Eröffnung des Islam-Museums in einem angespannten Klima
Am 27. Mai wird in La Chaux-de-Fonds im Kanton Neuenburg ein Museum über "Kulturen des Islams" eröffnet. Laut der Direktorin Nadia Karmous ist das eine Premiere in Europa. Doch bereits hat eine Polemik über die Finanzierung des Museums begonnen, da ein Teil des Geldes aus den Golfstaaten stammt, die für einen fundamentalistischen und militanten Islam bekannt sind.
Das Museum befindet sich in einem prachtvollen Jugendstilbau, an der Hauptverkehrsachse von La Chaux-de-Fonds, der Avenue Léopold-Robert, in der Nähe des Bahnhofs. Über dem Eingang prangt seit einigen Tagen in grossen Lettern «Museum für Kulturen des Islams». Sogar schon vor der Eröffnung des Museums dieses Wochenende provoziert das MuciviExterner Link genannte Museum ein Durcheinander in der Neuenburger Uhrenstadt, die eigentlich für Toleranz und einen offenen Geist bekannt ist.
Was es im Mucivi zu sehen gibt
Das 750 Quadratmeter Ausstellungsfläche umfassende Museum für Kulturen des Islams (Mucivi) richtet sich sowohl an Muslime als auch Nichtmuslime. Die Dauerausstellung zeigt eine Chronologie der islamischen Kulturen, von der Zeit vor der Offenbarung des Propheten bis zur Gegenwart.
Ein bis zwei Mal pro Jahr sind Wechselausstellungen vorgesehen. Diese werden eher Themen der Aktualität abdecken. Den Besuchern stehen Audioguides in 4 Sprachen zur Verfügung (Französisch, Deutsch, Englisch, Arabisch). Der Eintritt kostet 20 Franken pro Person. Eine spezialisierte Bibliothek mit 20’000 Werken ist im Gebäude frei zugänglich.
Die Angriffe kommen hauptsächlich von der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP), die sich grundsätzlich gegen alles auflehnt, was dem Islam gewidmet ist, aber auch von normalen Bürgern, die ihre Befürchtungen zahlreich in Leserbriefen der lokalen Tageszeitung «L’Impartial» ausdrücken. «Es geht nicht um ein missionierendes Projekt, sondern es soll die Pluralität der islamischen Kultur gezeigt werden. Unser Museum ist eine Einladung zum Reisen, Nachdenken und Debattieren», verteidigt sich die Museumsdirektorin Nadia Karmous.
Die in der Schweiz aufgewachsene Algerierin trägt ein Kopftuch. Sie ist Vorsitzende einer muslimischen FrauenorganisationExterner Link und bezeichnet sich als «spirituelle Frau», die für sich selbst einen «strikten Islam» praktiziert, aber «anderen nichts aufdrängt». Die Eröffnung des Mucivi bedeutet für Nadia Karmous die Verwirklichung eines «Lebenstraumes».
Positive Sicht auf den Islam
Es sei das erste Mal in Europa, dass Vertreter der muslimischen Gemeinschaft eine solche private Initiative auf die Beine stellten, betont sie. «Die Kritiken werden mich nicht zum Aufgeben bringen, im Gegenteil: Die Diskussion um die Eröffnung des Museums zeigt, wie wichtig ein solches Projekt ist, da im Moment schon nur das Wort ‹Islam› Misstrauen auslöst», meint sie.
Olivier Schinz, stellvertretender Konservator des Ethnographischen Museums von NeuenburgExterner Link, wurde mit zwei weiteren Wissenschaftlern von Nadia Karmous› Stiftung beauftragt, die Dauerausstellung zu realisieren. Er versichert, er habe in völliger Freiheit arbeiten können, ohne Druck von aussen, und trotzdem in einem klar definierten Rahmen. «Es ist offensichtlich, dass das Mucivi eine positive Sicht auf den Islam und seine verschiedenen Strömungen vermittelt. Die Muslime eröffnen kein Museum, um ihre Religion schlecht zu machen. Aber es gibt in dieser Institution auch Raum für kritische Fragen», versichert Olivier Schinz.
In der Tat löst nicht so sehr der Inhalt des Museums eine Kontroverse aus, sondern vielmehr die 4 Millionen Schweizerfranken, die es für das Museum brauchte. Das Geld stammt von Mäzenen aus den Golfstaaten, hauptsächlich aus Kuweit und Katar. Zu den Spendern gehört beispielsweise die einflussreiche Stiftung Qatar Charity, die von den USA verdächtigt wird, unter dem Deckmantel der humanitären Hilfe terroristische Bewegungen zu finanzieren.
Anfang einer Parallelgesellschaft?
Nadia Karmous erzählt, sie habe während mehr als zehn Jahren an die Türen zahlreicher potenzieller Spender aus der Schweiz und Europa geklopft – ohne Erfolg. Sie hat sich daher an die reichen Frauen aus Kuweit und Katar gewandt, die sich in der Schweiz aufhielten und mit denen sie seit längerem freundschaftliche Bande geknüpft hatte.
Stiftungen wie die Qatar Charity hätten nur als Vermittler zu anderen Spendern gedient, erklärt sie. «Diese nehmen in keiner Weise Einfluss auf den Inhalt des Museums», betont die Direktorin.
Mehr
«Muslime in der Schweiz müssen Möglichkeit zur Eigenfinanzierung erhalten»
Um die Kosten des Museumsbetriebs – die auf 600’000 Franken pro Jahr geschätzt werden – langfristig zu decken, ist ein 22 Millionen-Immobilienprojekt direkt neben dem Museum geplant.
Die Suche nach Investoren ist immer noch im Gang. Der Komplex wird Geschäftslokale und 57 Wohnungen der höheren Preisklasse umfassen, aber auch einen Gebetsraum, Schulungsräume für Sprach- und Religionskurse sowie ein Schwimmbad mit unterschiedlichen Öffnungszeiten für Männer und Frauen.
Gerade das schürt Ängste und Misstrauen. «Ich freue mich persönlich auf den Besuch des Museums, es ist eine gute Sache, den Islam mit seinen Blütezeiten zu entdecken», sagt Yvan Perrin, Präsident der Neuenburger SVP. «Das Immobilienprojekt hingegen markiert den Anfang einer Parallelgesellschaft in La Chaux-de-Fonds. Ich sehe darin die Absicht, einen wahhabitischen und salafistischen Islam einzuführen.»
Verbindungen zu den Muslimbrüdern vermutet
Saïda Keller-Messahli, Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam, steigt ebenfalls auf die Barrikaden. «Katar, Saudi-Arabien und die Türkei arbeiten seit Jahrzehnten daran, ihre Sicht des Islams durchzusetzen, indem sie solche Strukturen finanzieren. Deswegen ist jetzt Ex-Jugoslawien dem Salafismus und Wahhabismus ausgeliefert», sagte sie in das Mikrophon des französischsprachigen Schweizer Fernsehens (RTS). «Dieses Museum wird einen politischen Islam legitimieren, im Unterschied zu anderen Institutionen, die nicht die gleichen Mittel haben», ergänzte sie.
Die Polemik hat sich auch auf Mohamed Karmous ausgeweitet, der Ehemann von Nadia Karmous, der angeblich Verbindungen zur Muslimbrüderschaft hat. In seinem im März erschienenen Buch «Résistance!Externer Link» enthüllt der französische Reporter Antoine Peillon Notizen des französischen Geheimdienstes, der Mohamed Karmous beschuldigt, zwei Mal Zehntausende Euros in bar transportiert zu haben, um Islamisierungsprojekte der Muslimbrüder in Europa zu finanzieren.
Nadia Karmous dementiert fast alle diese Vorwürfe: «Wir sind sehr mit der Eröffnung des Museums beschäftigt, aber sobald wir Zeit haben, werden wir diesen Autor juristisch belangen», kündigt sie an.
Die lokalen Behörden, die der Eröffnung des Museums bisher positiv gegenüberstanden, befinden sich heute angesichts der auf sie niederprasselnden Anschuldigungen von Laxheit in der Defensive. «Es handelt sich um ein privates Projekt. Wir haben kein gesetzliches oder reglementarisches Mittel, es zu verbieten», sagt Stadtpräsident Théo Huguenin-Elie. «Wir haben im Übrigen auch kein Mittel, diese Gemeinschaft zur Transparenz hinsichtlich der Herkunft der Mittel zu verpflichten. Wir können nur hoffen, dass die Banken ihre Prüfungsarbeit korrekt machen», sagt er.
(Übertragung aus dem Französischen: Sibilla Bondolfi)
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch