Schweizer Kunst-Ekstase in Washington
Ferdinand Hodler ist vielleicht der bekannteste Schweizer Künstler des 19. Jahrhunderts. Nun ist eines seiner Gemälde zum Herzstück einer Ausstellung in der renommierten National Portrait Gallery in Washington geworden.
Die National Portrait GalleryExterner Link ist eine der ehrwürdigen US-Kunsthallen und Teil der Smithsonian InstitutionExterner Link. Wie der Name vermuten lässt, hängen hier, in Washington DC, unter anderem die Köpfe amerikanischer Präsidenten und anderer heimischer Persönlichkeiten.
Nun gesellt sich zu den ernsten Gesichtern eine sinnlichere Figur in kräftigen Farben dazu: Ihre Augen sind – in Entrückung – fast geschlossen, das volle Haar schwingt, leichtfüssig und doch soliden Standes hebt sie halb vom Boden ab, die Muskeln der Oberschenkel zeichnen sich unter dem Stoff ihres Kleides ab.
Die Frau in Bewegung ist die italienische Tänzerin Giulia Leonardi, gemalt 1911 vom Schweizer Maler Ferdinand Hodler – passend getitelt mit «Femme en Extase»; sie wirkt frei und ganz bei sich.
«Femme en Extase»: Emotionen des bewegten Körper
Das vom Genfer Musée d’Art et d’HistoireExterner Link geliehene Gemälde ist das Herzstück einer neuen Ausstellungsreihe namens «Portraits of the World».
Jeweils ein Jahr lang zeigt das US-Museum ein internationales Gemälde, das der US-Porträtmalerei globalen Kontext gibt, und kuratiert dazu thematisch Werke aus dem Eigenbesitz. Die Schweiz macht mit Hodlers «Femme en Extase» den Anfang; und dies zum 100. Todesjahr des Künstlers.
Das Gemälde vermittle die Bedeutung des bewegten Körpers für den Ausdruck von Emotionen, so das Museum. Es ist ein modernistischer Ansatz, der mit der Anfang des 20. Jahrhunderts aufkommenden Eurythmie seine Vollendung fand. Der Rest der Ausstellung, die bis im November 2018 zu sehen ist, zeigt Werke amerikanischer Künstler, die von der europäischen Eurythmie und ihr verwandten Tanzformen inspiriert wurden.
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Ferdinand Hodler und die Ekstase
Hodler – ein Künstler vermarktet sich selbst
Ferdinand Hodler, geboren 1853 in Bern, starb 1918 in Genf. Er war nicht nur Künstler, sondern quasi Alleinunternehmer: karrierebewusst, mit einem Gespür für Geld und das Netzwerken. Hodler vermarktete sich selbst erfolgreich – und verkaufte vor allem auch gezielt nach Deutschland und Österreich.
Heute als der Schweizer Maler gefeiert, war sein Verhältnis zum eigenen Land zeitlebens gespalten. Seine Motive fand er oft hierzulande, wo er auch lebte – und sich doch nicht ganz heimisch fühlte. «Ich werde nicht in der Schweiz bleiben, es wäre nutzlos, meinen Weg im eigenen Land zu machen», schrieb Hodler 1883 nach einer enttäuschenden Ausstellung in Zürich. Nun, über 100 Jahre später, ist er als Mittelpunkt einer Ausstellung in einem renommierten Museum am anderen Ende der Welt angekommen. Ziel erreicht, könnte man sagen.
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