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Preisprämie für Kakao hilft afrikanischen Bauern zu wenig

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Die Landwirte erhalten nun niedrigere Preise für ihre Ernte, obwohl eine Prämie für existenzsichernde Löhne eingeführt wurde. Keystone / Legnan Koula

Eine neue Zahlung soll den Bauern der Elfenbeinküste – dem grössten Kakao-Anbaugebiet der Welt – einen existenzsichernden Lohn sichern. Trotzdem erhalten sie weniger für ihren Kakao als früher.

Die westafrikanische Elfenbeinküste ist für rund 45% der weltweiten Kakaoproduktion verantwortlich, die jährlich Exporteinnahmen von 3,5 Milliarden Dollar (3,2 Milliarden Franken) einbringt. Doch die Kakaobauern im Land verdienen nur 0,78 Dollar pro Tag, ein Drittel dessen (2,51 Dollar pro Tag), was die Organisation Fair Trade International als existenzsichernden Lohn bezeichnet.

Um dieses Problem zu lösen, beschloss die Elfenbeinküste 2019 zusammen mit Ghana, pro Tonne Kakao, die in Länder wie die Schweiz exportiert wird, 400 US-Dollar zusätzlich zu verlangen, um den Anteil der Bauern am Gewinn zu erhöhen und sie vor Preisschwankungen zu schützen. Die neue Politik trat mit der Kakaoernte 2020/2021 in Kraft.

Der Kaffe-und Kakaorat der Elfenbeinküste (Le Conseil du Café-Cacao, CCC) legte den Mindestabnahmepreis für Kakao für die Haupternte (Oktober-März-Ernte) auf 1000 CFA-Franc pro Kilogramm fest, was fast 20% mehr als im Vorjahr war. Dies brachte den Bauern während der Saison zusätzliche 500 Milliarden CFA-Francs (ca. 826,5 Millionen Schweizer Franken) ein.

Der grössere Kontext 

Am Anfang bekamen die ivorischen Kakaobauern dank des Aufschlags mehr Geld. Doch der Schritt blieb nicht ohne negative Folgen. Im vergangenen November wetterte der Kakaorat gegen angebliche Versuche grosser internationaler Abnehmer, die zusätzlichen Zahlungen zu vermeiden. So beschuldigte der Rat beispielsweise den Rohstoffkonzern Olam, seinen Anteil an ivorischem und ghanaischem Kakao zu reduzieren, den Schokoladenhersteller Mars, den Anteil an Kakaobutter in seinen Produkten zu verdoppeln, und den Süsswarenhersteller Hershey, Kakaobohnen auf der Terminbörse zu handeln, anstatt sie physisch zum aktuellen Preis zu verkaufen – alles, um die Zusatzabgabe zu vermeiden.

Schweizer Unternehmen hingegen scheinen mitzuspielen. Der Schokoladenhersteller Lindt & Sprüngli bestätigte, dass sie «bereits Kakao mit dem vollen LID-Preis gekauft haben und dies auch weiterhin tun werden», wollte aber keine Einzelheiten bekannt geben. Der Schokoladenhersteller Barry Callebaut, der jährlich rund eine Million Tonnen Kakaobohnen einkauft, sagte, sein Anteil an Kakao von der Elfenbeinküste sei seit der Einführung der zusätzlichen Abgabe stabil geblieben.

Der Lebensmittelgigant Nestlé war der einzige, der sowohl den Anteil als auch die Mengen bekannt gab. Sein Anteil an westafrikanischem Kakao ist in den letzten vier Jahren stabil geblieben (etwas weniger als die Hälfte der gesamten direkten Kakaokäufe) und er plant, in der Saison 2021/2022 zusätzlich 40’000 Tonnen von der Elfenbeinküste zu kaufen.

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Sinkende Nachfrage dämpft Effekte

Trotz der Prämie brachte ein Rückgang der weltweiten Nachfrage nach Kakaobohnen Ende 2020 die Elfenbeinküste in eine schwierige Lage. Der höherpreisige Kakao hat Käufer davon abgehalten, Verträge zu unterzeichnen. Um die Werbetrommel zu rühren, war die Elfenbeinküste im Februar gezwungen, eine Qualitätsprämie zu kürzen. Das führte zu einem Abschlag, der den durch die Preisprämie erzielten Überschuss neutralisierte.

Darüber hinaus zwang die Covid-Pandemie den ivorische Kakaorat, etwas mehr als 10,5 Milliarden CFA-Francs (etwa 17,5 Millionen Schweizer Franken) an 80 exportierende Firmen, darunter auch internationale, zurückzuzahlen – aus den für die Bauern bestimmten Prämien-Zahlungen. Begründet wurde dies mit den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie in Exportmärkten wie der Schweiz. Die Entscheidung löste eine Kontroverse aus, weil die Menschen das Gefühl hatten, dass ausländische Firmen gerettet werden, während die Margen der lokalen Akteure in der Lieferkette gedrückt werden.

Die Situation wurde so unhaltbar, dass die Kakaobauern, die gerade erst begannen vom Aufschlag zu profitieren, nicht mehr vor den Geschehnissen auf dem Weltmarkt geschützt werden konnten. Der Mindestpreis für die Ernte zwischen April und September sank auf 750 CFA-Francs pro Kilogramm. Dies war sogar niedriger als der Preis vor der Prämie von 825 CFA-Francs pro Kilogramm für die Ernte 2019/2020.

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So scheint die zusätzliche Prämie nur einen kurzfristigen Preisanstieg für die Bauern in Westafrika gebracht zu haben. Aber ohne die Massnahme wären sie jetzt wahrscheinlich in einer noch schwierigeren Situation, so der ivorische Kakaorat. Nach ihren Angaben wäre der Preis ansonsten auf 500 CFA-Francs pro Kilogramm gefallen – das wäre ein historischer Tiefstand.

Was nun?

Das Preis-Experiment zeigt, dass das Instrument allenfalls als Puffer in mageren Zeiten dienen kann. Der Preis, den ein Bauer bekommt, ist immer noch stark an das globale Angebot und die Nachfrage gekoppelt Und es gibt wenig, was Erzeugerländer wie Ghana und die Elfenbeinküste dagegen tun können, ausser sich zusammenzuschliessen, um das Angebot zu reduzieren. Ein Beweis dafür war die Bekanntgabe des letzten Kakaopreises durch den Kakaorat im April.

«Herr Yves Brahima Koné [Vorsitzender des Kaffe- und Kakorates] forderte die Kakaoproduzenten auf, die Produktion zu begrenzen, wenn sie in Zukunft bessere Preise haben wollen», hiess es in der Ankündigung.

Unglücklicherweise könnte die Preisprämie die Bauern dazu ermutigt haben, mehr Kakao anzubauen, was in diesem Jahr noch niedrigere Preise bedeuten könnte – es sei denn, die von Covid gedrückte internationale Nachfrage zieht wieder an. Gibt es einen Ausweg aus diesem Boom- und Bust-Zyklus?

«Fairtrade glaubt, es ist an der Zeit, dass die Regierungen der Verbraucherländer sich mit den Regierungen der Erzeugerländer und den Bauern solidarisch zeigen», sagt Jon Walker, leitender Berater für Kakao bei Fairtrade.

Ihm zufolge bieten Sorgfaltspflichten für Unternehmen – die derzeit in der Europäischen Union als Lieferkettengesetz diskutiert werden und kürzlich in Form der «Konzernverantwortungs-Initiative» in der Schweiz zur Abstimmung kamen (und knapp abgelehnt wurden) – eine Chance, die Zahlung eines existenzsichernden Einkommens verbindlich zu machen.

Walker fragt: «Wenn das Menschenrecht auf ein existenzsicherndes Einkommen nicht anerkannt wird, wie sollen dann alle anderen Menschenrechte der Kakao-Bauernfamilien nachhaltig erfüllt werden?»

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