Wegen Corona im Senegal gestrandet – und geblieben
Auslandschweizer wider Willen: Familie Arnold ist seit März 2020 in Westafrika blockiert. Jetzt hat sie sich ein Haus gebaut.
Nach wie vor sind Reisende rund um den Globus wegen der Corona-Pandemie stark eingeschränkt. Grenzen bleiben zu, Flüge sind gestrichen. Einige versuchen seit Monaten nach Hause zu kommen, andere nehmen hin, was sie nicht ändern können.
Die Familie Arnold gehört zu letzteren. Ihre Geschichte könnte aus einem Abenteuerfilm stammen. Seit bald einem Jahr sitzt sie im südlichen Senegal fest. Mittlerweile haben Stefan, Christelle und Amira Arnold die Hoffnung aufgegeben, dass sie es demnächst auf dem Landweg zurück in die Schweiz schaffen.
So hat sich die Familie aus Bern letzten Sommer entschieden, dort, wo sie festsitzen, ein Haus zu bauen und für die nächsten Jahre in der CasamenceExterner Link sesshaft zu werden.
Sommer in Bern, Winter im Süden
Doch der Reihe nach: Stefan und Christelle Arnold sind in ihrem Leben viel und weit gereist. Seit 10 Jahren sind der 48-jährige Walliser und die 33-jährige Walliserin mit ivorischen Wurzeln ein Paar – seit zwei Jahren verheiratet.
Seit 2016 sind sie zusammen mit ihrer 5-jährigen Tochter regelmässig in Afrika unterwegs. Die Sommerzeit verbringt die Familie jeweils zu Hause im Berner Mattequartier, überwintert wird auf dem afrikanischen Kontinent. Unterdessen besitzen alle drei den ivorischen Pass. «Das macht den Aufenthalt in Afrika um einiges einfacher», erzählt Stefan Arnold.
Das letzte Mal gings Ende Dezember 2019 los mit ihrem 4×4-Camper auf dem Landweg von der Schweiz nach Afrika. Diesmal für sechs Monate – so jedenfalls der Plan.
Homeoffice in Afrika
Stefan Arnold kann die Auslandaufenthalte mit seinem Beruf kombinieren. Als selbständiger Webdesigner kann er überall auf der Welt arbeiten. Seit 20 Jahren betreibt Arnold seine Einzelfirma – die langjährigen und treuen Kunden hätten sich daran gewöhnt, dass er nicht immer sofort erreichbar sei, die Arbeit aber zuverlässig erledige.
Die Pandemie spielt seinem Geschäftsmodell nun sogar in die Karten: «Jetzt, wenn alle im Homeoffice sitzen, kommt es nicht darauf an, ob ich in Bern oder im Senegal sitze.» Dabei ist auch die geringe Zeitverschiebung von einer Stunde ein Vorteil.
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So reiste die schweizerisch-ivorische Familie also vor gut einem Jahr via Gibraltar nach Marokko, über den grossen Atlas, durch Mauretanien nach Senegal, weiter durch Gambia in den südlichen Senegal in die Casamence. Das war im März.
Kurz darauf brachte das Coronavirus die ganze Welt zum Stillstand. Innert drei Tagen wurden die Grenzen von Senegal geschlossen – die Arnolds haben es in so kurzer Zeit nicht mehr bis in die Elfenbeinküste geschafft, wo sie ein Haus gemietet hatten.
Gefährliche Situationen
«Als Weisser musste ich mich plötzlich verstecken», erzählt Stefan Arnold. Nach einer morgendlichen Joggingrunde sei ein Motorrad angebraust gekommen, um die Familie vor einem Überfall zu warnen. «Zwei Dörfer hatten sich zusammengeschlossen, um mich einzusperren. Sie hatten gedacht, ich sei ein Chinese auf der Flucht.»
Der Aberglaube in der Region war anfänglich gross: Das Virus stamme von den Chinesen. Erst wurden Asiaten unter Generalverdacht gestellt, dann Europäer.
«Ich wurde angespuckt, Steine wurden uns hinterhergeschmissen.»
«Ich wurde angespuckt, Steine wurden uns hinterhergeschmissen», berichtet Arnold. Die Familie hat schliesslich alles zusammengepackt und ist losgefahren. Per Zufall – die Arnolds hatten sich verfahren – kamen sie zu einem verlassenen Hotel, wo sie sich verstecken konnten.
«Der Wärter des Grundstücks hat zu uns geschaut und mit uns das Essen geteilt. Wenn möglich, ging meine Frau vermummt einkaufen», beschreibt Stefan Arnold diese verrückte Zeit. Es habe ein strikter Lockdown geherrscht, der Bewegungsradius sei eingeschränkt gewesen.
«Zum Glück hatten wir genügend Bargeld als Reserve, denn der nächste Bancomat war 50 Kilometer entfernt.» Ausserhalb des erlaubten Radius. Nach rund einem Monat hätten sie dann zusammen mit anderen Europäern Unterschlupf bei einer französischen Priesterin gefunden.
Bis Ende Mai entspannte sich die Situation ein bisschen. Die Arnolds hatten noch die Hoffnung, dass sie nach Ende des Lockdown wie geplant mit ihrem Camper auf dem Landweg zurück in die Schweiz kommen würden. Sie zerschlug sich vergangenen Sommer. Die Grenzen blieben zu.
«Jetzt bleiben wir hier»
Und so haben sie sich entschieden, Land zu kaufen und darauf einen Brunnen zu bauen. «Auf diese Weise hatten wir wenigsten einen Platz, wo wir mit unserem Camper bleiben konnten und genug Wasser hatten», so Arnold. Im August begannen sie schliesslich, ein Haus zu bauen.
«Jetzt wissen wir eigentlich gar nicht so richtig, was wir machen wollen. Sehr wahrscheinlich bleiben wir die nächsten paar Jahre hier», sagt Stefan Arnold und lacht.
Hier – das ist ein Grundstück so gross wie zwei Fussballfelder im Süden Senegals, zwischen einem Fluss und dem Meer. Dieses Land haben sie Karamba BolongExterner Link getauft. «Karamba heisst Natur, Bolong Meeresarm.»
Hier, das ist aber auch eine Gegend, die über praktisch keine medizinische Versorgung verfügt. «Wir waren einmal im Spital. Da willst du nicht landen.»
Seit Juni merke man in dieser Gegend kaum etwas von Corona. Es habe auch keinen einzigen Fall gegeben. «Die Leute machen hier Party ohne Ende.» Deshalb ist die Familie kontaktscheu geworden. «Wenn die medizinische Versorgung fehlt, dann muss man gesund bleiben», lautet das Motto der Arnolds.
Er hat aufgehört zu rauchen, die Familie macht jeden Tag Sport und ernährt sich gesund. «Wir versuchen uns bei den kleinsten Sachen mit Hilfe der Natur selbst zu heilen.»
Es ist geplant, dass die kleine Tochter Amira bald eine Privatschule besucht. Stefan Arnold betreibt seine Einzelfirma weiter. Er und seine Frau Christelle – eine gelernte Köchin mit eidgenössischem Fähigkeitsausweis – versuchen ausserdem, auf dem grossen Grundstück zu Selbstversorgern zu werden.
Arnold sagt: «Wir nehmen unsere Situation als Geschenk, denn ohne Covid hätten wir niemals unser Paradies gefunden.»
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