Schweizer Bergführer und die kanadische Landschaftsmalerei
Der Urgrossvater von Shari Zisk-Feuz war einer der berühmten Schweizer Bergführer in den kanadischen Rocky Mountains, die um 1900 als Touristenattraktion in Kanada angestellt wurden. Die Auslandschweizerin reist auf der Suche nach ihren Wurzeln in die Schweiz – und schreibt für uns darüber.
Für meine Reise ins Berner Oberland habe ich einige Recherchen angestellt, um mehr über meine Wurzeln in den Schweizer Alpen zu erfahren. Ich interessiere mich für das Leben der in der Schweiz ausgebildeten Bergführer und dafür, wie sie sich um 1900 im Westen Kanadas niedergelassen haben. Bei diesen Nachforschungen machte ich einige faszinierende Entdeckungen.
Die Schweizer Bergführer haben die alpine Kultur in Westkanada stark beeinflusst, was gut dokumentiert ist. Ich entdeckte aber auch, dass die Schweizer Bergführer eine wichtige Rolle spielten beim Aufkommen der Landschaftsmaler:innen Nordamerikas Anfang 1900.
Schweizer Bergsteiger und die nordamerikanischen Künstler:innen
Mein Grossonkel, der Schweizer Bergführer Edward Feuz Jr., stellte schnell fest, dass viele der ersten Kund:innen in den kanadischen Rockies Künstler:innen waren. Um die Jahrhundertwende war die Kunstbewegung der Moderne in vollem Gange, und die neue Canadian Pacific Railway (CPR) bot mit ihrer Bahnlinie in den Westen Zugang zu neuen Landschaften, die zum ersten Mal in der Geschichte skizziert und gemalt werden konnten.
1920 schloss sich eine Gruppe heute berühmter kanadischer Landschaftsmaler zur so genannten «Gruppe der Sieben»Externer Link zusammen, zu der auch der Künstler Lawren HarrisExterner Link (1885 – 1970) gehörte. Er ist für seine eindrucksvollen kanadischen Landschaftsbilder bekannt. Im Jahr 1924 unternahm Harris die erste von sechs jährlichen Reisen, um in den kanadischen Rocky Mountains zu skizzieren.
Im Jahr 2014 besuchte ich die Vancouver Art Gallery, in der mehrere Werke von Harris ausgestellt waren. Seine wunderschönen Bergpanoramen haben mich beeindruckt. Die tiefe, reiche alpine Farbpalette berührte mich, und ich kaufte eine Reihe seiner Bergbilder für mein Zuhause.
Als ich mich mit dem Künstler und seinen Werken beschäftigte, erkannte ich eine besondere Beziehung zwischen den Harris-Bergbildern und meinen Schweizer Vorfahren.
Der atemberaubende Lake MacArthur liegt am Fusse einer Reihe von Gipfeln der kanadischen Rocky Mountains, die nach den ersten fünf Schweizer Bergführern benannt wurden, die für die CPR arbeiteten. Walter (Feuz) Peak, Ernest (Feuz) Peak, Edward (Feuz) Peak, Christian (Haesler) Peak und Rudolph (Aemmer) Peak. Tatsächlich schloss sich Harris einem dieser Schweizer Bergsteiger bei einer Expedition in die zerklüftete Region an.
Harris› Bergbilder werden mit denen seiner bekannteren Zeitgenossin Georgia O’Keeffe (1887 – 1986) verglichen, der berühmten amerikanischen Künstlerin der Moderne, die ebenfalls eine Verbindung zu unseren Schweizer Bergführern in Kanada hat.
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«Sie geht ab wie eine Rakete»
Bei der Lektüre von «The Guiding Spirit» (Putnam & Kaufman, 1988), dem Buch über die Schweizer Bergführer in Kanada, erfuhr ich, dass extreme Gipfelstürmer nicht immer Männer waren. Es gibt viele Hinweise auf eine aussergewöhnliche Kundin, Miss Georgia Engelhard (1906-1986).
Engelhard war eine amerikanische Bergsteigerin, die in den 1930er-Jahren in den kanadischen Bergen eine erstaunliche Anzahl von Besteigungen durchführte, darunter 32 Erstbesteigungen. Der Mount Engelhard ist nach ihr benannt.
«Sie haben eine feine Dame dabei, aber passen Sie auf. Wenn sie anfängt, bergauf zu gehen, geht sie ab wie eine Rakete», kommentierte einst Bergführer Edward Feuz Jr., der Georgia bei vielen ihrer Besteigungen begleitete.
Engelhard war nicht nur eine begeisterte Bergsteigerin, sondern auch eine Künstlerin. Sie war Malerin und zufälligerweise die Nichte der bereits erwähnten Georgia O› Keefe. Obwohl Engelhard nie die Popularität ihrer berühmten Tante Georgia erreichte, schuf sie Bergbilder, die oft mit denen ihrer Tante verwechselt wurden.
Georgia Engelhard setzte sich in Interlaken zur Ruhe, dem Geburtsort ihrer langjährigen Freunde, der Schweizer Bergführer, die sie in den kanadischen Rocky Mountains kennengelernt hatte. In Interlaken begann sie mit der Bergfotografie, und viele ihrer Fotos erschienen in der frühen Schweizer Tourismuswerbung.
Mein Aufstieg beginnt
Es ist fast an der Zeit, den Zug für meine persönliche Reise in die Alpen zu besteigen. Während ich die Täler, Gipfel und Dörfer meiner Vorfahren erkunde, werde ich auch Ausschau halten nach schönen Berglandschaften, die von den modernistischen Landschaftskünstler:innen inspiriert sind, die um die Jahrhundertwende mit den Schweizer Bergführern in den kanadischen Rocky Mountains kletterten.
Das ist der 2. Beitrag von Shari Zisk-Feuz. Sie lässt uns an ihrer Reise in die Schweiz teilhaben. Den ersten Beitrag finden Sie hier.
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