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Trauer um den «Kumpel des Schweizervolks»

Porträt
Hinter dem Sprücheklopfer verbarg sich ein sensibler Mensch: Polo Hofer im Restaurant Aarbergerhof in Bern, September 1990. Keystone

Vater des Mundartrock. Schöpfer von 350 Songs, von denen einige längst Allgemeingut sind. Performer, Polit-Provokateur und "Kalb der Nation". Polo Hofer passt in fast jede Schublade – und doch in keine.

«Tschou Polo, du wirst fehlen» schreiben die Schweizer Zeitungen am Tag, nachdem Polo Hofers Tod bekannt wurde. Sie sehen Hofer als ein Stück Schweizer Identität. Er gehöre zu den Grossen der Schweizer Kultur, er habe nie den Spagat zwischen Kunst und Kommerz gescheut. Seine Bedeutung ist unbestritten.

Hofer habe «wie kein anderer vor ihm die Mundart und die Rockmusik zusammengeführt», erklärte auch der Schweizer Kulturminister, Bundesrat Alain Berset. «Er hat auch ganzen Generationen in allen Sprachregionen der Schweiz gezeigt, wie viel Kraft, wie viel Geist, wie viel Poesie in der Berner Mundart steckt.»

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SRF 10vor10: Rückblick auf eine bewegte und einzigartige Karriere

Der Sänger und Bandleader Polo Hofer, der durch Mundart-Hits wie «Kiosk», «Giggerig» und «Teddybär» bekannt wurde, starb am Samstag 72-jährig. Vor knapp einem Jahr hatte er bekanntgegeben, dass er an Lungenkrebs erkrankt sei. Der letzte ausgebildete Handlithograph der Schweiz war der Gründer der ersten Mundart-Rockband des Landes.

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Provokateur und Philosoph

Der Tages-Anzeiger würdigt den Texter, Maler und bekennenden Cannabiskonsumenten, zu dessen Erscheinungsbild eine dunkle Sonnenbrille und eine Zigarette zählten, als «Kumpel des Schweizervolks» und «Rebellen von nebenan».  Hinter dem Sprücheklopfer habe sich ein sensibler Mensch verborgen. Die Zeitung beschrieb Hofer als Lebemann, seine Heiterkeit werde schmerzlich fehlen.

«Vor uns gab es ja nur das Trio Eugster»

Der Mann, der am 16. März 1945 als Urs Alfred Hofer im Berner Oberland zur Welt kam und später seinen Pfadinamen zum Markenzeichen machte, hat die Deutschschweiz jahrzehntelang unterhalten und den Weg für den bis heute boomenden Mundartrock geebnet. «Vor uns gab es ja nur das Trio Eugster», sagte er vor einigen Jahren der Nachrichtenagentur sda.

Der Blick hält Hofer für einen «National-Unheiligen». Er habe mit «Alperose» dem Land den grössten Schweizer Hit geschenkt. Er sei nicht nur Scherzbold und Provokateur gewesen, sondern auch ein Philosoph, der gerne über die Existenz Gottes diskutiert habe. 

Sprache, die jeder versteht

Für die Aargauer Zeitung ist ein Pionier und die Stimme einer Nation verstummt. Der Bürger aus Interlaken habe der Gegenbewegung, den Hippies, in der Schweiz ein Gesicht gegeben. Er habe ihr Songs gegeben, die ein Lebensgefühl vermittelten, in einer Sprache, die jeder verstanden habe: Mundart.

Inspiriert von den Berner Troubadours um Mani Matter, aber auch von Udo Lindenberg, gründete Hofer mit Interlakner Weggefährten die Band Rumpelstilz. Ursprünglich Schlagzeuger, war er nun der Sänger, zusammen mit Pianist Hanery Amman prägte er die zugleich ambitionierte und freakige Band aus dem Berner Oberland. Das kongeniale Duo Hofer/Amman schrieb die meisten Songs, darunter die Gassenhauer wie «Kiosk», «Teddybär» und «D› Rosmarie und i»,

Chilbi-Rock und Balladen

Rumpelstilz zerbrachen an ihrem Erfolg und internen Streitereien, Polo Hofers Popularität tat dies keinen Abbruch. Als Frontmann von SchmetterDing und SchmetterBand setzte er seine Karriere im nationalen Scheinwerferlicht fort, unbeirrt von Eierwürfen während der 1980er-Unruhen, Er beherrschte den Chilbi-Rock ebenso wie die Ballade.

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Die Neue Zürcher Zeitung sieht in Hofer ein Vorbild in der Musikszene. In seiner über vier Jahrzehnte umspannenden Karriere habe er den Weg bereitet für Bands wie Züri West, Patent Ochsner, Stiller Has und viele andere, heisst es im Nachruf. Polo Hofers «Swissness» sei verkaufsfördernd gewesen. Schliesslich sei die Konkurrenz für Hofer und seine Schmetterband aber immer grösser geworden.

«Lasset uns die Feste feiern, bevor wir fallen!», erklärte Polo Hofer vor einigen Jahren in einer «Rede an die Nation» zum 1. August. «Beisset in den Emmentaler und nicht ins Gras, schlucket den Wein und nicht eure Sorgen hinunter. Auf dass die Schweiz so bleibt, wie sie schon immer sein wollte.»

Auch die Berner Zeitung konstatiert, dass der Musikkünstler ein Gespür für den Geist der Zeit gehabt habe. Hofer habe in den 1960er-Jahren als Erster Mundart und Rock verbunden. Später sei er vom gesellschaftspolitischen Provokateur zum allseits respektierten Nationalheiligtum geworden. 

Volkslied «Alperose»

Über allem aber thront der Song «Alperose» aus dem Jahr 1985. Hanery Amman hatte ihn komponiert, ursprünglich hiess er «Kentucky Rose». Irgendwann geriet der Song in die Hände von Polo Hofer, der ihn mit einem berndeutschen Text versah und zum Gassenhauer machte – zum «grössten Schweizer Hit aller Zeiten», gemäss SRF-Voting von 2006.

Hofer ging seinen Weg weiter, trat auch aus gesundheitlichen Gründen auf der Bühne etwas kürzer, war aber als Gestalter, Zeichner und Texter umso aktiver. Sein letztes Album erschien im Januar 2016 und hiess «Ändspurt».

«40 Jahre Party»

Am offiziellen Festakt auf der Älggi-Alp am 2. Juli 2016 konnte er aus gesundheitlichen Gründen aber nicht teilnehmen. Schon im vergangenen Juni hatte seine Ehefrau Alice Hofer bekanntgeben, der Mundartrocker ziehe sich «bis auf weiteres» aus der Öffentlichkeit zurück.

Noch im Mai war er in einer SRF-Sendung über Bob Dylan aufgetreten. Hofer wirkte schwach und abgemagert. Körperliche Beschwerden hatte er schon länger. «Ich hatte 40 Jahre Chilbi und Party», hatte er schon 2007 nach einer Operation zu Protokoll gegeben. «Das kostet halt etwas.»


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