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«Die Minsker-Abkommen sind der einzige Friedensplan, den wir haben»

Zwei Soldaten spielen in einer verschneiten und beschädigten Halle mit einem Fussball.
Kein Ende der Kämpfe, nur eine kurze Pause: Ukrainische Soldaten beim Fussballspiel in einer beschädigten Turnhalle in Maryinka nahe der Frontlinie. Keystone

Die Situation in der Ostukraine hat sich massiv verschlechtert, sowohl auf der Verhandlungsebene als auch im Feld. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenhalt in Europa (OSZE) spielt in beiden Bereichen eine Schlüsselrolle. Doch anders als geplant, gelang es OSZE-Generalsekretär Thomas Greminger an der Münchner Sicherheitskonferenz nicht, den Friedensprozess voranzubringen.

Der Schweizer Thomas Greminger wurde im Juli 2017 für eine Amtsperiode von drei Jahren zum Generalsekretär der OSZE bestellt. Er trat 1990 in den diplomatischen Dienst des Schweizer Aussendepartements (EDA) und hatte dort zahlreiche leitende Positionen inne. Zuletzt war er als stellvertretender Chef der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) tätig.

Die Sicherheitskonferenz in MünchenExterner Link ging zu Ende, ohne ein Treffen zum Ukraine-Konflikt. Geplant waren Gespräche unter den Garantiestaaten des Minsker Abkommens.

Thomas Greminger: Ich bedaure, dass es nicht zu einem solchen Treffen kam. Politische Impulse der sogenannten Normandie-Gruppe (Deutschland, Russland, Ukraine und Frankreich) sind zwingend notwendig, um wieder Bewegung in die Lösung dieses Konflikts zu bringen. Bleiben diese Impulse aus, sind die Spielräume sehr klein.

Gibt es denn keine Alternative zu Minsk?

T.G.: Nein, diese Abkommen sind der einzige Friedensplan, den wir haben. Es ist nicht realistisch, in nützlicher Frist etwas anderes zu erwarten. Auch die Diskussionen über eine mögliche UNO-Friedensoperation finden vor dem Hintergrund der Minsker-Abkommen statt, müssten also zum Ziel haben, diese Abkommen umzusetzen.

Diese UNO-Friedenstruppen sind auch Gegenstand von Gesprächen zwischen den USA und Russland. Ist da etwas zu erwarten?

T.G.: Die Möglichkeit, hier zu einer Einigung zu kommen, besteht – allerdings nicht kurzfristig. Denn im Moment liegen die russischen und die amerikanisch-ukrainischen Vorstellungen unüberbrückbar weit auseinander. Nötig sind politische Impulse. Doch vor den russischen Präsidentschaftswahlen Mitte März wird diesbezüglich sicher nichts mehr geschehen.

«Im Moment wird der Waffenstillstand gut tausendmal pro Tag verletzt.»

Grundsätzlich scheinen alle Parteien mehr oder weniger einverstanden mit der UNO-Friedensoperation. Wo liegt das Problem?

T.G.: Eine der schwierigen Frage ist die nach dem Umfang dieser Operation. Heikel ist zudem die Frage, ob auch Vertreter der sogenannten Republiken miteinbezogen werden sollen, wenn es darum geht, sich auf eine solche Mission zu einigen. Die Schlüsselfrage schliesslich ist die nach der Abfolge der einzelnen Schritte: Die im Minsker Abkommen vorgesehene Sequenzierung muss auch im Falle einer UNO-Friedensoperation gelten. Ansonsten werden die Russen nicht zustimmen.

Es läuft also zäh auf der Verhandlungsebene. Und auch im Terrain ist die Situation wieder schwieriger geworden.

T.G.: Am 23. Dezember wurde der Waffenstillstand bestätigt. In der Folge gab es einige Tage, an denen es zu praktisch keinen Waffenstillstands-Verletzungen kam. Das zeigt, dass es geht – wenn der Wille da ist. Doch im Moment wird der Waffenstillstand wieder gut tausendmal pro Tag verletzt.

Die OSZE ist mit ihren Beobachtern seit längerem sehr präsent in der Region. Wie gut und wie sicher können diese Beobachter ihre Aufgabe im Moment erfüllen?

T.G.: Die Herausforderung für diese zivile Mission ist gross. Die Beobachter bewegen sich in einem sehr gefährlichen Umfeld, es gibt Minen und es wird geschossen, auch mit schweren Waffen.

OSZE als inklusive Dialogplattform

Thomas Greminger will der OSZE wieder mehr Gewicht geben. Er sagt, er versuche die OSZE als inklusive Dialogplattform zu platzieren. Im Moment werde viel über Abschreckung und Verteidigung gesprochen. Um vom «Abgrund wegzukommen, an dem wir uns im Moment bewegen», brauche es mehr Dialogangebote. Die OSZE könne hier eine wichtige Rolle übernehmen. Zurzeit sei die Situation schwierig, weil das Vertrauen unter den Schlüsselakteuren «auf einem historischen Tief» sei. «Vertrauen aufbauen geht im jetzigen politischen Klima nur in kleinen Schritten. Es muss irgendwann Fortschritte in der Ukraine geben, denn dieser Konflikt ist der allergrösste Bremser, wenn es darum geht, wieder Vertrauen aufzubauen.»

Porträtbild von Thomas Greminger.
Fordert neue politische Impulse, um im Ukraine-Konflikt vorwärts zu kommen: OSZE-Generalsekretär Thomas Greminger. Keystone
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