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Schweizer Luxusuhr: John Lennons geklaute Patek Philippe in Genf aufgetaucht

John Lennon und seine wertvolle Uhr
Die Patek Philippe 2499, die Yoko Ono John Lennon geschenkt hat, wäre mehrere Millionen Dollar wert. Keystone

Das Geheimnis ist endlich gelüftet: Eine der meistgesuchten gestohlenen Uhren der Welt befindet sich in Genf. Die luxuriöse Patek Philippe war ein Geschenk von Yoko Ono an John Lennon, zwei Monate vor seiner Ermordung.

Alles begann 1980. Yoko Ono schenkte John Lennon zu seinem vierzigsten Geburtstag eine Patek Philippe Chronographenuhr mit ewigem Kalender und Mondphasen aus 18 Karat Gold, Modell 2499. Auf der Rückseite der Uhr liess sie einen Hinweis auf einen Song eingravieren, den das Paar nach einer Trennung gemeinsam komponiert hatte.

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Das Modell ist selten: Es wurde zwischen 1950 und 1985 produziert, mit einer durchschnittlichen Stückzahl von gerade mal neun pro Jahr. Seitdem ist die Patek Philippe 2499 ein beliebtes Sammlerstück. Während das Modell zum Zeitpunkt seines Kaufs einen Wert von etwa 75’000 Dollar hatte, verkaufte im Jahr 2018 Sotheby’s ein ähnliches Exemplar zu einen Preis von 3,9 Millionen Dollar.

«Was ist aus John Lennons letztem Geburtstagsgeschenk geworden? Ein Mysterium», schrieb Le Point im Jahr 2014. «Wenn die mythische Patek Philippe eines legendären Künstlers jemals wieder auftauchen sollte, wäre ihr Wert angesichts der Seltenheit und Komplexität des Modells und seiner Herkunft schlichtweg unbezahlbar», betonte das französische Magazin.

Vom Fahrer betrogen

Ein Urteil der Zivilkammer des Genfer Kantonsgerichts vom 7. Juni 2023 brachte das Schicksal der legendären Uhr ans Licht: Nach John Lennons Tod erbte Yoko Ono die Uhr und lagerte sie zusammen mit anderen Wertgegenständen aus dem Besitz des Sängers in einem verschlossenen Raum ihrer Wohnung im Dakota Building in New York.

Hier kommt Koral Karsan ins Spiel. Der Türke war während zehn Jahren der private Fahrer der Künstlerin und einer der wenigen, die Zugang zu allen Räumen in ihrer Wohnung hatten. Im Jahr 2006 brach das Vertrauensverhältnis jedoch ab, als er versuchte, Geld von Yoko Ono zu erpressen. Karsan wurde von der amerikanischen Justiz verurteilt und in die Türkei abgeschoben.

Koral Karsan wird heute verdächtigt, eine Reihe von Wertgegenständen aus dem ehemaligen Besitz von John Lennon mitgenommen zu haben: Tagebücher, Konzertmitschnitte, Brillen… und die berühmte Uhr. Im Jahr 2010 wurden die Gegenstände an einen anderen türkischen Staatsbürger, einen gewissen Erhan G., übergeben, der sie später an das deutsche Auktionshaus Auctionata AG verkaufte.

Flucht in die Türkei

Von all dem ahnte Yoko Ono lange nichts. Doch 2017 ging Auctionata in Konkurs. Ein Anwalt, der mit der Inventarisierung des Nachlasses beauftragt war, stiess auf John Lennons Gegenstände und rief die Polizei. Die Witwe stellte klar, die Gegenstände nicht an Koral Karsan verschenkt zu haben – obwohl dieser das Gegenteil behauptete. Ein Gerichtsverfahren wurde eingeleitet. Im Februar 2019 verurteilte die deutsche Justiz Erhan G. wegen Hehlerei zu einem Jahr Haft auf Bewährung.

Ihm wird vorgeworfen, 86 Gegenstände aus dem Besitz John Lennons an Auctionata verkauft zu haben, obwohl er ahnte, dass diese mit Sicherheit aus einem Diebstahl oder einer Entwendung stammten. Was den ehemaligen Fahrer betrifft, ist dieser immer noch auf freiem Fuss in der Türkei, die seine Auslieferung ablehnt.

In gutem Glauben gekauft?

Damit war der Fall aber noch nicht abgeschlossen. Eine Reihe von Gegenständen wurde noch immer vermisst, darunter auch die berühmte Uhr. Diese war in der Zwischenzeit von Auctionata für 600’000 Franken an A. verkauft worden, einen «langjährigen Uhrensammler und Branchenexperten, der sich selbst als weltweite Autorität auf dem Gebiet der Zeitmesser bezeichnet», ein italienischer Staatsbürger, wohnhaft in Hongkong.

Im Vorfeld dieses Verkaufs im November 2013 hatte Patek Philippe Auctionata eine Bescheinigung vorgelegt, in der bestätigt wurde, dass die Uhr tatsächlich John Lennon gehört hatte. Allerdings hatte der Uhrenhersteller Yoko Ono nicht informiert, dass er das Objekt authentifiziert hatte.

Erst im Juni 2014, als A. die wertvolle Uhr einer Genfer Firma übergab, um deren Wert schätzen zu lassen, kontaktierte diese Yoko Ono. Die Witwe beantragte umgehend die Beschlagnahmung der Uhr, um ihre Rückgabe zu erwirken.

Ein Experte, wirklich?

Es folgte ein Rechtsstreit zwischen Yoko Ono und dem Sammler. Laut A. wurde die Uhr nicht gestohlen und «selbst wenn es einen Diebstahl gegeben hätte, hätte Yoko Ono nach New Yorker Recht innerhalb von drei Jahren nach Entdeckung des Diebstahls handeln müssen». Yoko Ono hatte jedoch «nie von einem Diebstahl der Uhr berichtet und nie diesbezügliche Schritte unternommen».

Die Genfer Justiz wischte seine Argumente beiseite und stützte sich dabei insbesondere auf die Gründe für die Verurteilung von Erhan G. in Deutschland. «Da die Uhr Koral Karsan nicht geschenkt wurde, hat er sie sich unrechtmässig angeeignet, so dass ihr Besitz ab initio unrechtmässig war», fasste das Gericht zusammen und kam zum Schluss, dass Yoko Ono die rechtmässige Besitzerin des Objekts ist.

«Es ist daher nicht notwendig, die Frage zu klären, ob A. selbst zum Zeitpunkt des Erwerbs der Uhr gutgläubig war», schloss das Gericht.

«Seine eigenen Qualitäten, die er selbst auf seiner persönlichen Internetseite anpreist, wonach er ein ‹weltweiter Spezialist für Sammleruhren› sei, lassen daran zweifeln, da er eine Uhr, von der er im Verfahren behauptet, sie sei zwischen 200’000 und 400’000 Franken wert, für eine Summe von 600’000 Franken erworben hat, wobei die Schätzungen von spezialisierten Auktionshäusern ihrerseits ihren Wert auf einen Betrag in der Grössenordnung von 4’000’000 Franken schätzen.»

Der Anwalt hat die Uhr

Yoko Ono wird von Michèle Wassmer und Vincent Guignet von der Kanzlei Borel & Barbey verteidigt. Auf Anfrage von Gotham City wollten diese sich nicht zum Fall äussern, der im Übrigen noch nicht abgeschlossen ist: Der italienische Sammler hat beim Bundesgericht Berufung eingelegt.

Wo befindet sich die Uhr jetzt? Das Urteil der Genfer Zivilkammer besagt, dass die Uhr derzeit in Genf ist, «unter Gewahrsam und Beschlagnahmung» von B., dem Anwalt von A. Die Uhr bleibe dort «bis zu einer Einigung oder einem gerichtlich festgestellten Anspruch auf ihr Eigentum».

Wir konnten die Identität dieses Anwalts nicht in Erfahrung bringen. Die Genfer Justizbehörde erklärte uns, dass sein Name im Urteil «aus Gründen, die mit seiner Stellung im Verfahren zusammenhängen» anonymisiert wurde.

Übertragung aus dem Französischen: Claire Micallef

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