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Sauberes Gold: Setzt die Schweiz neue Standards?

Goldbericht liefert Steilpass für Konzern-Verantwortungs-Initiative

Swissinfo Redaktion

Der Schweizer Regierung seien die Geschäfte einmal mehr wichtiger als die Menschenrechte, schreibt Strafrechtsprofessor Mark Pieth. Das zeige der kürzlich publizierte Goldbericht des Bundesrats.

Die Schweiz ist nicht nur eine Grossmacht im Finanzbereich und im Rohstoffhandel. Wenig bekannt ist, dass die Schweiz ca. 70% der Weltgoldproduktion importiert und ca. 50% raffiniert. Mit dieser Weltmachtstellung sind allerdings grosse Risiken verbunden, da die Goldgewinnung vielfach problematisch ist:

«Ein weiteres Mal ist dem Bundesrat das Geschäft wichtiger als die Menschenrechte.»

Sie geht typischerweise mit schwerer Umweltschädigung einher und immer wieder kommt es zu Zwangsarbeit, Kinderarbeit und sexueller Ausbeutung. Organisiertes Verbrechen, Korruption und Geldwäscherei, aber auch die Enteignung von indigenen Völkern sind typische Begleiterscheinungen.

Am schwersten wiegt wohl der Erwerb von Konfliktgold: Bürgerkriegsparteien in Darfur und Ostkongo können sich aus dem Ertrag Waffen kaufen. Der Goldhandel mit bewaffneten Gruppen verlängert Kriege.

Bericht legt falschen Fokus

Unter dem Druck von Nichtregierungsorganisationen und Parlamentariern ist der Bundesrat veranlasst worden, einen Goldbericht zu verfassen. Vergangene Woche wurde er der Öffentlichkeit vorgestellt (Goldhandel und Verletzung der MenschenrechteExterner Link). Ähnlich wie beim Rohstoffbericht vom 27.3.2013 liest sich zunächst die Problemanalyse wie von einer Nichtregierungs-Organisation geschrieben.

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Allerdings schiebt der Bericht einseitig den artisanalen und kleinen Mineuren die Schuld für Umwelt- und Menschenrechtsverletzungen zu, wenn er den Raffinerien vorschlägt, Gold vor allem von Multinationalen Minenunternehmen zu beziehen.

Die kleinen Minen produzieren zwar nur 20% des Goldes, beschäftigen aber 15–20 Millionen Personen; direkt oder indirekt leben 100 Millionen Personen weltweit vom kleineren Minenbereich. Sie zu ignorieren, weil sie riskanter sind, kann nicht das Ziel des Bundesrats sein.

Im Übrigen darf nicht übersehen werden, dass die Multinationalen Minenunternehmen vielfach für grosse und giftige Abraumhalden, für Zyanidkontaminierung der Gewässer und für die Enteignung indigener Populationen verantwortlich sind.

Audits sind laut OECD untauglich

Wie bereits beim Rohstoffbericht geht dem Bundesrat aber bei den Massnahmen der politische Wille verloren! International hat die OECD detaillierte Regeln zum Schutze der Menschenrechte in der Goldlieferkette entwickelt. Sie sind von Industrieverbänden z.T. in Selbstregulierungsinstrumente übernommen worden (London Bullion Market, Responsible Jewellery Council).

ist Professor für Strafrecht an der Universität Basel. Er ist bekannt für seine Vorreiterrolle bei Initiativen zur Bekämpfung von Korruption und Geldwäscherei in all ihren Formen.

Allerdings verweist ausgerechnet die OECD in einem äusserst kritischen Bericht auf eklatante Schwächen der Raffinerien hin: Sie verfolgen die Herkunft des Goldes z.T. bloss bis zum unmittelbar nächsten Lieferanten zurück.

Die Audits, die das gesamte Sorgfaltspflichtsystem absichern sollen, erweisen sich als untauglich. Gemäss OECD fehlt es bei den professionellen Auditfirmen an Fachwissen und an der notwendigen kritischen Distanz.

Rechtslage wie in den Vereinigten Emiraten

Die EU hat die Konsequenzen gezogen und die OECD Richtlinien in verbindliches Recht übergeführt (EU Richtlinie 2017, in Kraft ab 2021). Demgegenüber bleibt der Bundesrat der bereits gegenüber der Verbandsverantwortlichkeits-Initiative eingeschlagenen Position treu: Selbstregulierung ist besser als staatliche Regulierung.

Obwohl Ansatzpunkte im geltenden Recht bestehen (Geldwäscherecht verbessern? Edelmetallgesetz und Verordnung anpassen? Zollgesetzgebung ergänzen?), verzichtet der Bundesrat trotz manifester Risiken und Schwächen der Selbstregulierung der Branche darauf, eine klare Position zu beziehen.

Die dem Bericht beigelegte Expertise vergleicht die Schweizer Rechtslage mit Südafrika, den Vereinigten Emiraten und Indien. Das mögen die härtesten Konkurrenten sein, für die Einhaltung der Menschenrechte sind diese Staaten jedoch nicht bekannt.

Ein weiteres Mal ist dem Bundesrat das Geschäft wichtiger als die Menschenrechte – wenn nicht ein Eigengoal, so doch ein Steilpass für die Konzernverantwortungs-Initiative!

Die in diesem Artikel geäusserten Ansichten sind ausschliesslich jene des Autors und müssen sich nicht mit der Position von swissinfo.ch decken.

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