«Donald Trump setzt die globale Elite unter Schock»
Donald Trump zieht wider Erwarten als 45. US-Präsident ins Weisse Haus ein. Die Schweizer Presse gibt sich besorgt bis schockiert über diese überraschende Wahl des Quereinsteigers und Multimilliardärs zum mächtigsten Mann der Welt. Sein Sieg wird als Schlag gegen die Elite und das politische Establishment gedeutet.
«Das Historische an dieser Wahl ist, dass ein Kandidat US-Präsident wird, dessen Wahlkampf von Lügen, Beleidigungen und sexistischen Ausfälligkeiten geprägt war. Dass Clinton gegen einen solch absurden Kandidaten verlieren konnte, ist ein Totalversagen. Sie hatte die geschlossene demokratische Partei hinter sich, die meisten Medien, die Wall Street, Hollywood und überhaupt fast alles, was Rang und Namen hat, und sie hatte viel mehr Geld», schreibt die Aargauer Zeitung.
Reaktionen aus der Schweizer Politik
Die Schweiz wird laut Aussenminister Didier Burkhalter mit der neuen US-Regierung konstruktiv zusammenarbeiten. Sie werde dabei ihre Interessen und Werte verteidigen, sagte Burkhalter am Mittwoch in einem Interview mit dem Westschweizer Radio (RTS).
Es gelte, der neuen amerikanischen Regierung Zeit zu geben, ihren Weg zu finden. Erst anschliessend werde sich die Schweiz ein Urteil bilden können. Die Schweiz werde den Kontakt mit der US-Regierung suchen, um sich zu vernetzen und sich gegenseitig zu verstehen.
Die Schweiz habe alles Interesse an einer starken und geeinten USA. Ein zerrissenes und uneiniges Amerika sei dagegen nicht gut für die übrige Welt. Die Welt und die USA veränderten sich. Die Schweiz dagegen sei weniger stark Veränderungen unterworfen.
Auch die freisinnige Nationalratspräsidentin Christa Markwalder will die guten Beziehungen zu den USA weiterhin pflegen.
Fragezeichen sieht Markwalder etwa beim Freihandel oder bei den offenen Märkten. «Trumps Wahlsieg lässt ein Klima der Unsicherheit entstehen, und das ist für Investitionsentscheide nachteilig», sagte sie gegenüber der Nachrichtenagentur sda. Die USA seien nach Deutschland der wichtigste Exportpartner der Schweiz.
Die Schweiz habe grosses Interesse daran, die langjährigen guten Beziehungen mit den USA weiter zu pflegen, betonte Markwalder. «Die Schweiz hat in den USA ein gutes Image, rund eine Million US-Amerikanerinnen und -Amerikaner haben Schweizer Wurzeln.»
Trumps Triumph sei ein gewaltiges Misstrauensvotum, ja ein Volksaufstand: Gegen den Clinton-Clan, gegen die Parteien, gegen internationale Kooperation, gegen Migration, gegen Washington, gegen die Medien, gegen die Eliten, gegen die Politik schlechthin. «Aber: Es ist eine demokratische Wahl, das werden auch jene europäischen Staatenlenker akzeptieren müssen, bei denen Trump ‹Brechreiz› (François Hollande) auslöst», so das Blatt weiter.
«Trump stellt Amerika auf den Kopf», titelt die Neue Zürcher Zeitung. «Kaum jemand hatte Trumps Zuversicht geteilt, als er vor Monaten prophezeite, er werde dank den Verlierern der Globalisierung die früher demokratisch wählenden Staaten an den Grossen Seen wie Michigan, Wisconsin und Iowa erobern.»
Was kommt auf die Welt zu?
In ihrem Kommentar spricht die NZZ vom «falschen Präsidenten». Mit Donald Trump habe Amerika einen Demagogen zum 45. amerikanischen Präsidenten gewählt. «Die grosse Frage lautet nun, inwiefern sich Kandidat und Präsident voneinander unterscheiden werden.» Vor allem warnt die Zeitung aus Zürich vor aussenpolitischen Alleingängen. «Während innenpolitisch die ‹checks and balances› Trump von Alleingängen wohl abhalten werden, verfügt der Präsident aussenpolitisch über weitreichende Autonomie. Hier lauert auch die grösste Gefahr der Präsidentschaft Trump: Niemand hält den 70-Jährigen davon ab, das amerikanische Verteidigungsversprechen gegenüber der Nato aufzukündigen, mit Russlands Präsident Putin anzubandeln oder Amerikas Berater aus Syrien oder dem Irak abzuziehen. Trump ist fortan Oberbefehlshaber über das mächtigste Militär der Welt, auch ohne Einwilligung des Kongresses kann er für mindestens 90 Tage Streitkräfte in den Krieg senden.»
«Als wäre das nicht Bedrohung genug», so die NZZ weiter: «Trump waltet künftig auch über das Nuklearwaffenarsenal der USA. Man muss hoffen, dass er an seiner Beteuerung aus dem Wahlkampf festhält, wo er sagte: ‹Ich bin die letzte Person, die die nukleare Karte spielen will.'»
«Der Hass gegen die Elite ist mehrheitsfähig»
«Nach zwei unvollkommenen, aber würdigen Amtsperioden von Barak Obama, gelangen nun Wut und Zorn ins Weisse Haus», schreibt die Genfer Zeitung Le Temps. Dies sei ein Paradox, das nur in den USA passieren könne. «Die grösste Weltmacht wählt Donald Trump zum Präsidenten, einen Mann mit sexistischem und xenophobem Gehabe, dessen Verhalten über all die Jahre zeigt, wie unberechenbar und borderline er ist. Es ist das Ende einer Ära politischer Korrektheit und von durchdachtem Umgang mit Minderheiten und Schwachen. Der neue Präsident macht sich lustig über Behinderte, bezeichnet Mexikaner als Vergewaltiger und gibt zu, seine Triebe mit Frauen nicht im Griff zu haben. All dies hat ihn nicht gehindert, gewählt zu werden. Ein Zeichen, dass der Hass gegen die Elite, auch gegen die Medien, mehrheitsfähig ist.»
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Trump zieht ins Weisse Haus ein
«Donald Trump setzt die globale Elite unter Schock. Der Albtraum der Gebildeten, Urbanen, Multikulturellen, Philanthropen und Gutverdienenden ist wahr geworden: Donald Trump wird Präsident der USA», ist in der Handelszeitung zu lesen. «Die Niederlage des demokratischen Establishments ist bitter. Bitter deshalb, weil es sich mit seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik eigentlich genau an jene Schichten wandte, die ihm nun zu grossen Teilen die Gefolgschaft verweigert haben: die Niedrigqualifizierten mit schlechten Chancen auf dem Arbeitsmarkt, die Mittellosen ohne anständige Gesundheitsversorgung. Die Niederlage ist doppelt bitter, weil der Abstieg dieser Schichten just durch jene Partei gestärkt wurde, die nun den nächsten Präsidenten stellt. Make America Great Again: Der Slogan hätte eigentlich den Demokraten zugestanden, nicht den Republikanern.»
«Kein Unfall, die Sicherungen sind durchgebrannt»
Laut dem Boulevardblatt Blick ist die Wahl von Donald Trump der Preis dafür, dass die US-Medien nicht nur seine Talente, sondern auch seine Skandale nicht ernst genommen haben.
«Es ist die wichtigste Frage in diesen Stunden. Nicht nur in den USA, sondern in der ganzen westlichen Welt. Denn auch wenn wir in unserem Bedürfnis nach Normalität dazu neigen, Katastrophen zu Missgeschicken umzudeuten und Scharlatane zu verkannten Talenten – im mächtigsten Land der Welt ist nicht nur ein Unfall passiert. Eine Reihe teils jahrhundertealter Sicherungen sind durchgebrannt.
Mit Trump ist genau der Mann Präsident geworden, vor dem die Väter der amerikanischen Verfassung immer Angst hatten: der hemmungslose Populist ohne Sinn für Ausgleich und Bürgertugenden.» Jetzt werde sich zeigen, ob das Ausgleichssystem, das den amerikanischen Präsidenten einengt, wirklich halten werde.
Pessimistisch geben sich auch Basler Zeitung und Tages-Anzeiger: «Er kann jetzt alles kippen: Atomdeal, Klimaabkommen, Handelsverträge. Als Präsident kann Donald Trump die USA auf den Kopf stellen – und nicht nur sein eigenes Land.»
Gewiss werde Trump in Versuchung geraten, die Welt neu zu ordnen. «Was bei den gestrigen Wahlen in den Vereinigten Staaten geschah, wird die Welt wahrscheinlich auf Jahre hinaus erschüttern. Und es stimmt nicht sonderlich beruhigend, dass aus Trumps Lager verlautete, der neue Präsident werde Newt Gingrich womöglich zum Aussenminister ernennen. Nicht nur die Vereinigten Staaten müssen sich auf turbulente Zeiten gefasst machen.»
Republikaner bleiben stärkste Kraft im Kongress
Der US-Kongress bleibt komplett in den Händen der Republikaner. Die Konservativen konnten bei der Wahl am Dienstag nicht nur die Mehrheit im Repräsentantenhaus verteidigen, sondern blieben überraschend auch im Senat stärkste Kraft, wie mehrere US-Fernsehsender auf der Grundlage von Hochrechnungen und ersten Stimmauszählungen errechneten.
Der republikanische Doppelsieg hat grosse Bedeutung für das künftige Machtgefüge in den USA. Mit seinem Einzug ins Weisse Haus hat Donald Trump dank der Mehrheiten in beiden Kammern sehr gute Aussichten, seine politischen Vorhaben ohne grosse Gegenwehr durchzusetzen.
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