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Regulatorischer Nachteil für Schweizer Fintech-Startups

Die Fintech Factory in Genf hofft, dem Finanztechnologie-Sektor, der noch in den Kinderschuhen steckt, Auftrieb zu geben. fintech factory

Zwei Gründerzentren zur Unterstützung von Startups der Finanztechnologie (Fintech) werden derzeit auf die Beine gestellt: das eine von der SIX-Group, das andere von Fusion. Aber Rechtsfragen zur Steuerhinterziehung, ein strengeres regulatorisches Umfeld und volatile Märkte halten den Schweizer Fintech-Sektor auf.

Die in Genf domizilierte Fusion, eine Schweizer Fintech Factory, befindet sich bereits in einem fortgeschrittenen Stadium. Sie soll im Herbst operationell werden, sobald vielversprechende Startups aus aller Welt gefunden sein werden.

«Um erfolgreich zu sein, braucht die Schweiz eine unverwechselbare Positionierung», sagt Guillaume Dubray, geschäftsführender Partner der Kapitalbeteiligungsfirma Polytech Ventures, die hinter dem Gründerzentrum steht, gegenüber swissinfo.ch.

«Die britische Fintech konzentriert sich auf Zahlungen und Kapitalmärkte. Die Schweiz muss sich auf andere Bereiche fokussieren, in denen sie einen Vorsprung hat: Vermögensverwaltung privater und institutioneller Kunden, Datensicherheit.»

Was ist Fintech?

Fintech ist das jüngste Schlagwort in der Finanzwelt, das ein weites Dienstleistungsspektrum umfasst, von virtuellen Währungen über digitale Vermögensverwaltung bis zu Apps für einfache Geldüberweisungen.

Gemäss Schätzungen von Accenture haben sich Fintech-Startup-Investitionen gegenüber dem Vorjahr auf 11,3 Mrd. Franken verdreifacht. Goldman Sachs befürchtet, dass die neuen Technologien den etablierten Finanzinstitutionen 4,7 Billionen Dollar abzweigen könnten.

Laut Dubrey kommt Fintech am wahrscheinlichsten mit Start-ups zum Erfolg, die den Banken digitale Lösungen anstatt Plattformen liefern, die mit ihnen im Konkurrenzkampf um Kunden stehen.

«Die Schweizer Fintech verschafft sich den grösseren Vorteil, indem sie mit Banken kooperiert», sagt Dubrey. «Nur UBS und Credit Suisse haben das finanzielle Potential, sich engagierte und auf digitale Innovation spezialisierte Teams zu leisten.»

Banken; weder Zeit noch Geld

Zahlreiche andere Schweizer Banken kämpfen derzeit vor allem in den USA mit Rechtsfragen zur Steuerhinterziehung. Das kostet viel Zeit und Geld, die für neue Technologien genutzt werden könnten. Und das strengere regulatorische Umfeld in Verbindung mit volatilen Märkten hat die Kapazitäten der Banken für die Entwicklung neuer Plattformen zusätzlich verringert.

Die beiden neuen Fintech-Gründerzentren wurden mit der Absicht gegründet, einen Anschub für die junge Branche zu leisten, die gegenüber jenen aus den USA, Grossbritannien, Deutschland und anderen Ländern schnell in Rückstand geraten.

Aber selbst wenn es ihnen gelinge, ein grösseres Mass vielversprechender Startups durchzusetzen, könnten sie laut Skeptikern auf Blockaden stossen.

Die neue bahnbrechende Technologie könnte die etablierte Bankenszene sowie die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) aus der Ruhe bringen, sagte Daniel Aegerter, Risikokapitalgeber und Vorsitzender von Armada Investment, an einer Fintech-Tagung in Zürich im Mai.

«Wir werden herausfinden, welche Position die FINMA einnehmen wird, sobald die Fintech anfängt zu stören, Margen zu drücken und Banker die Politiker aufsuchen, um diesen zu sagen, dass sie nicht so hohe Steuern bezahlen könnten», sagt er. «Zuerst werden sie über uns lachen, dann nehmen sie uns ernst und schliesslich werden sie versuchen, uns fertig zu machen.»

«Echtes Vermögen»

Mit dieser drakonischen Einschätzung stimmen nicht alle überein. «Es wäre komisch, Druck auf die Startups auszuüben, nur weil sie bessere Finanzdienstleistungen anbieten», sagt Felix Niederer, Gründer der digitalen Vermögensverwaltungs- und Beratungsplattform True Wealth, gegenüber swissinfo.ch.

«Ich glaube nicht, dass wir eine Bedrohung für die etablierten Vermögensverwalter sind, weil wir uns in einer Nische bewegen und auf passive Investoren ausgerichtet sind. Kunden, die weniger als 500’000 Franken investieren, sind für Banken schlicht nicht mehr interessant.»

Investoren für seine wachsende Fintech-Plattform zu finden, war laut Niederer nicht schwierig, trotz des kleinen Schweizer Markts und der Gefahr, dass seine Dienstleistung die etablierte Bankenszene stören könnte.

Dunkle Seite

Der Bankensektor glaubt, dass es gute Gründe gebe, einen angemesseneren Ansatz zu wählen. «Fintech ist effizient, wenn es um Geschwindigkeit geht, aber es sollte sich nicht auf das ‹dunkle Internet› ausrichten, auf jenen Teil des Internets, der sich vor allen Regulierungen verbirgt», sagt Michel Juvet, Partner der Privatbank Bordier, gegenüber Journalisten in Bern. «Die Herausforderung besteht darin, die Zahlungen zu regeln, sonst geraten wir in einen Geldwäscherei-Alptraum.»

Ein weiteres Problem ist laut der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) das manchmal monströse regulatorische Umfeld in der Schweiz. «In London kann man ein Online-Bankkonto innerhalb von zehn Minuten eröffnen», sagt Claude-Alain Margelisch, Vorsitzender der Geschäftsleitung von SBVg. «In der Schweiz muss man persönlich und physisch erscheinen, um die Dokumente zu unterzeichnen. Wir verfügen zwar über die Technologie, aber wir dürfen diese wegen rechtlicher Vorschriften nicht verwenden.

Die Fintech-Startups urteilen noch härter über die FINMA. «Wir hatten die FINMA zu einem Treffen eingeladen, um Informationen über die Regulierungen zu erhalten», sagt Christina Kehl, Mitbegründerin des Fintech-Versicherungsmaklers Knip.»Aber es gab dafür nicht das geringste Interesse.»

«Das ist ein grosser Unterschied zur Finanzmarktaufsicht in London, die ein spezielles Programm für die Beratung von Fintech-Startups hat.»

Die FINMA sagte gegenüber swissinfo.ch, dass sie keine spezielle Fintech-Strategie habe, weil die aktuellen, vom Parlament erlassenen Gesetze, die dafür nötig wären, auch keine spezifischen Bestimmungen enthielten.

Das Parlament debattiere derzeit eine Vielzahl von Aufsichts-Reformen im Finanzmarkt, von denen einige für Startups gelten könnten, heisst es bei der FINMA.

Der Schweizer Fintech-Sektor

Online-Broker-Firmen wie zum Beispiel Swissquote und TradeDirect, die es privaten Investoren ermöglichen, Aktien, Bonds und andere  Beteiligungen zu erwerben, sind gut aufgestellt. Avaloq und Temenos gehören zu einer Firmengruppe, die Finanz-Software anbieten, um Banken beim Aufbau von digitalen Plattformen zu unterstützen.

E-Banking-Dienstleister wie Crealogix, digitale Vermögensverwalter und Versicherungsplattformen wie True Wealth und Knip spriessen neben virtuellen Währungsfirmen wie Monetas und Xapo (letztere zog kürzlich von London in die Schweiz).

Die UBS und die Zürcher Kantonalbank erstellten kürzlich gemeinsam mit der Schweizer Börse SIX eine persönliche Zahlungs-App namens Paymit. Die Glarner Kantonalbank hat die erste Schweizer Plattform für angehende Immobilienbesitzer entwickelt, wo nicht nur Preisangaben, sondern auch Hypothekarkredite mit einem Klick erhältlich sind.

(Übertragung aus dem Englischen: Peter Siegenthaler)

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