt sich dieses Klischee, wenn man die jüngsten Anstrengungen der EU zur Förderung der Blockchain-Technologie mit denjenigen der Schweiz vergleicht.
Im Direktvergleich sind die Schweizer Gesetze einfacher und verständlicher gehalten. Dahinter steckt die Einsicht, dass der Gesetzgeber nicht jede Eventualität vorhersehen kann.
Die Regularien der EU hingegen scheinen von einem Misstrauen gegenüber den eigenen Mitgliedstaaten und Behörden geprägt. Man will die Details schon auf höchster Ebene regeln, damit auf den unteren Ebenen nichts falsch gemacht werden kann. Dass auf der höchsten Ebene ebenfalls Fehler passieren können, wird ausgeblendet.
Dieses Mikromanagement untergräbt nicht nur Subsidiarität und Innovationsfreiheit, sondern auch die Qualität der Gesetze selbst. Demgegenüber stellt die prinzipienbasierte Gesetzgebung der Schweiz einen wertvollen Standortvorteil dar, den es zu pflegen gilt.
«Während die schlankere Vorlage der Schweiz zu Blockchain am 1. August in Kraft tritt, steckt der umständlichere Vorschlag der EU noch mitten in der Beratung.»
Im Beispielfall der Blockchain-Technologie haben sowohl die EU wie auch die Schweiz erkannt, dass es gegenwärtig keinen geeigneten Rechtsrahmen zum Betrieb einer Börse für Blockchain-basierte Wertschriften gibt.
Als Antwort hat der Bundesrat einen Vorschlag ausgearbeitet. Er will das Finanzmarktinfrastrukturgesetz um eine neue Lizenzkategorie erweitern und dabei um sieben Seiten verlängern. Das ist immer noch umständlicher als nötig. Bis 2015, unter dem alten Börsengesetz, hätte der Bundesrat die neue Lizenzkategorie nämlich auf dem Verordnungsweg einführen können, ohne das auch so schon ausgelastete Parlament mit der Materie zu belangen.
Doch im Vergleich zur EU stehen wir immer noch gut da: Deren Vorschlag zur Einführung einer neuen Lizenzkategorie umfasst 45 Seiten, fast sieben Mal mehr als derjenige der Schweiz, obwohl das Ziel dasselbe ist. Während die schlankere Vorlage der Schweiz vom Parlament bereits einstimmig gutgeheissen wurde und per 1. August in Kraft tritt, steckt der umständlichere Vorschlag der EU noch mitten in der Beratung.
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Die subtilen Kosten hoher Komplexität dürfen nicht unterschätzt werden, sei dies bei Geschäftsabläufen, in der Informatik oder in der Gesetzgebung. Hohe Komplexität verlangsamt die Entscheidungsfindung, führt zu einem Verlust an Handlungsfähigkeit und beeinträchtigt letztlich auch die Qualität der hervorgebrachten Arbeitsergebnisse.
So glänzt beispielsweise das Schweizer Gesetz mit einer der weltweit treffendsten und gleichzeitig beständigsten Definitionen, was einen Blockchain-basierten Vermögenswert ausmacht. Demgegenüber baut der EU-Vorschlag für eine «Pilotregelung für auf der Distributed-Ledger-Technologie basierende Marktinfrastrukturen» auf einer ziemlich schludrigen Definition von «Distributed-Ledger-Technologie» auf.
«Ich bin froh, mit meinem Unternehmen auf einer im Vergleich zu unseren Nachbarländern durchwegs besser konzipierten Rechtsgrundlage operieren zu dürfen.»
Es ist mir ein Rätsel, wie den theoretisch kompetenten Fachleuten der EU bereits bei der Definition des zu regulierenden Gegenstands ein Fehler unterlaufen konnte. Die Definition der EU besagt, dass es sich bei der Blockchain um eine Technologie zur dezentralen Aufzeichnung verschlüsselter Daten handle. Die Daten auf den gängigen Blockchains wie der von Bitcoin oder Ethereum werden aber gar nicht verschlüsselt. Was die EU wohl gemeint hat, ist, dass die Daten kryptographisch signiert und damit vor nachträglicher Manipulation geschützt werden.
Auf die physische Welt übertragen haben die zuständigen Institutionen der EU nicht erkannt, dass es nicht dasselbe ist, ob man ein Fahrrad versteckt oder es ankettet. Es beschleicht einen der Verdacht, dass die Autoren selbst vor lauter Paragrafen den Wald nicht mehr gesehen haben. Und das ist nur ein Punkt von vielen, in denen die EU-Vorlage schlechter gestrickt ist als diejenige der Schweiz.
Es ist zu befürchten, dass das erwähnte Beispiel repräsentativ ist für die zentralistische Art, wie die EU reguliert, und dass wir durch eine automatische Übernahme von europäischen Regularien die Freiheit verlieren, das in der Sache Richtige zu tun.
Deshalb stehe ich dem zur Debatte stehenden Rahmenabkommen äusserst skeptisch gegenüber. Ich bin froh, mit meinem Unternehmen zwar nicht auf einer perfekten, aber im Vergleich zu unseren Nachbarländern durchwegs besser konzipierten Rechtsgrundlage operieren zu dürfen.
Die in diesem Artikel geäusserten Ansichten sind ausschliesslich jene des Autors und müssen sich nicht mit der Position von swissinfo.ch decken.
Luzius Meisser, MSc ETH in Computer Science und MA UZH in Economics, ist ein Schweizer Blockchain-Experte, Unternehmer und Investor. Sein neuestes Startup AktionariatExterner Link ermöglicht Schweizer Firmen die Ausgabe Blockchain-basierter Aktien und deren Handel direkt über die Webseite der Firma selbst.
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