Wahlen in der Schweiz: Die Grünen stecken im Umfragetief
Zehn Tage vor den eidgenössischen Parlamentswahlen verlieren die Grünen weiter an Boden und fallen laut der jüngsten Wahlumfrage der SRG unter die 10%-Marke. Die Rechtskonservativen profitieren von der Rückkehr des Migrationsthemas und bauen ihren Vorsprung aus.
Dem Klimawandel zum Trotz: Umweltparteien haben in Europa gerade einen schweren Stand. Das schliesst auch die Schweiz ein. Die Grünen und Grünliberalen, die bei den letzten eidgenössischen Wahlen noch kräftig zulegen konnten, werden bei den Parlamentswahlen vom 22. Oktober Verluste einfahren.
Dies prognostiziert das neuste Wahlbarometer der SRG, das vom Forschungsinstitut Sotomo durchgeführt und am Mittwoch veröffentlicht wurde.
Die Grünen verlieren demnach im Vergleich zu den letzten Wahlen 3,5 Prozentpunkte und erreichen nur noch 9,7% Stimmenanteil. Damit würden sie mehr als die Hälfte der Gewinne von 2019 verpuffen sehen. Die Grünliberalen verlieren ebenfalls an Boden, laut Prognose einen Prozentpunkt.
Kommunizierende Gefässe
Michael Hermann, Politologe bei Sotomo, relativiert allerdings die sich abzeichnende Niederlage der Grünen: «Beide Parteien werden immer noch das zweitbeste Ergebnis ihrer Geschichte erzielen.»
Von den Verlusten der Grünen profitiert die Sozialdemokratische Partei (SP). Sie gewinnt einen Teil ihrer Wählerschaft zurück und legt laut Prognose 1,5 Prozentpunkte zu. «Die beiden Parteien funktionieren wie kommunizierende Gefässe: Wenn die eine gewinnt, verliert die andere», sagt Sotomo-Politologin Sarah Bütikofer.
Am anderen Ende des politischen Spektrums wird die Schweizerische Volkspartei (SVP) voraussichtlich das drittbeste Ergebnis ihrer Geschichte erzielen. Die Partei legt laut Umfrage um 2,5 Prozentpunkte zu und erreicht einen Stimmenanteil von 28,1%.
Die Mitte sowie die liberale Freisinnig-Demokratische Partei (FDP) streiten sich weiterhin um den Platz als drittstärkste politische Kraft im Land. Wie beim letzten Barometer vom September liegt Die Mitte mit 14,3% fast gleichauf mit der FDP, die auf 14,1% der Stimmen kommt. Das bei einer Fehlermarge der Umfrage von 1,2 Prozentpunkten.
Der Ausgang des Kopf-an-Kopf-Rennens könnte für die Zusammensetzung der Regierung entscheidend sein, da das Konkordanzprinzip vorsieht, dass die drei grössten Parteien des Landes zwei Sitze in der Regierung haben, die vierte nur einen.
Die Zugewinne der SVP und die Verluste der Grünen deuten auf einen leichten Rechtsruck im Parlament hin, so das Forschungsinstitut Sotomo. Abgeschwächt durch die Gewinne der SP und den leichten Rückgang der FDP dürfte dieser jedoch weniger ausgeprägt sein als 2015, so die Umfrage.
Das letzte Wahlbarometer im Hinblick auf die Parlamentswahlen vom 22. Oktober 2023 wurde vom Forschungsinstitut Sotomo im Auftrag der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG, zu der auch swissinfo.ch gehört) durchgeführt.
Die Daten wurden zwischen dem 22. September und dem 5. Oktober gesammelt. 31’850 Wähler:innen nahmen an der Umfrage teil, einerseits auf den Internetportalen der SRG, andererseits auf der Website von Sotomo. Die Fehlermarge beträgt +/-1,2 Prozentpunkte.
+ Die vorletzte Wahlumfrage der SRG: Wahlen in der Schweiz: SVP gewinnt, FDP muss um zweiten Bundesratssitz zitternExterner Link
Effekte des «Prämienschocks»
Die jüngste Ankündigung eines massiven Anstiegs der KrankenkassenprämienExterner Link für das nächste Jahr hat gemäss Umfrage die Sorgen der Wählerschaft noch einmal kurzfristig verschoben.
51% der Befragten sehen nun die Krankenkassenprämien als die wichtigste politische Herausforderung für den Bund, während es Ende August nur 39% waren. «Das spielt der SP in die Hände, die sich mit sozialen Fragen profiliert», sagt Hermann.
Da der Migrationsdruck in Europa in den letzten Wochen zugenommen hat, hat das Thema Einwanderung im Vergleich zur letzten UmfrageExterner Link erneut an Bedeutung gewonnen. 35% der Befragten sehen es als eine der drei grössten Herausforderungen für die Schweiz an.
Das Barometer zeigt auch, dass die Thematik einen direkten Einfluss auf die Wahlentscheidung hat. «Diese Entwicklung erklärt den Anstieg bei der SVP», sagt Bütikofer.
Was auffällt: Obwohl die Wähleranteile der Grünen sinken, wird der Klimawandel weiterhin als eines der grössten Probleme wahrgenommen.
Das Thema hat für die Wählnden jedoch an Bedeutung eingebüsst: 36% der Befragten halten den Klimawandel heute für eine der grössten politischen Herausforderungen der Schweiz. Vor den Parlamentswahlen 2019 waren es noch 42%.
+ Neuer Prämienschock: Schweizer Haushalte ächzen noch mehr unter den GesundheitskostenExterner Link
Die Perspektive der Swiss Abroad
Die Auslandschweizer:innen gewichten die politischen Herausforderungen erwartungsgemäss anders als ihre Landsleute in der Heimat.
Da sie in der Regel keine Krankenversicherung in der Schweiz haben, bezeichnen nur 37% der Swiss Abroad die steigenden Prämien als grösstes Problem. Auch die Reform der Altersvorsorge wird von den Auslandschweizer:innen weniger häufig genannt.
Hingegen finden Themen, welche die Beziehungen zum Ausland betreffen, mehr Beachtung. So misst die Fünfte Schweiz den Beziehungen zur EU wie gleichzeitig auch der Unabhängigkeit und Souveränität der Schweiz mehr Bedeutung bei.
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