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Bei Sylvac, im Herzen der Schweizer Hochpräzision

Mann vor gelbem Eingang, oben Schriftzug Sylvac
Eric Schnyder, Geschäftsführer von Sylvac, einem Familien-KMU, das nächstes Jahr das 50-jährige Bestehen feiern wird. swissinfo.ch

Die Schweizer Industrie verdankt einen Grossteil ihres Erfolgs tausenden kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die extrem präzise Fertigungsteile, Instrumente und Maschinen in die ganze Welt exportieren. Zu ihnen gehört auch Sylvac, ein weltweit anerkannter Spezialist auf dem Gebiet der Produktion von digitalen Messwerkzeugen. Das Unternehmen im Porträt.

Eric Schnyder ist hochzufrieden und macht daraus auch kein Hehl. Der Geschäftsführer von SylvacExterner Link sitzt in seinem Sessel mit Blick auf die vollverglaste Fassade des ultramodernen Werks, das 2014 in Malleray-Bévilard (Kanton Bern) eingeweiht wurde, und freut sich über den Aufschwung, den sein Unternehmen in den vergangenen Jahren erlebt hat. «Unser Umsatz ist seit 2015 um rund 30% auf fast 30 Millionen Franken gestiegen, obwohl wir langfristig eher ein Jahreswachstum von 2% anstreben», erklärt er.

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Sylvac exportiert mehr als 85% seiner Produktion, hauptsächlich nach Deutschland, China und in die USA. Obschon das Unternehmen nur gerade 3 bis 4% des Markts für Messinstrumente kontrolliert – Weltmarktführer ist der Japaner MitutoyoExterner Link mit einem Marktanteil von nahezu 50% –, ist das Schweizer KMU für seine digitalen Messschieber mit zwei Stahlstäben weltweit bekannt; für den längsten Messschieber der Welt hat es sogar einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde erhalten.

Dank der gelungenen Mischung aus Mechanik, Elektronik und Messtechnik lassen sich mit Sylvac-Produkten implantierte Knochenschrauben ebenso gut messen wie der Durchmesser eines Rädchens, das einen Uhrenmechanismus in Gang setzt, oder der Grad des Durchhangs von Flugzeugflügeln.

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Bei Sylvac ist Präzision kein blosses Schlagwort. Die Werkzeuge aus der Fabrik in Malleray-Bévilard messen bis auf ein Hundertstel Mikron genau, das heisst 7000 Mal feiner als im Schnitt der Durchmesser eines Haares beträgt.

Präzision gehört zur DNA der Schweiz

«In unserer Region ist Präzision zutiefst in den Genen verankert und wird von Generation zu Generation weitergegeben», betont Schnyder. Ein Know-how, verbunden mit protestantischer Arbeitsethik, das den Berner Jura – die Region der französischsprachigen Minderheit im Kanton Bern – weltweit zur Hochburg der Mikrotechnik-Produktion im Spitzenbereich werden liess.

«Man kann sich nicht den ganzen Tag auf winzige Teilchen konzentrieren und gleichzeitig grosse Offenheit an den Tag legen.»
Eric Schnyder, Geschäftsführer Sylvac

Seriosität, Respekt, Verlässlichkeit, Flexibilität, Reaktionsvermögen sowie die Fähigkeit, zuhören und Kompromisse eingehen zu können, sind bei Sylvac zentrale Werte. «Es sind auch Trümpfe, die es uns erlauben, uns von der internationalen Konkurrenz abzuheben. Zumal die mit dem Produkt erbrachte Dienstleistung heutzutage eine immer wichtigere Rolle spielt», so Schnyder.

Die Kehrseite der Medaille ist ein gewisses Misstrauen gegenüber äusseren Einflüssen. «Man kann sich nicht den ganzen Tag auf winzige Teilchen konzentrieren und gleichzeitig grosse Offenheit an den Tag legen», illustriert Schnyder.

Nach zwei negativen Erfahrungen hat die Unternehmensleitung sich dazu entschlossen, bei der Anstellung von französischen Grenzgängern Zurückhaltung zu üben. «Die kulturellen Unterschiede sind einfach zu gross. Hier sind die Leute wortkarg und schätzen es gar nicht, wenn jemand zu redselig ist oder sein Wort nicht hält», fährt der Geschäftsführer fort.

Stolz und Dankbarkeit

Unter den Mitarbeitenden, vor allem den Arbeiterinnen in der Endmontage, tragen dennoch viele einen italienisch, portugiesisch oder spanisch klingenden Familiennamen. Sie wohnen jedoch alle schon lange im Tal und sind mit den regionalen Sitten und Gebräuchen bestens vertraut.

«Wir sind sehr stolz, für ein Unternehmen zu arbeiten, das Produkte mit der Aufschrift ‹Swiss Made› in die ganze Welt exportiert. Die Arbeitsbedingungen sind ausgezeichnet und die Vorgesetzten sehr freundlich», findet Silvia*, eine dreissigjährige Portugiesin, die sich im Unternehmen vollkommen integriert fühlt.

Frau montiert Präzisionswerkzeuge
In den Montagewerkstätten sind vor allem Arbeiterinnen aus Südeuropa tätig. swissinfo.ch

Bei Sylvac beläuft sich der Mindestlohn auf 3800 Franken monatlich, wie es der Gesamtarbeitsvertrag (GAV) der Branche empfiehlt. Verteilt auf die Standorte Malleray-Bévilard und das waadtländische Crissier beschäftigt das KMU 130 Mitarbeitende in der Schweiz sowie rund vierzig im Verkauf tätige Mitarbeitende in China, Thailand und Indien.

Innovation als Credo

Als vollständig im Besitz von drei Aktionärsfamilien stehendes Unternehmen strebt Sylvac keine hohen Renditeziele an, wodurch zwischen 10 und 12% des Umsatzes in die Forschung und Entwicklung neuer Produkte gesteckt werden können. «Das ist viel für einen Betrieb unserer Grösse», meint Eric Schnyder.

Der Patron von Sylvac setzt grosse Hoffungen in die laufende digitale Transformation, die häufig als vierte industrielle Revolution bezeichnet wird. Nach seinem Dafürhalten könnten dank künstlicher Intelligenz und neuer Techniken der Bildbearbeitung in Zukunft zahlreiche repetitive und administrative Aufgaben eliminiert werden.

«Durch eine zunehmende Automatisierung der Produktion könnten weite Teile der Industrieaktivitäten wieder in die Schweiz zurückgeholt werden.»
Eric Schnyder, Geschäftsführer Sylvac

«Das wird noch Jahre dauern, aber ich sehe darin eine echte Chance für die Schweizer Industrie, die heute mit hohen Produktionskosten zu kämpfen hat. Durch eine zunehmende Automatisierung der Produktion könnten weite Teile der Industrieaktivitäten wieder in die Schweiz zurückgeholt werden, wo wir über ein äusserst günstiges wirtschaftliches Umfeld verfügen», meint Schnyder.

Wann kommt die nächste Krise?

Trotz der guten Verfassung der Schweizer Industrie und ermutigender Perspektiven verfällt man bei Sylvac nicht in Enthusiasmus und behält Bodenhaftung. Konjunkturelle Höhen und Tiefen gehören zum Leben des Unternehmens, und gerade die Erinnerung an die Krise von 2009 – als der Umsatz des waadtländisch-bernischen Industrieunternehmens um 52% einbrach – hat tiefe Spuren hinterlassen.

«Sieht man von den Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der anhaltenden Frankenstärke ab, so haben wir seit zehn Jahren keinen erheblichen Konjunkturrückgang mehr erlebt. Die Wirtschaft ist nun aber deutlich überhitzt und dürfte sich in den kommenden Monaten rückläufig entwickeln. Doch wie gross das Ausmass der nächsten Krise auch sein mag, wir sind weit besser vorbereitet als noch vor zehn Jahren», versichert Eric Schnyder.

* Name geändert

Die Schweiz, Land der Hochpräzision

Die Schweizer Präzisionsindustrie umfasst die Maschinen-, Elektro- und MetallindustrieExterner Link (MEM) sowie die UhrenindustrieExterner Link. Die 15’000 in diesem Bereich tätigen Unternehmen, die meisten von ihnen kleine und mittelgrosse Unternehmen (KMU), beschäftigen in der Schweiz mehr als 400’000 Mitarbeitende.

Die Branche trägt rund 9% zum Schweizer Bruttoinlandprodukt (BIP) bei und generierte 2017 im Exportgeschäft mehr als 86 Milliarden Franken.

Zahlreiche Branchenunternehmen haben sich auf die Herstellung von hochpräzisen Messinstrumenten spezialisiert, so etwa TesaExterner Link und RüegerExterner Link (Kanton Waadt), Endress+Hauser FlowtecExterner Link (Basel-Landschaft) oder ZumbachExterner Link (Zürich).

Kontaktieren Sie den Autor aufTwitter: @samueljabergExterner Link

(Übertragung aus dem Französischen: Cornelia Schlegel)

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