Schliessung dreier Grenzübergänge führt zu diplomatischen Verstimmungen
Der Schweizer Botschafter in Italien musste am Dienstag vor dem italienischen Aussenministerium antraben, um die nächtliche Schliessung dreier Grenzübergänge zwischen Italien und der Schweiz zu erklären.
Der Schweizer Botschafter in Italien, Giancarlo Kessler, wurde am Dienstag dringlich ins italienische Aussenministerium zitiert, um die nächtliche Schliessung dreier kleiner Grenzübergänge im Tessin zu erklären. Der Schweizer Botschafter musste auch die wenig diplomatischen Äusserungen der Tessiner Behörden rund um diese Massnahme erklären. Kessler erinnerte die italienischen Behörden daran, dass es sich bei der nächtlichen Grenzpostenschliessungen um eine temporäre Massnahme handle.
Im Vorfeld hatte die Präsidentin des Parlamentskomitees für die Überwachung des Schengener Abkommens, Laura Ravetto, den Innen- und den Aussenminister Italiens in einem Brief gefragt, ob die Schweiz mit ihrer Massnahme den Schengener GrenzkodexExterner Link noch einhalte (eine Kopie des Briefes liegt tvsvizzera.it respektive swissinfo.ch vor). Gegenüber dem Corriere della Sera sagte die Abgeordnete von Forza Italia, dass die Schweiz weder die italienische Regierung noch die Europäische Kommission informiert habe. Deshalb habe sie den Schweizer Botschafter für eine Audienz einbestellt.
Pilotprojekt
Worum geht es? Seit dem ersten April werden drei Grenzübergänge zwischen dem Tessin und Italien (Novazzano-Marcetto, Pedrinate und Ponte Cremenaga) von 23.00 Uhr abends bis 05.00 Uhr in der Früh geschlossen. Die Massnahme bleibt sechs Monate in Kraft, danach werden die Behörden die Erfahrungen auswerten. Das Pilotprojekt wurde von der Landesregierung gutgeheissen und geht auf eine Motion der kantonalen Abgeordneten Roberta Pantani (Lega dei Ticinesi) zurück.
Die Massnahme wurde ergriffen, um die grenzüberschreitende Kriminalität zu bekämpfen. So können sich die Grenzwächter auf die grossen Grenzübergänge konzentrieren, ohne dass die kleinen Übergänge unbewacht bleiben.
Die Massnahme hat allerdings viel Staub aufgewirbelt. Samstagabend beispielsweise haben mehrere Bürgermeister aus der Region Varese vor dem Grenzübergang Ponte Cremenaga demonstriert. Und am Dienstag hat der Regionalrat der Lombardei einer Protestmotion gegen die Schweizer Massnahme zugestimmt.
«Wenn es funktioniert, erweitern wir»
Norman Gobbi, Mitglied der Lega dei Ticinesi und Vorsteher des für die Sicherheit zuständigen Tessiner Departements, verteidigt die Massnahme. Italienische Arbeitnehmer würden keine grossen Nachteile erleiden, weil wenige Kilometer weiter andere Grenzübergänge offen seien. Daher werde das Schengener Abkommen eingehalten. «Wir wollen die Kontrollen auf die Hauptverkehrsachsen konzentrieren, wo es in den grenznahen Dörfern zu kriminellen Akten gekommen ist. Es ist ein Experiment, aber wenn es funktioniert, weiten wir es aus», sagte er gegenüber dem Corriere della Sera.
Laut Laura Ravetto schüttet man damit aber bloss Öl ins Feuer, ohne einen echten Effekt zu erreichen: «Die Sicherheit der Bürger erreicht man mit der Kontrolle der Schengen-Aussengrenzen. Die Schliessung der inneren Grenzen ist ein Verlust für den, der sie ausführt.»
Die nächtliche Schliessung der Grenzübergänge ist eigentlich keine wirkliche Neuheit. Der Übergang von Umbrail zwischen Bormio (Italien) und Santa Maria (Kanton Graubünden) ist in der Nacht seit jeher geschlossen. Im Kanton Genf ist seit einigen Monaten ein ähnliches Pilotprojekt wie im Tessin in Gang, das vier Grenzübergänge betrifft. Auch da gab es Proteste von französischen Bürgermeistern. Trotzdem wird der Test fortgesetzt.
Zudem darf man nicht vergessen, dass Ende 2009 an verschiedenen Grenzposten zwischen dem Tessin und der Lombardei des Nachts die Barrieren unten blieben. Damals protestierte allerdings niemand in Italien. Vielleicht, weil der Entscheid von der Präfektur Como (Italien) gefällt worden war…
Zankapfel Strafregisterauszüge
Es gibt aber noch ein anderes Thema, das die Beziehungen zwischen der Schweiz und Italien belastet: Seit zwei Jahren verlangt das Tessin von italienischen Arbeitnehmern einen Strafregisterauszug.
Laut Laura Ravetto handelt es sich um eine diskriminierende Massnahme, da gegen französische und deutsche Bürger keine ähnlichen Massnahmen ergriffen worden seien.
«Wer in Ordnung ist, hat nichts zu befürchten», entgegnete darauf der Tessiner Minister Norman Gobbi. «Zudem betrifft die Regel nicht nur Italiener, sondern alle Grenzgänger aus Italien, unabhängig von deren Nationalität.» Die Massnahme werde nicht auf Grenzgänger aus Frankreich und Deutschland angewendet, weil in diesen Ländern keine organisierte Kriminalität existiere wie in Italien.
(Übertragung aus dem Italienischen: Sibilla Bondolfi)
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