«Freiwillige» Helfer der US-Steuerbehörden
Der Steuerstreit mit den USA sorgt auch bei Schweizer Finanzinstituten für Verunsicherung und grossen administrativen Aufwand, die nie amerikanische Kunden umworben und ihnen keine "Steuerberatung" angeboten haben. Das zeigt eine Umfrage von swissinfo.ch bei allen 24 Kantonalbanken der Schweiz.
Wenige Tage nach der Ablehnung der «Lex-USA» im Parlament, die es Schweizer Banken erlaubt hätte, den US-Behörden die gewünschten Bankdaten zu liefern, ohne Schweizer Recht zu verletzen, präsentierte die Schweizer Regierung anfangs Juli eine Alternative. Sie will den Banken ermöglichen, in eigener Kompetenz am unilateralen Programm der US-Justiz teilzunehmen und damit einer existenzbedrohenden Anklage zu entgehen. Jede Bank soll demnach beim Bund eine Einzelbewilligung beantragen, um Daten an die US-Behörden zu liefern.
Während Politiker aller Couleur und Interessenverbände den neuen Vorschlag diskutieren, wächst bei vielen Banken nicht nur die Unsicherheit, ob sie vom Steuerstreit betroffen sind, sondern auch der Aufwand, alles zu unternehmen, um nicht ins Fadenkreuz der US-Justiz zu geraten. Auch viele kleine Kantonalbanken, bei welchen es nie zur Geschäftsstrategie gehörte, Auslandkunden und insbesondere US-Personen aktiv als Kunden anzuwerben und ihnen «Steuerberatung» anzubieten, können sich diesem Aufwand nicht entziehen. Das geht aus den Antworten jener 16 Kantonalbanken hervor, die zu den Fragen von swissinfo.ch Stellung genommen haben.
Die Frage, ob Untersuchungen der amerikanischen Behörden gegen ihr Institut laufen, haben nur die Zürcher und Basler Kantonalbank, deren Probleme mit der US-Justiz bekannt sind, mit Ja beantwortet. Die andern 14 lassen wissen, dass sie weder in Verhandlung stehen noch Kenntnisse von laufenden Ermittlungen haben. Und sie haben laut eigenen Angaben nach Frühling 2009, als die UBS gebüsst wurde, auch keine US-Kunden der Schweizer Grossbanken oder der Bank Wegelin aufgenommen.
Alle Kantonalbanken haben heute noch Kunden, die als «US-Personen» gelten und deshalb in den USA steuerpflichtig sind. Bei vielen handelt es sich um Doppelbürger oder ausgewanderte Kantonsbürger, die ihre Bankbeziehungen in der alten Heimat aufrechterhalten haben. Von Personen mit US-Domizil haben sich die meisten Kantonalbanken inzwischen getrennt.
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Wer ist eine US-Person?
Bei 250’000 Kunden sei es unheimlich schwierig herauszufinden, wer «US-Person» sei, erklärt Christoph Loeb, Mediensprecher der Basellandschaftlichen Kantonalbank (BLKB). Den Kunden mit Wohnsitz in den USA haben wir letztes Jahr gekündet. Neue Beziehungen werden nicht eröffnet. Als US-Personen gelten aber auch Kunden, die in der Schweiz wohnen und im Besitz einer Greencard sind oder Doppelbürger, oder Personen, die sich in der Vergangenheit längere Zeit in den USA aufgehalten haben.
Die BLKB habe einen differenzierten Katalog von Indizien erstellt und den ganzen Kundenstamm elektronisch abgeglichen, um Kunden zu identifizieren, die als US-Personen gelten könnten. Und sie hat ihre Kundenberater beauftragt nachzuforschen, wenn gewisse Indizien darauf hindeuten. «Wir wissen sehr gut, wie viele US-Personen zu unseren Kunden gehören, aber eine absolute Sicherheit zu haben, ist nicht möglich. Der Anteil ist aber sehr klein.»
Das FATCA-Abkommen zwischen der Schweiz und den USA zur Umsetzung des US-Steuergesetzes FATCA stösst im Parlament bisher auf geringen Widerstand. Nach der kleinen Parlamentskammer hat auch die Wirtschaftskommission der grossen Parlamentskammer Ja dazu gesagt.
Das Abkommen regelt die Umsetzung des US-Steuergesetzes FATCA. Mit diesem verpflichten die USA ausländische Banken dazu, Konten von US-Kunden den US-Steuerbehörden zu melden.
Die Schweizer Banken sind gezwungen, das Gesetz ab 2014 umzusetzen, sofern sie nicht vom US-Kapitalmarkt ausgeschlossen werden wollen.
(Quelle: sda)
Kunden mit Domizil USA sind nicht verboten
Die Zuger Kantonalbank habe immer noch Kunden mit US-Domizil, sagt Pascal Niquille, Präsident der Geschäftsleitung, und präzisiert: «Dass viele Banken diesen Kunden gekündigt haben, hat nicht in erster Linie mit der Steuerthematik zu tun, sondern insbesondere mit dem sog. Dodd-Frank-Act, dem US-Bundesgesetz, das als Reaktion auf die Finanzkrise von 2007 zur Stabilisierung des Finanzmarktes (Too-big-to-fail-Problematik) erlassen wurde. Wer mit Kunden in den USA aktiv geschäften wolle, muss sich bei der SEC (Securities and Exchange Commission) registrieren lassen und weitere US-Vorschriften einhalten.
Ein Beispiel: Fritz Muster hat seinen festen Wohnsitz in Zug, ist Kunde bei der Zuger Kantonalbank und hat dort eine Kassenobligation im Depot. Während seiner dreiwöchigen Ferien in den USA wird die Obligation fällig, deshalb ruft ihn die Kantonalbank an, um mit ihm die künftige Geldanlage zu besprechen, ohne zu wissen, dass sich Herr Muster in den USA befindet. Aus US-Sicht ist bereits dies problematisch. Hat der Kunde seinen festen Wohnsitz in den USA, ist insbesondere den Bestimmungen des Dodd-Frank-Act umfassend Rechnung zu tragen. Dies führt zu einem enormen regulatorischen Zusatzaufwand für die Bank.
Aus solchen Gründen haben sich viele Banken dazu entschlossen, Kunden mit Domizil USA gänzlich aufzugeben. «Wir haben entschieden, das von uns nur passiv betriebene Geschäft mit US-domizilierten Kunden zu stoppen. Ungefähr 100 Kundenbeziehungen haben wir wegen Dodd-Frank gekündigt. Davon ausgenommen sind ganz bestimmte Arten von Kundenbeziehungen mit einem sehr eingeschränkten Produkteuniversum.»
Wer für kürzere Zeit (einige Monate bis wenige Jahre) in den USA arbeiten geht, kann sein Spar- oder Privatkonto bei der Zuger KB behalten. Das Depot muss er hingegen aufheben, E-Banking erhält er auch nicht. Während des Aufenthalts in den USA darf er mit seiner Bank zuhause nie telefonieren und auch keine Post austauschen. Und er muss der Bank bestätigen, dass er seinen Steuerpflichten in den USA nachkommt. «Wir haben derzeit rund 20 Kunden aus Zug, die ihre Beziehungen mit uns auf diese Weise behalten wollten.»
Auf dem Platz Zug hat es einige internationale Firmen mit US-Mitarbeitenden, welche auch dann als „US-Personen“ gelten, wenn sie ihren Wohnsitz nicht in den USA haben. «Wir können und wollen auch mit diesen lokalen Kunden Geschäftsbeziehungen aufnehmen. Dies ist rechtlich unproblematisch, solange die US-Vorschriften eingehalten werden, und die Kunden auch alle Formulare nach amerikanischem Recht unterschreiben», sagt Niquille.
Dass die hohen administrativen Kosten, die FATCA für die Banken weltweit mit sich bringen wird, die Wettbewerbsfähigkeit schwächen werden, sei die Absicht der US-Behörden, sagte Andrew Morris, Rechtsprofessor und Offshore Experte an der Universität von Alabama, dem USA-Korrespondenten von Radio SRF. «Anstatt das eigene Steuersystem zu vereinfachen, verschlechtern die US-Behörden mit FATCA die Wettbewerbsposition der Konkurrenz in andern Staaten.»
(Quelle: Radio SRF)
Im Westen nichts Neues
Dass die USA bei ausländischen Banken, die solche Kunden haben, sehr genau hinschauten, sei aber nichts Neues, sondern bereits seit dem QI-Abkommen von 2001 (Qualified Intermediary) der Fall. Aufgrund dieses Abkommens müssen die Banken von diesen amerikanischen Kunden spezielle Formulare verlangen und gewisse Meldungen an die US-Steuerbehörde machen.
«Die amerikanische Steuerbehörde weiss deshalb über jede US-Person Bescheid, die bei uns Kunde ist.» Regelmässig werde ein sogenannter QI-Audit erstellt. Dabei prüften externe Spezialisten in der Bank, ob diese das Abkommen einhalte und meldeten den USA das Resultat ihrer Prüfungen.
Keine Bank kann sich entziehen
Mit dem Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA), welcher am 1. Januar 2014 in Kraft tritt, werde alles noch aufwändiger, sagt der CEO der Zuger KB. «Sämtliche Banken, die an FATCA teilnehmen, werden nachweisen müssen, dass sie in ihrem Kunden-Portefeuille alles ökonomisch Zumutbare unternommen haben, um sämtliche US-Personen vergangenheitsbezogen zu identifizieren und Neukunden entsprechend zu erkennen.» Ein enormer Aufwand, den sich keine Bank werde ersparen können.
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