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Frischer Wind im Geschäft mit den braunen Bohnen

Der Unternehmer Yayra Glover bei den Kakaobauern. Kaspar Meuli/swissinfo.ch

Ghana ist der wichtigste Rohstofflieferant der Schweizer Schokoladenindustrie. Doch die Aussichten sind umwölkt: Im Kakaoanbau fehlt es an jungen Bauern, die Bäume sind überaltert. Ein ghanaisch-schweizerisches Projekt eröffnet neue Perspektiven.

«Fairtrade», sagt Yayra Glover mit feinem Lächeln, «fängt mit der Waage an.» Wir befinden uns in Ateibu, einem abgelegenen Dorf in der Eastern Region von Ghana, einem der grossen Kakao-Anbaugebiete der Welt.

Glover steht in einem Schuppen mit Wellblechdach, hier kauft seine Firma den Bauern der Umgebung ihre Ernte ab. In der Luft liegt der säuerliche Geruch fermentierter Kakaobohnen, den Wänden entlang stapeln sich Säcke, und mittendrin steht eine blaue Industriewaage. Mit Hilfe von geeichten Gewichtssteinen können sich die Lieferanten überzeugen, dass diese nicht – wie sonst im Kakaoeinkauf gang und gäbe – manipuliert wurde.

Yayra Glover ist ein Unternehmer mit einer Vision. Nachdem er über zwanzig Jahre in der Schweiz gelebt hat, wo er Recht und Politikwissenschaften studierte, ist er vor vier Jahren in seine Heimat zurückgekehrt, um sich für nachhaltigen Kakaoanbau einzusetzen.

Ein lukratives Geschäft

«Wir zeigen den Bauern, wie sie den Kakaoanbau als veritables Geschäft betreiben können, in dem es gutes Geld zu verdienen gibt», sagt der 46-Jährige. «Doch zuerst erklären wir ihnen, dass sie stolz auf ihren Kakao sein dürfen. Schliesslich gibt es dafür in der Schweiz Abnehmer, die bereit sind, deutlich mehr als den Weltmarktpreis zu bezahlen. Vorausgesetzt, der Kakao wurde ohne Kinderarbeit und chemische Pestizide angebaut.»

Bereits arbeitet die Yayra Glover Ltd. mit 2500 Kleinbauern zusammen, die ihren Kakao biologisch zertifiziert anbauen. Und laufend werden es mehr.

An Abnehmern für sozial- und umweltverträglich angebauten Kakao fehlt es nicht. «Wir werden dauernd von Händlern kontaktiert, die solche Bohnen suchen», erzählt Balz Strasser, CEO der Firma Pakka, Glovers Schweizer Partner.

Das junge Zürcher Unternehmen ist auf die Entwicklung von Bio- und Fairtrade-Projekten im Süden spezialisiert und handelt mit Produkten wie Nüssen, Trockenfrüchten oder eben Kakao.

«Alleine schaffen es Produzenten aus dem Süden kaum, auf dem europäischen Markt Fuss zu fassen», erläutert Strasser. «Wir unterstützen sie dabei und bauen die nötigen Handelsketten auf.»

Der Ursprung der Bohnen

Nun soll das ghanaisch-schweizerische Bio-Kakao-Projekt stark ausgebaut werden. Mit Unterstützung des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) betreiben die beiden Firmen eine geographische Ausdehnung in die Volta-Region im Südosten des Landes.

Schlüssel für den Erfolg ist nicht zuletzt die lückenlose Rückverfolgbarkeit der Bohnen. Konkret funktioniert das System so: Zuerst vermessen die Mitarbeiter von Yayra Glover mit Hilfe eines GPS-Geräts die Parzellen der Bauern. Aus diesen Angaben lässt sich die zu erwartende Kakaoernte berechnen – und damit Etikettenschwindel vermeiden.

Über die Lieferung der Bauern wird anschliessend Buch geführt, und auf jedem Sack, der einen Einkaufsposten der Firma Glover verlässt, wird mit schwarzer Farbe ein Code aufgemalt. Einfach aber effektiv. «Es gibt in Ghana keinen anderen Lieferanten», so Balz Strasser, «der die Herkunft der Bohnen so genau nachvollziehen kann.»

Das Wissen um die Anbaubedingungen wird immer wichtiger, denn den Schokoladenherstellern macht Kritik zu schaffen. Sie werden von Nichtregierungs-Organisationen (NGO) wegen ihrer Mitverantwortung an Kinderarbeit an den Pranger gestellt, und auch viele Konsumenten wollen sicher sein, dass dem süssen Vergnügen nicht ein bitterer Nachgeschmack anhaftet.

Alte Bauern, alte Bäume

Kommt dazu, dass sich die Schokoladehersteller Sorgen um den Nachschub ihres wichtigsten Rohstoffes machen. Die weltweite Nachfrage wächst, doch die Produktion steht auf zunehmend wackligen Füssen.

Nicht nur in der Eastern Region von Ghana sind die Kakaobäume überaltert und werfen immer weniger Ertrag ab. Zudem fehlt eine nächste Generation von Kakaobauern. In Ghana liegt ihr Durchschnittsalter bei 55 Jahren – gerade mal drei Jahre unter der durchschnittlichen Lebenserwartung.

Kein Wunder, versuchen bei diesen unsicheren Aussichten immer mehr Schokoladenfirmen direkte Beziehungen zu den Produzenten aufzubauen.

Gegen Kinderarbeit

Zurück nach Ateibu, dem Dorf der Bio-Kakaobauern. Nicht weit vom Einkaufsposten entfernt liegen die Gebäude der Primarschule. Lydia Baffour Awuah, eine Mitarbeiterin der Firma Glover, stattet hier regelmässig Besuche ab und macht Kinderarbeit zum Thema.

Zwar, so erklärt die junge Agronomin, existierten in Ghana die schlimmsten Formen von Kinderarbeit durch Kinderhandel nicht. Doch verboten ist jede Form von Arbeit, welche die Kinder in ihrer Entwicklung behindert. Kinder müssen regelmässig zur Schule gehen können und dürfen keine schwere körperliche Arbeit leisten.

«Es braucht viel Fingerspitzengefühl, um über Kinderarbeit zu sprechen», sagt Lydia Baffour Awuah. «Schliesslich sollen die Kinder nach wie vor auf dem Hof der Eltern mithelfen, denn dabei lernen sie, worauf es beim Kakaoanbau ankommt.» Gehe dieses Wissen verloren, stehe die Zukunft des Kakaoanbaus auf dem Spiel.

Lydia Baffour Awuah ist übrigens selbst bestes Beispiel dafür, dass junge Ghanaer durchaus an den Kakao glauben, ein Gegentrend zur verbreiteten Landflucht. Wie viele der Mitarbeiter von Glover stammt sie aus der Hauptstadt Accra. Heute aber setzt sie voll auf die Landwirtschaft.

«Ich will sobald wie möglich eigenes Land kaufen und Setzlinge pflanzen. Meine Zukunft sehe ich hier im Kakaogeschäft, und nicht in der Stadt.»

Das westafrikanische Land Ghana spielt seit langem eine wichtige Rolle im Kakaogeschäft. Hinter der Elfenbeinküste liegt das Land gegenwärtig auf Rang 2 der Exportnationen.

In der letzten Erntesaison wurden erstmals eine Million Tonnen Kakaobohnen geerntet. Der Wirtschaftszweig ist durch Hunderttausende von Kleinbauern geprägt, die den Kakao seit Generationen neben Kulturen zur Selbstversorgung anbauen.

Beim Aufstieg Ghanas zum Kakaoland spielte eine Schweizer Firma eine entscheidende Rolle: die Basler Handelsgesellschaft (BHG). Die von der Basler Mission gegründete Firma verschiffte 1893 den ersten Sack ghanaischen Kakaos nach Europa.

Wie die Historikerin Andrea Franc in ihrer Studie «Wie die Schweiz zur Schokolade kam» zeigt, sicherte die BHG durch ihre Direktlieferungen von ghanaischem Kakao der Schweizer Schokoladenindustrie gar das Überleben.

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