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Grünes Soja: Pionierin Schweiz hat global noch wenig Einfluss

Sojabohnen
Die Schweiz importierte im vergangenen Jahr rund 260'000 Tonnen Sojabohnen. Keystone / Andre Penner

Die Schweiz ist die Geburtsstätte der nachhaltigen Soja-Industrie. Doch global hat dieser Umstand noch wenig bewirkt. Das könnte sich ändern, wenn sie Rohstoff-Firmen stärker in die Pflicht nehmen würde.

Das Jahr 2020 wird vor allem durch Negativschlagzeilen in Erinnerung bleiben. Doch es gab auch einige positive Meldungen, gerade beim Thema Nachhaltigkeit. So feiert das «Soja Netzwerk Schweiz» sein zehnjähriges Bestehen und zieht eine positive Bilanz. Es fördert seit 2010 die ökologische und soziale Verbesserung des Soja-Anbaus vorab in Brasilien und nimmt dabei international eine Vorreiterrolle ein.

Die Geschichte des Netzwerks begann eigentlich schon 2004. Damals tat sich die Schweizer Supermarktkette Coop mit den Umweltschutz-Organisationen WWF und Proforest zusammen, um die so genannten Basler Kriterien für einen nachhaltigen Soja-Anbau ins Leben zu rufen. Es war das erste Mal, dass Mindestkriterien darüber, was bei der Soja-Produktion ökologisch, sozial und wirtschaftlich verantwortlich ist, definiert wurden.

Viele Umweltprobleme

Es war ein bedeutender Moment für die Nachhaltigkeitsbewegung, denn die Soja-Produktion expandierte in den vergangenen Jahrzehnten schnell. Viele Unternehmen und Produzenten sorgten sich wenig um die damit verbundenen Probleme wie Entwaldung, Landenteignungen oder den Einsatz schädlicher Pestizide. Konsumentinnen und Aktivisten verlangten mehr Verantwortungsbewusstsein, sodass die Soja-Händler gezwungen wurden, Massnahmen zu ergreifen.

«Verantwortungsbewusste Unternehmen, die Soja und Soja-Produkte kaufen, müssen sicher sein können, dass sie diese negativen Konsequenzen nicht ungewollt unterstützen. Auf der anderen Seite müssen verantwortungsbewusste Soja-Produzenten die Chance bekommen, ihrer Kundschaft zu beweisen, dass sie sich auch tatsächlich verantwortungsbewusst verhalten», hiess es im 2004 veröffentlichten Bericht zu den Basler Kriterien.

Die Basler Kriterien trugen dazu bei, die Grundlagen für einen nachhaltigen Soja-Anbau zu schaffen. Sie führten auch zur Gründung des «Runden Tischs für verantwortungsvolle Soja» (Round Table of Responsible Soy oder kurz RTRS) in Zürich im Jahr 2006. Im selben Jahr wurde die erste Lieferung von 1000 Tonnen zertifiziertem Soja importiert.

2010 wurde das Soja Netzwerk Schweiz offiziell gegründet. Es umfasst heute 29 Mitglieder, darunter die Detailhändler Migros, Coop, Denner und Lidl, der Schweizerische Bauernverband, die Vereinigung Schweizerischer Futtermittelfabrikanten und WWF Schweiz.

Messlatte höher legen

Die kürzlich vom Netzwerk veröffentlichten Zahlen zeigen, dass die Schweiz im Jahr 2019 rund 260’000 Tonnen Sojabohnen importierte, je zur Hälfte aus Europa und Brasilien. Rund 95% des Imports kam gemäss Netzwerk aus nachhaltigem Anbau.

Eine vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) in Auftrag gegebene und von der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften in Bern durchgeführte Studie belegt die positiven Auswirkungen der Basler Kriterien. Gemäss Studie garantieren die Nachhaltigkeitsstandards von RTRS sowie Proterra, dass die Soja-Importe aus abholzungsfreien Gebieten stammten, keine ausbeuterischen Arbeitsbedingungen bestanden und Konflikte mit lokalen Gemeinschaften ausgeschlossen waren.

Gemäss der Studie reagierten brasilianische Produzenten und internationale Agrarkonzerne auf die Nachfrage der Schweiz nach nachhaltigem Soja und bieten zertifizierte, gentechfreie Bohnen an. Dies zeige, dass die Schweiz trotz ihres geringen Marktanteils Einfluss auf die globale Lieferkette nehmen könne, schreiben die Forschenden. Sie raten dem Netzwerk, die bereits bestehenden Standards weiterzuentwickeln und seine Erfahrungen mit europäischen Interessengruppen zu teilen, damit zertifizierte, nachhaltige Soja eine grössere Akzeptanz finden kann.

Kritik und Skepsis

Doch die Arbeit des Netzwerks ist nicht frei von Kritik. So glauben nicht alle der Behauptung, dass rund 95% der Schweizer Sojaimporte aus nachhaltigem Anbau stammen. «Das ist unwahrscheinlich, vielleicht nicht die Zahl an sich, aber die Definition oder die Kriterien für Nachhaltigkeit», sagt Silvie Lang, Rohstoffspezialistin bei der Schweizer Nichtregierungs-Organisation Public Eye.

Ein Kritikpunkt ist, dass RTRS zwei Optionen für nachhaltig zertifiziertes Soja anbietet: «Massenbilanz» und «Segregation». Beim Premium-Zertifizierungssystem wird das Soja segregiert, was bedeutet, dass der nachhaltige Teil vom Bauernhof bis zum Endprodukt vom konventionell-produzierten Teil getrennt gehalten werden muss. Bei der Massenbilanz wird das Soja vermischt, aber im richtigen Verhältnis weiterverkauft. Es ist jedoch nicht klar, wie viel der Schweizer Importe auf die einzelnen Kategorien fallen.

Ein weiterer Kritikpunkt, der auch in der Studie vorgebracht wird, ist der Einsatz von Pestiziden. Laut Lang wird der Grossteil der Pestizide in Brasilien bei Soja-, Mais- und Zuckerrohrkulturen eingesetzt. Im Jahr 2017 machten Pestizide, die auf Soja-Bohnen angewendet werden, 52% der Pestizidverkäufe im Land aus.

Paraquat, ein hochgefährliches, in über 50 Staaten verbotenes Pestizid, ist gemäss RTRS-Richtlinien verboten, aber es gibt eine Ausnahmeklausel in der Zertifizierungsnorm. «Solange Paraquat und andere hochgefährliche Pestizide gemäss RTRS erlaubt sind, kann Soja nicht als nachhaltig betrachtet werden», sagt Lang.

Es gibt auch eine gewisse Skepsis gegenüber den Behauptungen der Studie, wonach die Nachfrage der Schweiz nach nachhaltigem Soja die globalen Lieferketten beeinflusse. Lang führt den Einfluss eher auf den Druck der Europäischen Union zurück, die über deutlich mehr Kaufkraft verfügt als die Schweiz.

Die Schweiz habe aber die Möglichkeit, weltweit etwas zu bewirken, indem sie die Rohstofffirmen stärker in die Pflicht nehme. «Die Schweiz ist eine der grössten, wenn nicht sogar die grösste Drehscheibe für den Handel mit Agrarrohstoffen. Der Einfluss von Rohstofffirmen auf nachhaltige Märkte könnte daher viel, viel grösser sein als die Schweizer Importe», sagt Lang.

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(Übertragung aus dem Englischen: Christoph Kummer)

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