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Schweizer Botschafter: «Bin wütend über Dummheit der Menschheit»

Claude Wild
Claude Wild bei einer Konferenz im Jahr 2013. Keystone / Peter Schneider (2013)

Die Schweizer Botschaft harrte von den westlichen Ländern am Längsten aus. Doch nun haben auch die letzten fünf Schweizer Botschaftsmitarbeitenden Kiew verlassen. Eine geordnete Ausreise aus Kiew sei jetzt nicht mehr möglich, sagt der Schweizer Botschafter im Interview mit SRF.

Nachdem ein Teil des Schweizer Botschaftspersonals schon früher aus der ukrainischen Hauptstadt abgezogen worden war, haben jetzt auch die letzten fünf Schweizer Botschaftsmitarbeitenden und eine Sondereinheit der Schweizer Armee Kiew verlassen. Botschafter Claude Wild ist seit Mittwochabend zurück in der Schweiz. Und beschreibt im Gespräch die letzten Tage in Kiew.

Claude Wild ist seit 2019 der Botschafter der Schweiz in der Ukraine. Davor war er vier Jahre Schweizer Botschafter bei der OSZE.

Herr Botschafter, wie haben Sie die Tage vor ihrer Abreise und ihre Abreise selbst erlebt?

Claude Wild: Schwierig, weil ich traurig für die Ukraine bin, für die Ukrainerinnen und Ukrainer und traurig darüber, was mit diesem Land passiert. Und ich bin auch wütend über die Dummheit der Menschheit, die so etwas anrichtet. Vor der Abreise waren wir eigentlich dort, um so lange wie möglich zu bleiben, um der Ukraine als Partner mit humanitären Leistungen zu helfen. Und um so viele Schweizer wie möglich ausreisen lassen zu können.

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Der Plan war zu bleiben, solange unsere humanitären Partner, IKRK und UNO, auch bleiben. Darum waren wir eine der letzten Botschaften, die noch besetzt war. Dann änderte sich aber die Situation: Als unsere humanitären Partner selbst gegangen sind, mussten auch wir uns entschliessen, zu gehen. Der Beschluss ist gemeinsam mit dem EDA und dem VBS gefallen.

Sind Sie noch in Kontakt mit dem lokalen Personal? Wissen Sie, wie die Situation aktuell ist?

Absolut. Sie müssen wissen, dass wir am ersten Tag des Angriffs sämtliches Lokalpersonal kontaktiert haben und ihnen die Wahl gegeben haben: Entweder konnten sie sich in der Botschaft schützen lassen oder sie konnten sich selber in Sicherheit bringen. Das Lokalpersonal hat viele Beziehungen in der Westukraine, in der Familie oder Ferienhäuser. Wir haben niemandem die Pflicht auferlegt, weiterhin in der Botschaft zu arbeiten.

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Selbstverständlich sind es immer noch unsere Angestellten. Die Löhne wurden im Voraus bezahlt. Wir pflegen Kontakt mit jedem Einzelnen. Und es wurde eine Task Force gebildet. Solange man Kontakt haben kann, wissen wir, wo sich jeder Mitarbeitende befindet und wie man ihm bestmöglich helfen kann. Sie gehören zu uns.

Wie ist die Situation jetzt? Ist die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern noch sichergestellt?

Es wird immer schwieriger. Die Einkreisung Kiews durch die russische Armee schliesst sich. Es gibt keine geordneten Konvois mehr, die aus Kiew heraus fahren. Die letzten waren, glaube ich, gestern Mittwoch. Jeder, der jetzt geht, geht etwas chaotisch und mit Eigeninitiative weg. Es ist noch möglich, aber immer schwieriger.

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Heute fanden zum zweiten Mal Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland statt. Wie sehen Sie die Chancen für einen Waffenstillstand oder generell eine Deeskalation?

Man muss daran glauben, solange die Parteien miteinander sprechen. Ein Waffenstillstand ist wahrscheinlicher als eine Deeskalation. Eine Deeskalation würde heissen, dass Russland eingesteht, dass es seine Ziele nicht erreicht hat. Darüber kann man spekulieren. Was sicher notwendig ist, sind Vereinbarungen für humanitäre Korridors und für einen Waffenstillstand. Das muss man versuchen, jetzt zu erreichen.

Kann die Schweiz da auch eine Rolle spielen?

Natürlich. Unser Bundespräsident machte einen Appell. Wir werden weiterhin Appelle machen. Russland hat alle humanitären Verpflichtungen, wie andere Länder auch. Das wird man nicht vergessen, in Erinnerung zu rufen.

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