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Immobilienmarkt: Düstere Aussichten trotz Rekordwerten

Baustelle eines Mehrfamilienhauses
Der Ukraine-Krieg führt zu höheren Rohstoffpreisen und Lieferengpässen. Das verzögert Bauprojekte und macht sie teurer. © Keystone / Gaetan Bally

Die Corona-Krise konnte dem Schweizer Immobilienmarkt nichts anhaben. Die Preise für Mehrfamilienhäuser haben Höchststände erreicht, doch nun droht mit der Ukraine-Krise und steigenden Zinsen die Trendwende.

2021 war ein Rekordjahr für den Schweizer Immobilienmarkt: Die Gesamtrendite – das umfasst die Mieteinnahmen und die Wertveränderungen von Liegenschaften – lag für Immobilieninvestor:innen so hoch wie seit sieben Jahren nicht mehr. Die Preise kennen seit Jahren nur eine Richtung – nach oben –, und die Zinsen sind tief. Das waren langezeit ideale Voraussetzungen, um als Wertanlage ein Mehrfamilienhaus oder eine Eigentumswohnung zu kaufen. Immer vorausgesetzt, man gehörte zum Kreis jener, die sich die hohen Preise leisten konnten.

Doch Ende Februar stellte der Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine alle Prognosen auf den Kopf. «Mit der Ukraine-Situation haben wir eine neue Ausgangslage», sagt Donato Scognamiglio vom Immobilienberatungsunternehmen IAZI an einer Medienkonferenz. «Das Risiko, das wir früher nicht wahrhaben wollten – die Inflation – ist jetzt da.»

Glimpflich durch die Covid-Krise

Die letzten Krisen hat der Schweizer Immobilienmarkt gut weggesteckt. «Seit 1998 sehen wir eine Wertsteigerung nach der anderen», bilanziert Scognamiglio. Das gilt selbst für die Finanzkrise von 2008.

Fritz Zurbrügg, Direktionsmitglied der Schweizer Nationalbank (SNB), sagte dazu kürzlich bei einem Vortrag in Genf: “Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern gab es in der Schweiz vor der globalen Finanzkrise keinen Immobilienboom, folglich kam es danach auch zu keinem Einbruch.Vielmehr sind die Wohnliegenschaftspreise seither moderat, aber unablässig gestiegen.»

Daran hat auch die Covid-Krise wenig geändert. Der Marktwert von Mehrfamilienhäusern ist 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 4,1% gestiegen, und war so hoch wie nie zuvor.

Der Markt für Geschäftsliegenschaften war schwieriger. Viele Einzelhändler kämpften mit Ausfällen, weil sie wegen der Pandemie vorübergehend die Türen schliessen mussten. Und trotzdem erlebten selbst die Geschäftsliegenschaften in der Schweiz 2021 eine Wertsteigerung von 2,7%.

Schweizer Immobilien unter den teuersten der Welt

Steigende Immobilienpreise sind keine Schweizer Eigenheit – verglichen mit dem Ausland nehmen sie nicht mal besonders schnell zu, wie die Zahlen der OECD zeigen. Zurbrügg erklärt den internationalen Trend mit dem knappen Immobilienangebot, einer gestiegenen Nachfrage nach Wohneigentum aufgrund der Pandemie und historisch tiefen Zinsen in den letzten Jahren.

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Auch wenn die Schweizer Preissteigerung im internationalen Vergleich moderat aussieht: Schweizer Immobilien gehören zu den teuersten weltweit, selbst wenn man das in der Schweiz hohe durchschnittlich verfügbare Einkommen in der Berechnung berücksichtigt.

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«Das Gespenst ist da»

Immobilien gelten generell als sichere Wertanlagen. In der aktuellen Situation aber sind die Risiken erhöht: «Auf die Inflation werden unweigerlich Zinssteigerungen folgen», ist Scognamiglio überzeugt. Ein Zinsanstieg könnte zu einer beachtlichen Reduktion der Liegenschaftswerte führen. Das wäre insbesondere für jene ein Problem, die sich für eine Immobilie stark verschuldet haben.

Wenn die Schuldner:innen ihre Hypotheken nicht mehr abbezahlen können, ist das auch für die Banken ein Risiko, warnt die SNB. Die Schweiz, deren Wirtschaft sich weiterhin stark auf den Bankensektor abstützt, wäre davon besonders betroffen. In der aktuellen Situation seien Banken verwundbar durch plötzliche Zinsanstiege oder eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation. Denn: «Es gibt Anzeichen von überzogenen Bewertungen an den Aktien- und Immobilienmärkten, und die Unternehmens- und Staatsverschuldung ist weltweit hoch», so Zurbrügg.

Ukrainekrieg verteuert das Wohnen

Wohnen wird nicht nur wegen den rekordhohen Immobilienpreisen teuer bleiben. Rund 60 Prozent der Haushalte in der Schweiz heizen laut dem Bundesamt für Statistik nach wie vor mit Öl oder Gas. Die EU weist im Durchschnitt ähnliche Werte aus. Besonders beim Gas ist die Schweiz – wie viele Länder Europas – stark von Russland abhängig. Die aufgrund des Ukrainekrieges steigenden Heizöl- und Gaskosten werden deshalb für viele Schweizer:innen zu spüren sein.

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Mietende werden als Folge des Ukrainekrieges noch stärker um Wohnungen kämpfen müssen: Da die Schweiz als attraktiver und sicherer Arbeitsmarkt gilt, werde die Zuwanderung zunehmen, prognostiziert der aktuellste Bericht des Immobilienberaters Wüest Partner. Auch die ukrainischen Flüchtlinge in der Schweiz werden Mietwohnungen brauchen.

Das Angebot für Mietende ging schon vor der Ukrainekrise stark zurück. Die Coronapandemie hat dazu geführt, dass die Menschen mehr Raum wollten, unter anderem fürs Homeoffice. Das Angebot an Mietwohnungen schrumpfte deshalb in den letzten zwölf Monaten so stark, wie seit neun Jahren nicht mehr, so der Bericht von Wüest Partner.

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