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Schweizer Wirtschaft: Der grosse Quartals-Check-up

CS-Filiale
Der Fall der Credit Suisse und ihre erzwungene Übernahme durch die UBS prägten die jüngsten wirtschaftlichen und politischen Nachrichten in der Schweiz. © Keystone / Michael Buholzer

Bankenkrise, Inflation, steigende Zinsen – die Schweizer Wirtschaft kämpft seit Jahresbeginn mit vielen Herausforderungen. Unsere Wirtschaftsjournalist:innen halten Sie alle drei Monate mit einem umfassenden Lagebericht auf dem Laufenden.

1) Wachstumsprognose leicht nach oben revidiert

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hat Mitte März seine Wachstumsprognose für das Schweizer Bruttoinlandsprodukt leicht auf 1,1% angehoben, gegenüber 1% bei seiner letzten Einschätzung Mitte Dezember. Für 2024 rechnen die Ökonom:innen des Bundes nun mit einem Wachstum von 1,5% statt der zuvor erwarteten 1,6%. Laut einer MitteilungExterner Link des SECO erlebt China derzeit eine starke Erholung, während sich die “Energiesituation in Europa in den letzten Monaten entspannt hat”. Allerdings habe sich die Kerninflation in den grossen Industrieländern ungünstiger entwickelt als erwartet, was zu einer restriktiveren Geldpolitik führen und die globale Nachfrage bremsen dürfte.

Was die Inflation betrifft, sind die Prognosen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) von Ende März nach wie vor relativ hoch. Am 23. März hatte die SNB ihren Leitzins um 50 Basispunkte auf 1,5% angehoben. Die Teuerung soll laut SNB-Prognose im Jahr 2023 2,6% und in den Jahren 2024 und 2025 2% erreichen.

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2) Bankensektor unter Schock nach dem CS-Debakel

Das Jahr begann für den Schweizer Finanzplatz mit einem Alptraum, als die Credit Suisse, die zweitgrösste Bank des Landes, vor dem Bankrott gerettet werden musste und von ihrer Rivalin UBS aufgekauft wurde. Diese weltweit erste Fusion von Banken, die als “too big to fail” gelten, führt zu einem Giganten mit einem verwalteten Vermögen von fast 5 Billionen Franken. Diese Transaktion birgt zahlreiche Risiken und erfordert ein hohes Mass an Fingerspitzengefühl, um eine verstärkte Panik im Bankensektor zu vermeiden, die sich auf die globalen Aktienmärkte ausweiten könnte.

Der Ruf der Schweiz als zuverlässiges und konservatives Finanzzentrum hat durch diese Entwicklung Schaden genommen. Die Aktionär:innen und Anleihegläubiger:innen wurden von der Regierung im Stich gelassen. Die Entscheidung der Schweizer Bankenaufsicht (Finma), sogenannte AT1-Anleihen im Wert von 16 Milliarden Schweizer Franken zu annullieren, stiess auf heftige Kritik und könnte zu Klagen von geschädigten Anleger:innen führen.

Das Parlament muss nun untersuchen, was schiefgelaufen ist und ob die Behörden vor dem Zusammenbruch der CS nicht wachsam genug waren. Mehrere politische Parteien fordern zusätzliche Bankenregulierungen oder die Ausgliederung des Schweizer Geschäfts der Credit Suisse in eine separate Einheit.

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3) Nestlé strauchelt, Rohstoffhändler freuen sich

Der Inflationsdruck belastet vor allem Unternehmen im Nahrungsmittel- und Getränkesektor. Obwohl Nestlé hauptsächlich in Schwellenländern stark wächst, sah das Unternehmen seinen Nettogewinn 2022 um 45% sinken. Im Februar erklärte Generaldirektor Mark Schneider, dass Nestlé noch in diesem Jahr Preiserhöhungen plant, um die gestiegenen Kosten auszugleichen.

Rohstoffhändler hingegen freuen sich über den Preisanstieg. Glencore verzeichnete aufgrund hoher Öl- und Kohlepreise einen Anstieg des Gewinns vor Steuern um 60% auf über 34 Milliarden US-Dollar. Trafigura wiederum sah ihren Nettogewinn von 3,1 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021 auf 7 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022 explodieren. Während die Rohstoffmärkte zu einem normalen Volatilitätsniveau zurückkehren, wird die Rentabilität in diesem Jahr voraussichtlich niedriger ausfallen.

Die Branche steht auch unter Druck seitens der Schweizer Behörden, die im März erklärten, dass sie mehr Transparenz und Kontrolle über ihre Rolle beim Handel mit russischem Öl und Rohstoffen wünschen.

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4) Starker Start für den Schweizer Tourismus

Schweiz Tourismus, die nationale Organisation, die den Tourismussektor vertritt, zieht eine positive Bilanz des Winters. Die Übernachtungszahlen der Hotellerie für die gesamte Wintersaison liegen noch nicht vor, aber in den Monaten November, Dezember und Januar verzeichnete die Branche eine sehr starke Frequentierung durch Schweizer Gäste mit einem Anstieg der Übernachtungen um rund 15%. Auch die Zahl ausländischer Tourist:innen war fast wieder auf dem Niveau von 2019, der letzten vollständigen Saison vor der Pandemie, mit einem Rückgang von nur 4%.

Besonders hoch war das Rückkehrtempo der Gäste aus Südostasien, das 2022 mit einem Rückgang von nur 3,2% knapp unter dem Niveau von 2019 lag, während die Gäste aus den Golfstaaten um 5% und Nordamerika um 8,1% zurückgingen.

Schweiz Tourismus erwartet in den nächsten Jahren einen regelrechten Boom von Tourist:innen aus Ländern wie Indonesien, Malaysia, Singapur und Thailand. In den nächsten Monaten dürften auch viele Gäste aus China, Japan, Korea und Indien zurückkehren. “Chinesische Tourist:innen werden wahrscheinlich erst im Sommer wieder in die Schweiz kommen. Derzeit bremsen Engpässe in den Bereichen Flugkapazitäten, Schengen-Visa und Unterkünfte in der Schweiz sowie vor allem hohe Flugpreise weiterhin die Reiseströme”, sagt Véronique Kanel von Schweiz Tourismus.

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5) Die Uhrenindustrie weiter auf Erfolgskurs

Der Euphorie in der Schweizer Uhrenindustrie scheint derzeit nichts etwas anhaben zu können. Nach einem rekordverdächtigen 2022 stiegen die Uhrenexporte auch zu Beginn des Jahres weiter an. Laut den neuesten verfügbaren Statistiken des Verbands der Schweizerischen Uhrenindustrie (FH) stiegen die Exporte in den ersten beiden Monaten des Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 12,8% auf 3,8 Milliarden Franken. Alle wichtigen Märkte verzeichneten einen Anstieg. Die USA (+20%) bleiben der wichtigste Absatzmarkt für Schweizer Zeitmesser. China, das als eines der letzten Länder die Beschränkungen im Zusammenhang mit Covid-19 aufgehoben hatte, verzeichnete im Februar wieder schwarze Zahlen und könnte in den kommenden Monaten wieder zu einem der wichtigsten Wachstumsmotoren werden.

Trotzdem bleibt das obere Preissegment die Hauptquelle des Erfolgs: Mehr als drei Viertel des Exportwerts entfallen auf Uhren, die für mehr als 7500 Franken verkauft werden.

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6) Pharmaindustrie sucht nach neuen Verkaufsschlagern

Im Februar gab Novartis bekannt, dass der Umsatz bis 2022 voraussichtlich um 2% sinken würde, was hauptsächlich auf negative Wechselkurseffekte zurückzuführen ist (bei konstanten Wechselkursen wäre ein Anstieg um 4% zu verzeichnen gewesen). Als Konsequenz daraus wurde die Vergütung des CEO Vas Narasimhan um 25% auf insgesamt 8,5 Millionen Franken gekürzt. Das Unternehmen plant ausserdem weiterhin, seine Generikasparte Sandoz zu verkaufen, was zum Abbau von 8000 Arbeitsplätzen führen würde, darunter 1400 in der Schweiz.

Thomas Schinecker, der neue Chef von Roche, kündigte umfangreiche Investitionen in digitale Technologien sowie in Forschung und Entwicklung an seinem ersten Arbeitstag Mitte März an. Er erklärte, dass in diesem Jahr keine Stellenstreichungen geplant seien.

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Editiert von Virginie Mangin, Übertragung aus dem Französischen: Christoph Kummer

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