«Sie könnten sich direkt zum Matterhorn teleportieren»
Meta investiert Milliarden in den Aufbau des Metaverse. Der Tech-Riese hat ein Büro in Zürich eröffnet, wo dereinst bis zu 300 Fachleute beschäftigt werden sollen. Chef Rasmus Dahl erklärt, wie unsere Zukunft in der virtuellen Realität aussehen könnte.
Es war Oktober 2021, als Facebook-Chef Mark Zuckerberg verkündete, dass sein Unternehmen in Meta umbenannt wird. Zugleich stellte er seine Vision für das Metaverse vor, eine Virtual-Reality-Umgebung, die dereinst das Internet ablösen soll.
Doch sind User:innen wirklich bereit, sich von ihren Handy- und Computerbildschirmen abzuwenden und stattdessen mit einem Virtual-Reality-Headset in 3D-Welten einzutauchen?
2016, als Meta noch Facebook hiess, eröffnete der Social-Media-Gigant in Zürich ein Büro. Es hatte Zurich Eye erworben, ein Spinoff der ETH Zürich, das Maschinen das Sehen beibringt: Die Firma beschäftigt sich mit sehenden Computern und künstlicher Intelligenz. Dieses Zürcher Knowhow fliesst nun in die Entwicklung der VR-Brille Quest, ohne die kein Metaverse möglich wäre.
swissinfo.ch: Warum liess sich Meta damals in Zürich nieder, und wie wichtig ist die Schweiz für die Aktivitäten des Unternehmens?
Rasmus Dahl: Meta ist seit rund fünf Jahren in Zürich. Der Standort basiert auf einer lokalen Firma namens Zurich Eye, die ein Spinoff der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) war. Im Grunde führen wir ihre Arbeit fort. Wir bauen stark auf die Stärken der ETH in der Robotik und Computer-Vision, vor allem in einem Bereich, der SLAM genannt wird, bei dem es um die Positionsbestimmung geht.
Wenn Sie ein Quest-Headset betrachten, sehen Sie vier Kameras. Diese Kameras und weitere Sensoren verfolgen die Position des Geräts im Raum. Die gewonnenen Daten werden anschliessend in die virtuelle Szenerie übersetzt.
Mit der Technologie, die wir hier entwickeln, wollen wir sicherstellen, dass die Quest-Brille den Userinnen und Usern die bestmögliche Erfahrung liefert, so dass es ihnen nicht übel wird, wenn sie den Kopf in der virtuellen Realität bewegen.
Rasmus Dahl
Der 54-Jährige begann seine Karriere bei Nokia und arbeitete danach für das Virtual Reality-Startup, das später von Facebook, heute Meta, übernommen wurde. Seit zwei Jahren ist er für den Schweizer Ableger von Meta verantwortlich.
Welche Rolle spielen Schweizer Universitäten und Forschungszentren für Meta?
Wir arbeiten mit der ETH und der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) zusammen und sind natürlich immer auf der Suche nach neuen Kooperationen.
Einer der Hauptgründe, warum Meta so viel in den Standort Zürich und die Schweiz investiert, ist der Zugang zu Spitzenforschung. Viele der Arbeiten, die an der EPFL und der ETH durchgeführt werden, sind für die Entwicklung unserer Produkte sehr wichtig. Und hier finden wir Top-Leute und Talente, die diese komplizierten Computermodelle bauen können.
Welche Fachleute suchen Sie?
Wir suchen vor allem Robotikerinnen und Robotiker. Und mit Robotik meine ich Technologien, wie man sie bei autonomen Robotern oder selbstfahrenden Autos findet.
Wir suchen Menschen, die sich auf Computer-Vision, maschinelles Lernen oder künstliche Intelligenz spezialisiert haben. Im Prinzip alle Bereiche, die uns beim Aufbau des Metaverse helfen können.
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Was ist die Aufgabe Ihres Teams in Zürich?
Wir sind vor allem für die Quest-Headsets verantwortlich. Wir entwickeln nicht die Hardware an sich, sondern die Technologie, die das Gerät im Raum lokalisiert und «trackt». Das VR-Headset selbst wird anderswo entwickelt und produziert.
Wir arbeiten mit Teams auf der ganzen Welt zusammen, um eine gute Integration zwischen Software und Hardware zu erreichen. Diese Arbeit erfordert eine enge Abstimmung.
Wir müssen zum Beispiel festlegen, wo genau die Kamera platziert werden soll, wie das Objektiv aussehen soll und so weiter. Es gibt viele Details, auf die sich die verschiedenen Teams einigen müssen.
Was ist das Metaverse?
Das Metaverse ist eine virtuelle 3D-Welt, in der die User:innen mithilfe neuer Technologien wie Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) mit anderen Menschen interagieren und Dinge erleben können.
Was wird konkret in Zürich erarbeitet, das beim Aufbau des Metaverse hilft?
Wie bereits gesagt, bauen wir in Zürich nicht die eigentliche Hardware. Wir bauen auch nicht das Metaverse-Erlebnis. Wir erstellen zum Beispiel nicht die Horizon-Workrooms-Anwendung.
Aber wir entwickeln viele der technologischen Bausteine, die diese Erfahrungen ermöglichen. Es geht um die Wahrnehmung der Umgebung. Es wird sehr schnell sehr technisch, aber im Grunde bauen wir ein Software-Paket, durch das die Brille die Welt wahrnehmen kann.
Dieses Paket kann etwa ein digitales Abbild eines Menschen erstellen und ermöglicht die Interaktion mit Objekten im virtuellen Raum. Es ist eine der wichtigsten Investitionen der Meta Reality Labs. Und auf Zürich entfällt etwa ein Viertel der Gesamtinvestitionen von Meta in diesem Bereich.
Es ist also ein sehr bedeutender Beitrag, den wir hier leisten. Der Tracking-Algorithmus stammt aus Zürich. Er wurde hier entwickelt und ausgereift. Er wurde sowohl für die erste Generation von Quest als auch für Quest 2 verwendet.
Wir bei swissinfo.ch informieren Schweizer:innen im Ausland über die Geschehnisse in der Schweiz um im Ausland. Kann das Metaverse auch für die Vermittlung von Informationen nützlich sein?
Ja, davon bin ich überzeugt. Nehmen Sie als Beispiel bekannte Sehenswürdigkeiten in der Schweiz wie das Matterhorn. Sicher, man kann einen Artikel über einen Ausflug nach Zermatt schreiben oder ein Video aufnehmen.
Aber wie wäre es, wenn Sie sich mit Hilfe einer Quest-Brille zum Matterhorn «teleportieren» könnten? Sie könnten hoch zur Bergspitze schauen oder würden zum Beispiel die Geräusche der Natur in 3D-Ton wahrnehmen. So werden Erfahrungen und Informationen viel eindrücklicher.
Wer wird für den Aufbau des Metaverse verantwortlich sein? Ein einzelnes Unternehmen? Oder wird es eine offene Plattform sein?
Meta wird das Metaverse weder allein aufbauen, noch besitzen oder betreiben. Um es zum Leben zu erwecken und zu erhalten, ist die Zusammenarbeit mit politischen Entscheidungstragenden, Fachleuten und Industriepartnern erforderlich.
Der Aufbau wird eher mit der Entstehung des Internets vergleichbar sein als mit der Einführung einer App. Wir werden in jeder Phase mit anderen Unternehmen, Entwicklungsabteilungen, Fachleuten und Entscheidungstragenden kooperieren.
Meta hat auf seinen Plattformen mit Problemen wie Hassreden, Mobbing, Fake News und Betrugsversuchen zu kämpfen. Das Metaverse könnte auch die Privatsphäre der Nutzenden gefährden, sagen Expert:innen. Wie wird Meta die User:innen vor Missbrauch schützen?
Das ist eine sehr wichtige Frage. Wie bereits gesagt, werden wir mit zahlreichen Institutionen zusammenarbeiten. Dabei ist es wichtig, intelligent vorzugehen und nicht vorzupreschen.
Wir haben strenge Datenschutz-Prozesse, die natürlich auch für unsere Teams in Zürich gelten. Es gibt Kontrollmechanismen, die sicherstellen, dass wir vorsichtig mit den Daten umgehen, die unsere Software, Plattformen und letztendlich das Metaverse füttern werden.
Eine Hürde für Technologien wie Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) ist die so genannte Motion Sickness, ein Gefühl von Übelkeit, das entsteht, wenn die Bewegungen in der realen nicht mit denen in der virtuellen Welt übereinstimmen. Wie geht Meta dieses Problem an?
Auch ich leide unter Motion Sickness. Als ich die ersten Headsets ausprobierte, das war noch vor Meta, war das sehr schlimm für mich. Der Clou ist das Tracking-System. Es muss sehr präzise sein.
Ihr visuelles Wahrnehmungssystem unterscheidet sich von den anderen Wahrnehmungssystemen ihres Körpers. Wenn eine Diskrepanz besteht zwischen dem, was Ihre Augen wahrnehmen, und dem, was Ihr Innenohr anhand Ihrer eigenen Kopfbewegungen «misst», wird Ihnen übel.
Doch man kann Motion Sickness in den Griff kriegen. Und daran arbeiten wir hier. Als ich mich durch die ersten Prototypen durchprobierte, merkte ich von Woche zu Woche, als sich die Algorithmen verbesserten, wie meine Motion Sickness immer mehr abnahm.
Sie haben viele Jahre bei Nokia gearbeitet. Heute ist das Unternehmen praktisch verschwunden. In den späten 2000er-Jahren litt es unter einer Reihe schlechter Management-Entscheidungen. Nun sind Sie bei Meta: Glauben Sie, dass Ihr Unternehmen auf dem richtigen Weg ist?
Ich weiss nicht, ob man wirklich Parallelen zwischen Nokia und Meta ziehen kann. Es sind unterschiedliche Unternehmen, die zu unterschiedlichen Zeiten floriert haben. Ich sehe Analogien in der Art und Weise, wie wir einer frühen Phase von Nokia vorgegangen sind: Wie wir aus dem Feedback unserer Kundschaft gelernt oder die Produkte skaliert und an den Markt angepasst haben.
Das alles sehe ich auch bei Meta. Um Erfolg zu haben und Pionierarbeit zu leisten, muss Vieles zusammenpassen: Man braucht eine Technologie, die zur Reife gelangt, man benötigt aber auch das richtige Team; Leute, die Probleme anpacken und unbedingt herausfinden wollen, was für die Kundschaft wirklich wichtig ist.
(Übertragung aus dem Portugiesischen: Christoph Kummer)
(Übertragung aus dem Portugiesischen: Christoph Kummer)
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