Krypto-Drehscheibe Schweiz im harten Konkurrenzkampf
Die japanische Investmentbank Nomura will ihr neues Geschäft mit Kryptowährungen in der Schweiz ansiedeln. Damit rechtfertigt sich anscheinend die Initiative des Schweizer Finanzministeriums, Blockchain-Unternehmen den roten Teppich auszurollen.
Die «Laser Digital»-Einheit von Nomura ist genau die Art von Kryptounternehmen, auf welche die Schweiz mit ihrer «Home of Blockchain»-Kampagne abzielt. Damit will sich das Land als erstklassiger Standort für internationale Unternehmen bewerben.
«Blockchain ist eines der Instrumente, die das globale Finanzwesen verändern und modernisieren werden», sagte der damalige Schweizer Finanzminister Ueli Maurer bei der Lancierung des Programms im letzten Mai.
«Es ist sehr wichtig, dass der Schweizer Finanzplatz in diesem Transformationsprozess eine führende Rolle spielt. Das wird uns wettbewerbsfähiger machen», so Maurer.
Die digitale Datenbank Blockchain, auch bekannt als Distributed Ledger Technology (DLT), ermöglicht sofortige Transaktionen, indem sie den Zwischenhandel ausschaltet.
Der Handel mit Aktien zum Beispiel erfordert derzeit mehrere manuelle Kontrollschritte, bevor die Vermögenswerte die Besitzerin oder den Besitzer wechseln. Die Schweizer Börse ist überzeugt, dass die Blockchain diesen Prozess rationalisieren und damit Zeit und Geld sparen wird.
Auch das Schweizer Parlament ist von den Vorzügen der Blockchain überzeugt. Aus diesem Grund hat die Schweiz im vergangenen Jahr ihre Wirtschafts- und Finanzgesetze überarbeitet, um die im Entstehen begriffene Technologie zu unterstützen. Die Europäische Union und die Vereinigten Staaten gehören zu den anderen Rechtsräumen, die nun denselben legislativen Weg beschreiten.
Knapper Vorsprung
Die Schweiz hat sich einen Vorsprung bei der Blockchain verschafft. Diese hat das Potenzial, die digitale Leistung in einer Reihe von anderen Wirtschaftszweigen zu verbessern. Unternehmen wie Novartis, Nestlé, Uhrenhersteller und Rohstoffhändler experimentieren ebenfalls mit Blockchain-Ansätzen zur Kontrolle von Lieferketten und zur Bekämpfung von Fälschungen.
Doch der Vorsprung der Schweiz ist gering: Sie verfügt in diesem Bereich nur über rund eintausend Unternehmen, die 6000 Arbeitsplätze schaffen.
Der im Dezember 2022 zurückgetretene Finanzminister Maurer sagte, das Land solle sich angesichts der wachsenden Konkurrenz in der EU, den USA und anderen Ländern wie Singapur und den Vereinigten Arabischen Emiraten ehrgeizig zeigen.
Die Schweiz habe jetzt die Chance, die Weichen für eine Technologie zu stellen, die in den kommenden Jahren dominierend werden könnte. Das Land sei bereit, mit allen anderen internationalen Akteuren zu konkurrieren, sagte Maurer.
Vom Experiment zur zweitwichtigsten Blockchain-Betriebssystem
Der Aufstieg der Schweiz zum Pionierland der Blockchain begann mit einem Experiment im Kanton Zug. Im Jahr 2014 erlaubten die Zuger Behörden einer bunt zusammengewürfelten Gruppe von Unternehmern, eine Basis für deren neues digitales Projekt namens Ethereum zu errichten. Heute ist Ethereum nach Bitcoin die zweitgrösste Kryptowährung.
In einem weiteren Experiment wurden Stiftungen – normalerweise für Wohltätigkeitsorganisationen reserviert – in Holdinggesellschaften umgewandelt, um die unerwarteten Milliarden von Dollars aufzusaugen, die Blockchains durch die Prägung ihrer eigenen Kryptowährungen und deren Verkauf erzielten.
Viele der weltweit bekanntesten Blockchains wie Near Protocol und Polkadot haben Schweizer Stiftungen gegründet, die nun Millionen an Zuschüssen für Startups vergeben, die ihrerseits Projekte auf ihren Plattformen aufbauen.
Dies führte wiederum zu einem Boom für Berater, Anwältinnen, Vermögensverwalterinnen, Makler und Buchhalterinnen, die Startups bei der Gründung von Unternehmen beraten oder bei der Verwaltung der Mittel von Blockchain-Stiftungen helfen.
«Krypto-Nation»-Label
Die Schweiz hat sich selbst den Titel «Krypto-Nation» verliehen, weil sie die aufkeimende Blockchain-Industrie unterstützt – vor allem Finanzunternehmen, darunter Brokerfirmen, Börsen und voll lizenzierte Banken.
Solide Verwaltungs- und Finanzinfrastrukturen und Rechtssicherheit sind in der Schweiz traditionell ein wichtiger Bestandteil. Dies zieht Blockchain-Unternehmen wie QPQ an. Dieses hat 2022 eine Schweizer Niederlassung gegründet.
«Wir hatten mit Regulierungsbehörden in verschiedenen Ländern zu tun, als wir versuchten, unser Geschäft aufzubauen. Bei vielen von ihnen hatten wir grosse Mühe, zu kommunizieren», sagt QPQ-Gründer Greg Chew gegenüber swissinfo.ch.
«Aber als wir in die Schweiz kamen, war die Einstellung ganz anders: Das Schweizer System ist sehr lernfähig, was es uns ermöglichte, auf intelligente Weise mit den Regulierungsbehörden zu kommunizieren. Das war toll für uns.»
Doch die Vorsicht der Schweizer Regulierungsbehörden könnte bahnbrechende Innovationen in der schnelllebigen Welt der Blockchain-Startups im Keim ersticken, warnt Mathias Ruch, Gründer der Risikokapitalfirma CV VC.
«Sie müssen manchmal sehr lange Wartezeiten in Kauf nehmen, bis sie von den Behörden eine Antwort auf eine Frage oder ein Problem erhalten», sagte Ruch gegenüber der Zeitung Blick. «Das führte dazu, dass einige Unternehmen ins Ausland abgewandert sind, zum Beispiel nach Singapur.»
Ein weiterer potenzieller Engpass für die Expansionsbestrebungen der «Krypto-Nation» ist die Suche nach genügend qualifizierten Arbeitskräften, um offene Stellen zu besetzen. Eine wachsende Zahl von Schweizer Universitäten versucht, dem Talentmangel entgegenzuwirken, indem sie Kurse lancieren, die speziell auf die Vermittlung von Blockchain-Technologie an Studierende ausgerichtet sind.
Im Moment sind Jungtalente in der Branche sehr gefragt. Das führt zu einem globalen intensiven Wettbewerb um qualifiziertes Personal.
Die Konkurrenz im Nacken
«Die Suche nach Arbeitskräften ist fast unzumutbar und sehr teuer. Wir konkurrieren mit US-Unternehmen mit kalifornischen Budgets, die bereit sind, riesige Gehälter zu zahlen», sagt Adrien Treccani, Geschäftsführer des Schweizer Kryptounternehmens Metaco.
Nomura betonte, es habe sich für die Schweiz als Standort für seine «Laser Digital»-Einheit entschieden, weil das Land «ein etablierter Standort mit einem robusten Regulierungssystem für digitale Vermögenswerte und Blockchain-Projekte und einem attraktiven Talentpool ist».
Die Schweiz positioniert sich als einer der stabilsten und zuverlässigsten Standorte für Blockchain mit einem Regulierungsansatz, der die bedenklicheren oder gefährlicher erscheinenden Aspekte der Technologie herausfiltert.
Da jedoch immer mehr Länder auf den Zug aufspringen und einige ein Stück des Kuchens für sich abschneiden wollen, indem sie Startups mehr Freiheit zum Experimentieren geben, fühlt die «Krypto-Nation» bereits den Atem ihrer Konkurrenz im Nacken.
Übertragung aus dem Englischen: Christian Raaflaub.
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Übertragung aus dem Englischen: Christian Raaflaub
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