Flüchtlinge mit Infektionen – sind Screenings notwendig?
Fast die Hälfte der eritreischen Flüchtlinge in der Schweiz leidet an einer nicht übertragbaren Wurmerkrankung. Das zeigt eine Studie. Sollten Flüchtlinge in der Schweiz systematisch auf ihre Gesundheit kontrolliert werden? Forscher und das Bundesamt für Gesundheit sind sich nicht einig.
Die Gesundheit eritreischer Flüchtlinge ist zum ersten Mal in einer Studie unter die Lupe genommen worden. Deren Resultate liegen der Sendung «10vor10» von Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) vor. Für die Studie wurden gut 100 Flüchtlinge aus Eritrea systematisch untersucht und befragt.
Afona Chernet, Doktorand am Tropen- und Public Health Institut in Basel (TPH), untersuchte Flüchtlinge, die weniger als ein Jahr in der Schweiz leben. Chernet ist ebenfalls Eritreer mit eigener Fluchtvergangenheit. Er forscht am TPH. Er untersuchte Blut, Urin und Stuhl der Flüchtlinge – etwa auf Infektions-Krankheiten, wie sie in Afrika häufig sind.
«Unsere Erkenntnisse sollen künftig die Arbeit von Hausärzten erleichtern», sagt er. «Denn sie sind es, die hierzulande oft mit Flüchtlingen in Berührung kommen.»
Vitamin-D-Mangel und Infektionen
Es ist die erste Studie dieser Art in Europa. Die Studie kommt zum Schluss: 90% der Flüchtlinge haben einen schweren Vitamin-D-Mangel – wegen des Mangels an Sonnenlicht. Ohne Behandlung kann dies schwache Knochen und Muskeln verursachen. Zudem leidet fast die Hälfte der Flüchtlinge unter einer post-traumatischen Belastungsstörung.
Fast die Hälfte der Flüchtlinge leidet zudem unter einer Schistosomen-Infektion. Eine Wurmerkrankung, die in Ostafrika verbreitet ist. Sie wird durch Schneckenlarven aus Süssgewässern übertragen – Wasser mit dem Flüchtlinge im Heimatland oder auf der Flucht in Berührung kommen. Die Larve dringt über die Haut in den Körper ein, wandert in Leber oder Darm und kann Wucherungen verursachen. Unbehandelt kann die Infektion tödlich enden.
Laut Chernet wussten die Flüchtlinge nichts von ihrer Infektion. Das sei erstaunlich: «Sie zeigten praktisch auch keine Symptome. Weil wir nun aber wissen, dass die Hälfte betroffen ist, wäre es sinnvoll, Neu-Einreisende darauf zu testen.»
Keine Gefahr für die Schweiz
Die Infektion ist nicht von Mensch zu Mensch übertragbar. Menschen in der Schweiz seien deshalb nicht gefährdet – betonen die Forscher.
Studienleiter Niklaus Labhardt sagt, Hausärzte müssten allerdings Bescheid wissen. Der Bund müsse deshalb entsprechende Informations-Richtlinien ausarbeiten. Zudem seien systematische Gesundheits-Untersuchungen – sogenannte Screenings – bei Neueinreisenden zu prüfen. Laut den Studienmachern können Betroffene einfach und günstig behandelt werden.
Gegen systematische Screenings
Wer als Asylbewerber neu in die Schweiz einreist, muss viele Fragen beantworten, jedoch keine über seinen Gesundheitszustand. Auch systematische Gesundheits-Screenings wurden vor Jahren eingestellt. Bei der Einreise wird nur noch auf Tuberkulose getestet. Das reiche aus, sagt Daniel Koch vom Bundesamt für Gesundheit. Vom Staat ausgearbeitete Richtlinien und systematische Screenings seien nicht sinnvoll.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch