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Schweiz verschärft Regeln gegen Geldwäscherei

Barzahlungen über mehr als 100'000 Franken unterstehen künftig einer strengeren Kontrolle. Keystone

Auch FIFA-Boss Sepp Blatter und nationale Parlamentarier und nicht mehr ausschliesslich fremdländische Diktatoren gelten künftig als so genannte politisch exponierte Personen (PEP). Damit hat sich das Parlament dem internationalen Druck gebeugt und die Geldwäscherei-Regeln verschärft. Zudem unterstehen neu Barkäufe über mehr als 100'000 Franken einer Registrationspflicht.

Seit einigen Jahren fallen sie wie Dominosteine: Die Gepflogenheiten, die hochgehaltenen Werte und die Regulierungen des Finanz- und Handelsplatzes Schweiz. Neustes Beispiel: Der Geldwäschereiartikel, der in weiten Teilen der Politik und der öffentlichen Meinung als weltweit vorbildlich gilt. Stichwort: Beschlagnahmungen von Diktatorengeldern.

Doch international werden die Regeln zusehends strenger, engmaschiger und die wirtschaftlich internationale hoch vernetzte Schweiz kommt nicht umhin, die Standards zu übernehmen, wenn sie nicht ins Abseits geraten will.

Der parlamentarische Entscheidungsprozess war auch im Fall der nun nach einem mehrmonatigen Hin und Her, zahlreichen Pirouetten und Irrwegen verabschiedeten strengeren Geldwäschereiregeln, geprägt von Widerstand, trotzigem Festhalten an der Souveränität, Zähneknirschen und schlussendlichem Einlenken einer Mehrheit.

Drohkulisse Schwarze Liste

Am Anfang steht die «Groupe d’action financièreExterner Link» (Gafi), eine Expertengruppe zur Geldwäschereibekämpfung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD). Genauer: deren Empfehlungen an die OECD-Mitgliedsländer, also auch an die Schweiz, die Regeln gegen Geldwäscherei zu verschärfen. Die OECDExterner Link führt regelmässig Länderexamen durch und setzt Staaten, die den Regeln nicht genügen auf Schwarze Listen.

Vor diesem Hintergrund hat der Bundesrat dem Parlament eine Überarbeitung der geltenden Gesetzgebung vorgeschlagen. Die wichtigsten Punkte: Bargeldzahlungen dürfen den Betrag von 100’000 Franken nicht überschreiten, schwere Steuerdelikte gelten als Vortat zur Geldwäscherei, auch die Spitzenfunktionäre der in der Schweiz domizilierten internationalen Sportverbände und ranghohe Schweizer Politiker gelten als PEP, auf deren Finanztransaktionen die Banken ein besonders wachsames Auge richten müssen, um mögliche Fälle von Korruption zu verhindern. Der Besitz der bislang anonym gehaltenen Inhaberaktien muss transparent gemacht werden.

Der Fall des Bankgeheimnisses

März 2009: Der Bundesrat gibt dem Druck der OECD nach und lockert das Bankgeheimnis. Rechtshilfe wird nicht nur bei Steuerbetrug, sondern auch bei Steuerhinterziehung möglich.

2011: Das Modell einer Abgeltungssteuer, bei der die Steuersünder anonym geblieben wären, scheitert am wichtigsten Handelspartner der Schweiz, an Deutschland.

Juni 2013: Der Bundesrat erklärt die Schweiz werde innerhalb der OECD an einem Standard für den Automatischen Informationsaustauch (AIA) mitarbeiten und dabei ihre Forderungen einbringen.

2014: Das FATCA-Abkommen setzt das Bankgeheimnis gegenüber den USA faktisch ausser Kraft.

Oktober 2014: 55 Staaten beschliessen, den AIA ab 2017 einzuführen, darunter auch die Schweiz. Dafür bedarf es noch der Zustimmung durch das Parlament. Ein Referendum und damit eine Volksabstimmung sind nicht ausgeschlossen.

Bedingungen erfüllt

Das war die dringendste Reform, die das Parlament nun beschlossen hat, denn im Februar beginnt das Länderexamen des Global ForumsExterner Link der OECD für Steuerfragen und die Transparenz bei Inhaberaktien gehört hier zu den Bedingungen, welche die Schweiz erfüllen muss, um nicht auf eine Schwarze Liste zu kommen.

«Diese Bedingung ist nun erfüllt. Persönlich bedaure ich das, denn es geht hier um eine 130-jährige Schweizer Tradition. Inhaberaktien wurden nie als Steuerumgehungs-Instrument betrachtet, aber wir haben nun diese Tradition aufgrund des internationalen Druckes aufgegeben», sagt Peter V. KunzExterner Link, Professor für Wirtschaftsrecht und Rechtsvergleichung an der Universität Bern gegenüber swissinfo.ch.

Sepp Blatter und die Nationalräte

Für die PEP-Regelung stimmte die Mehrheit der Nationalräte erst einmal dagegen, dass sie als PEP eingestuft werden. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf erinnerte die Abgeordneten daran, dass ausgerechnet sie zur Klasse der ranghohen Schweizer Politiker gehörten. Der Nationalrat kam auf seinen Beschluss zurück.

Künftig gelten National – und Ständeräte genauso als PEP wie bislang ausländische Diktatoren und die Spitzen der weltweit tätigen Sportverbände. Das hat zur Folge, dass der Direktor des Weltfussball-Verbandes FIFA, Sepp Blatter, und seine Vizedirektoren genauso unter die neue Regel fallen, wie der Direktor des Welt-Tischtennis-Verbandes, nicht aber die Verbandsspitze des Europäischen Fussballverbandes UEFA. Grund: Die UEFA ist kein weltweit operierender Verband.

Die 100’000-Franken-Frage

Weit mehr zu diskutieren gab die Bargeldregel. Bis zu100’000 Franken dürfen künftig bar bezahlt werden, was darüber liegt, muss über eine Bank abgewickelt werden. So wollte es der Bundesrat. Dagegen wehrten sich die Genfer und Zürcher Bijoutiers, Auto-, Edelmetall- und Kunsthändler. In diesen Branchen sind Barzahlungen weit verbreitet.

Das sei eine Überregulierung, monierte die bürgerliche Seite im Rat und schlug eine komplizierte Regelung vor, die schlussendlich vom Rat verabschiedet wurde: Wer über 100’000 Franken bar bezahlt, muss vom Verkäufer identifiziert und registriert werden oder das Geld über eine Bank transferieren.

Hausaufgaben bis auf Zusehen gemacht

Kompliziert verlief die Debatte auch, weil es viele Einzelanträge und Anträge auf Ausnahmeregeln gab, die entweder dazu dienten, den Spielraum auszuloten oder die ganze Vorlage bachab zu schicken. Sie wurden schlussendlich alle zurückgezogen oder abgelehnt.

«Das bei Problem Gafi ist, dass nicht eindeutig und klar ist, was effektiv verlangt wird. Aber die Vorlage, wie sie das Parlament jetzt verabschiedet hat, ist sicherlich international kompatibel und sollte eigentlich beim Gafi durchkommen», sagt Peter V. Kunz.

Illusionen seien aber fehl am Platz: «Es wird in den nächsten paar Jahren weitere Forderungen geben in diesem Bereich.» In der Tat haben die Länder der Europäischen Union im Bargeld-Bereich strengere Regeln eingeführt. Hier gilt eine Bargeldobergrenze von lediglich 15’000 Euro. «Die Bargeldfrage wird wahrscheinlich eher über kurz als über lang wieder auf die politische Traktandenliste kommen», schätzt Kunz.

Vorerst hat die Schweiz ihre Hausaufgaben betreffend Geldwäscherei gemacht, zumal das Gafi-Länderexamen nicht – wie ursprünglich geplant – bereits in den kommenden Monaten stattfindet, sondern erst im Frühjahr 2016.

Auch eine Referendumsdrohung und damit eine mögliche Volksabstimmung liegt nicht in der Luft, denn merheitsfähig wäre die Opposition gegen die 100’000-Franken-Regelung kaum, denn die wenigsten Schweizer haben so viel Geld übrig, um sich Schmuck oder ein Kunstwerk zu kaufen.

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