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Tessin: Rentner:innen wollen weg

Zwei Rentner auf einer Bank in Lugano
Immer mehr Deutschweizer:innen kehren dem Tessin den Rücken. Melanie Eichenberger, swissinfo.ch

Bloss möglichst rasch weg aus der Sonnenstube. Viele ältere Deutschschweizerinnen und -schweizer wollen wieder weg aus dem Tessin. Doch das ist nicht immer einfach.

Die bald 70-jährige Monika Gmür ist vor 15 Jahren ins Tessin gekommen. Sie kaufte damals einen Bed-and-Breakfast-Betrieb, den sie seither führte. Nun hat sie entschieden, diesen zu verkaufen und überlegt, ob sie zurück in die Deutschschweiz soll.

“Mir fehlt das kulturelle Angebot von Zürich, auch habe ich dort noch ein soziales Umfeld”, sagt sie. Im Tessin sei es schwierig, Anschluss zu finden, denn die Tessiner seien sehr italienisch orientiert – die Familie gehe ihnen über alles. Gmür ist sich aber auch bewusst, dass sie die Musse der Tessiner und Tessinerinnen vermissen würde.

Ähnliche Gedanken hat die 70-jährige Susanna Tosun. Sie wohnt seit 14 Jahren im Tessin – und hat sich bereits entschieden. Sie will weg. “Ich hätte das nie gedacht, aber es ist so. Ich will hin zu den Leuten. Mir ist es zu ruhig hier. Ich vermisse das kulturelle Leben einer Grossstadt”.

Tosun sucht jetzt eine Wohnung im Raum Aarau, in der Nähe ihrer Freundinnen. Sie weiss, dass sie ihre Traumwohnlage mit Sicht über den Lago Maggiore vermissen wird. Die Wohnungssuche empfindet sie als anstrengend. Doch jetzt habe sie noch die Kraft dazu.

Wie vielen Menschen es wie ihr ergeht, ist schwierig zu sagen. Was die Zahlen vom Tessiner Statistikamt aber zeigen, ist, dass mit zunehmendem Alter deutlich mehr Deutschschweizer und Deutschschweizerinnen auswandern als einwandern.

Beim Altersheimeintritt kann es Probleme geben

Jennifer Kerner arbeitet seit zehn Jahren als Sozialarbeiterin bei Pro Senectute. Sie kennt viele Menschen, denen es geht wie Tosun. Doch der Schritt, zurückzukehren, falle vielen aber nicht nur einfach. Denn das Tessin sei ihnen auch ans Herz gewachsen.

Sehr schwierig werde es, wenn eine Person mit wenig Geld direkt von der eigenen Wohnung im Tessin in ein Altersheim in der Deutschschweiz ziehen wolle. Dann reichten womöglich die Ergänzungsleistungen nicht fürs Altersheim. Denn die Unterstützung werde vom bisherigen Wohnkanton berechnet, also vom Tessin.

 “Die Beiträge des Kantons Tessin können niedriger sein als jene von Zürich. So ist es fast unmöglich, direkt aus der eigenen Wohnung im Tessin, in ein Altersheim in der Nähe der Kinder in Zürich zu ziehen”, betont Kerner.

Frühzeitig in die Deutschschweiz zurückkehren

Kerner und ihre Kolleginnen des Sozialdienstes der Tessiner Pro Senectute versuchen darum, die Deutschschweizer und Deutschschweizerinnen frühzeitig für diese Problematik zu sensibilisieren.

Idealerweise kehren diese in die Deutschschweiz zurück, bevor sie gebrechlich werden, sodass sie noch ein paar Jahre in der Deutschschweiz in einer eigenen Wohnung leben können. Und nicht allein in einem Altersheim im Tessin ihren Lebensabend verbringen müssen.

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