Als Schweizer Teenagerin in Katar
Wie lebt es sich als Schweizer:in in einem Land, das die Meinungsfreiheit einschränkt und im Vorfeld der WM so stark kritisiert wurde? Lina Guidoum hat ihre Teenagerjahre im Emirat verbracht.
«Seit ich sieben Jahre alt bin, lebe ich in Katar. Wir kamen hierher, weil mein Vater in Doha ein eigenes Unternehmen aufgebaut hat. Ich habe zwei Brüder und eine Schwester, der eine Bruder ist fürs Studium mittlerweile in die Schweiz zurückgekehrt. Ich will ihm nächstes Jahr folgen.
Ich wohne mitten in Doha und besuche das Lycée Bonaparte – eine französische Schule. Mein Schulweg ist kurz, unser Haus befindet sich gegenüber dem Schulhaus. Es gibt ein paar Katararer:innen, die auch hier zur Schule gehen.
Die meisten meiner Freund:innen sind aber Expats. Ich habe zwei Muttersprachen: Französisch und Arabisch. Neben meinen Schweizer Wurzeln habe ich auch algerische. Zudem spreche ich English und lerne gerade Spanisch.
Ich kann das Leben hier kaum mit demjenigen in der Schweiz vergleichen. Ich war schlichtweg zu klein, als wir die Schweiz verliessen. Ich fühle mich hier in Katar sicher und sehe es nicht als Herausforderung, hier zu leben. Abgesehen von der Hitze, natürlich.
Ich habe von der Kritik an Katar gehört – etwa, dass die LGTBIQ-Community nicht akzeptiert werde. Dass das in der westlichen Welt nicht gut ankommt, verstehe ich. Aber wir leben hier in einem Land mit einer gewissen Kultur und einer Religion, und diese gilt es zu akzeptieren.
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In Doha kenne ich keine Schweizer:innen in meinem Alter. Meine Eltern haben mehr Kontakt zur Schweizer Diaspora und nehmen auch an Events der Botschaft teil. Ich habe mich auch schon als Freiwillige gemeldet für Veranstaltungen der Schweizer Botschaft. Meistens bin ich die Jüngste, wenn es um solche freiwilligen Einsätze geht. Auf der diplomatischen Vertretung habe ich auch schon ein Praktikum absolviert.
Die Fussball-Weltmeisterschaft hat einen grossen Einfluss auf meinen Alltag. Die Unterrichtszeiten wurden in den letzten Wochen gekürzt. Während des Turniers wird das Gymnasium ganz geschlossen.
Die Vorfreude auf die WM ist bei all meinen Mitschüler:innen gross. Unsere Schule organisierte ein Fussballturnier, und die Flaggen aller Länder, die sich qualifiziert haben, sind aufgehängt. Meine französischen Mitschüler:innen sind überzeugt, dass Frankreich gewinnen wird. Ich unterstütze die Schweiz und hoffe, dass sie weit kommen wird.
Leider haben wir keine Tickets für die Schweizer-Spiele ergattern können. Ich werde sie zu Hause am TV schauen müssen. Ich habe mir aber schon überlegt, ob ich zum Hotel der Schweizer Nationalmannschaft gehen soll, weil ich die Schweizer Fussballer sehr gerne treffen würde.»
Katar sieht sich seit der WM-Vergabe mit heftiger Kritik konfrontiert. Zwar haben sich die Bedingungen für Wanderarbeiter:innen seit dem Austragungsentscheid des Weltfussballverbandes FIFA verbessert. Aber die Kritik reisst nicht ab.
Einen Monat vor Anpfiff der Fussball-WM hat Amnesty International einen neuen Bericht publiziert, indem die NGO noch vor dem WM-Start von Katar und dem Fussballverband Fifa drastische Verbesserungen fordert. Die Missstände sind laut Amnesty International noch lange nicht behoben: Homophobe Gesetze, Einschränkungen der Pressefreiheit und arbeitsrechtliche Mängel.
«Tausende Arbeitsmigrant:innen stehen weiterhin vor dem Problem, dass ihre Löhne verspätet oder gar nicht bezahlt werden, ihre Ruhetage gestrichen und ein Jobwechsel verunmöglicht wird. Sie haben kaum Möglichkeiten, sich gegen diese Verstösse rechtlich zu wehren», schreibt Amnesty International. Zudem seien die Todesfälle von tausenden Arbeitsmigrant:innen in Katar ungeklärt.
Im Land am Persischen Golf leben rund 3 Millionen Menschen, wovon allerdings nur 15% Kataris sind. Den Hauptteil der Bevölkerung machen Arbeitsmigrant:innen ohne katarische Staatsbürgerschaft aus. Das Land hat eine der höchsten Ausländer:innenquote der Welt.
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