Wie Simbabwe seinen Kaffeesektor wiederbeleben will
Vor 23 Jahren führte die gewaltsame Vertreibung der Kaffeebauern europäischer Herkunft aus Simbabwe zum Zusammenbruch der Branche. Heute steigt die Kaffeeproduktion mit Unterstützung der Marke Nespresso des Schweizer Lebensmittelproduzenten Nestlé wieder an. Sie beträgt aber immer noch einen Bruchteil dessen, was sie einmal war.
David Muganyura, ein altgedienter Kaffeebauer, schloss sich einer Nespresso-Initiative zur Wiederbelebung des Kaffeeanbaus an. Er hat diesen Schritt nicht bereut.
Der 74-Jährige, der die Bohne seit 1984 anbaut, musste im Jahr 2000 mitansehen, wie seine Produktion und Rentabilität fast auf Null sanken, weil die grössten Kaffeebauern des Landes vertrieben wurden.
Dies führte zu einem Rückgang der Exportnachfrage nach der lokal angebauten Ernte. Im Jahr 2000 sank der Preis für die Ernte auf bis zu 20 US-Cent (18 Rappen) pro Kilogramm.
Als Nestlé sein Programm «Tamuka Mu Zimbabwe» (in der indigenen Sprache Shona bedeutet das «Wir sind in Simbabwe erwacht») zur Wiederbelebung des Kaffeeanbaus vorstellte, war Muganyura unter den ersten, die sich anmeldeten.
Das Programm beinhaltete eine Schulung, die 2018 vom Lausanner Kaffeeriesen Nespresso, der zu Nestlé gehört, über eine lokale Initiative namens Technoserve durchgeführt wurde.
Es beinhaltete auch, dass das Schweizer Unternehmen seine Kaffeebohnen zu einem Produzentenpreis von rund 8 US-Dollar (7,15 Franken) pro Kilogramm einkaufte. Das ist fast das Doppelte dessen, was lokale Abnehmer wie Cairns Foods und das Grain Marketing Board für die Ernte zahlen.
Muganyura war einer der ersten Einheimischen, die im Rahmen der Initiative ein Jahr später Kaffeesamen pflanzten. Im ersten Jahr verdoppelte er die Produktion auf rund 1500 Kilogramm und verdiente damit etwa 10’000 Dollar. Der Durchschnittslohn in Simbabwe lag 2022 bei 220 Dollar im Monat.
«Mit den Einnahmen aus der Partnerschaft konnten wir in andere landwirtschaftliche Projekte investieren, die Gesundheitsversorgung für die Familie bezahlen, Kredite für Betriebsmittel zurückzahlen und die Farmarbeitenden bezahlen. Wir haben auch unsere Schulden bei der Zimbabwe Coffee Mill [wo die Kaffeebohnen verarbeitet werden] beglichen», sagt er gegenüber SWI swissinfo.ch.
Die Nespresso-Initiative ist Teil des umfassenderen «AAA Sustainable Quality Program» des Unternehmens. Es zielt darauf ab, die Produktion von Qualitätskaffee in verschiedenen Regionen der Welt wiederzubeleben, in denen sie durch Konflikte, wirtschaftliche Einbrüche oder Umweltkatastrophen beeinträchtigt wurde.
Dazu gehören Kolumbien, Puerto Rico, Kuba, Uganda und die Demokratische Republik Kongo. Ziel ist es, langfristige Partnerschaften mit der Landwirtschaft und den Gemeinden aufzubauen, um eine nachhaltige Kaffeeproduktion wiederherzustellen.
Anbau von hochwertigem Kaffee
In Simbabwe ist Nespresso eine Partnerschaft mit der amerikanischen Nichtregierungsorganisation Technoserve, zwei lokalen Kaffeefarmen und rund 450 Personen im Honde Valley eingegangen.
Das Gebiet, das sich bis ins benachbarte Mosambik erstreckt, eignet sich am besten für den Anbau von Arabica-Kaffee. Diese hochwertigen Bohne enthält weniger Koffein und ist milder im Geschmack als die billigere Robusta-Bohne.
Nespresso bietet den Bäuerinnen und Bauern kostenlose technische Unterstützung durch engagierte Fachleute, Prämienpreise und Investitionen in Infrastruktur und spezielle Projekte wie Agroforstwirtschaft. Im Gegenzug müssen sie ihre Bohnen zu einem vom Unternehmen festgelegten Preis verkaufen.
Nespresso hat seit 2016 nach eigenen Angaben 39 Millionen Franken in das globale Programm «Reviving Origins» über sein Finanzierungsinstrument, den «Nespresso Sustainability Innovation Fund», investiert.
Das Unternehmen machte keine Angaben dazu, wie viel es in Simbabwe insgesamt investiert hat. Im Oktober 2022 kündigte Nespresso eine weitere Investition von 4,5 Millionen US-Dollar in «Reviving Origins» in Afrika an.
Wie Phönix aus der Asche
Die Nespresso-Initiative ist Teil eines umfangreichen Plans der simbabwischen Regierung zur Wiederbelebung der einst blühenden Kaffeeindustrie, die seit dem Jahr 2000 dezimiert wurde. Damals bewilligte Präsident Robert Mugabe die Vertreibung von bis zu 4000 Grossgrundbesitzende von ihren rund 11 Millionen Hektaren Land, die meisten von ihnen waren europäischer Herkunft. Unter den Vertriebenen waren auch viele Kaffeebauern.
Bis Anfang der 2000er-Jahre gehörte Simbabwe mit einer Jahresproduktion von durchschnittlich 15’000 Tonnen zu den 30 grössten kaffeeproduzierenden Ländern der Welt. Heute liegt die Jahresproduktion bei durchschnittlich 500 Tonnen, die von zwei kommerziellen Plantagen und rund 450 Kleinbetrieben mit einer Fläche von etwa zwei Hektar wie der Plantage Muganyura produziert werden.
Bis 2019 ist der kleinbäuerliche Kaffeeanbau weitgehend zusammengebrochen, da die meisten Bäuerinnen und Bauern auf besser bezahlte Nutzpflanzen wie Macadamianüsse umgestiegen sind.
Kaffeeanbau nachhaltig finanzieren
2018 startete die Regierung eine Strategie, um die Kaffeeproduktion bis 2024 auf 10’000 Tonnen zu steigern. Der Plan erfordert Investitionen in Höhe von 60 Millionen US-Dollar über einen Zeitraum von fünf Jahren.
So sollen bestehende Kaffeefarmen erhalten bleiben und neue Plantagen im Umfang von 4700 Hektar angelegt werden. Ausserdem will die Regierung ein nachhaltiges Finanzierungsmodell für den Kaffeeanbau entwickeln.
Die Situation der Kleinbauern und -bäuerinnen habe sich verbessert, es werde wieder mehr Kaffee angebaut, sagt Abraham Mutsenura, ein Agronom der Regierung für den Distrikt Mutasa.
Aber die Industrie könne sowohl die Qualität als auch die Quantität der Bohnen noch verbessern. Die Jahresproduktion sei immer noch nur ein Bruchteil von früher. Die Regierung fördere jetzt lieber strategisch wichtigere Kulturen wie Mais, Getreide oder Soja.
Ohne ausreichende staatliche Unterstützung stehen die Bäuerinnen und Bauern weiterhin vor grossen Herausforderungen. Die Entwicklung der Region hängt von Nespresso ab. Andere lokale Initiativen gibt es nicht.
«Die Nespresso-Initiative hat zu einigen positiven Veränderungen in der Landwirtschaft geführt, aber der Marktpreis für die Bohnen muss ständig überprüft werden, damit er den Produktionskosten entspricht», sagt er. Die Kosten für Chemikalien und Dünger steigen von Saison zu Saison. 2022 kostete ein Sack Ammoniumnitrat 94 Dollar (84 Franken), 2021 waren es noch 55 Dollar (49 Franken).
Muganyura fügt hinzu, dass Nespresso seiner Meinung nach mehr tun kann, um die lokale Landwirtschaft zu unterstützen. Dazu gehörten auch weitere Anreize zur Vergrösserung der bewirtschafteten Flächen.
Darüber hinaus sollten den Kaffeebetrieben mehr Ressourcen wie Saatgut und Düngemittel zur Verfügung gestellt werden. Er betonte auch die Bedeutung von Investitionen in Bewässerungssysteme in den wichtigsten Kaffeeanbaugebieten des Landes.
«Eine starke Markt- und Lieferbeziehung ist der Schlüssel für die gegenseitige Nachhaltigkeit auf dem mittel- bis langfristigen Weg [zwischen] Nespresso und Technoserve [und] den Kleinbetrieben», sagt Muganyura.
Delphine Bourseau, Global Public Relations Manager bei Nespresso SA, räumt ein, dass die Initiative einige Risiken berge. «Das Projekt ‹Reviving Origins› ist ein langfristiges Programm, das darauf abzielt, verschiedene lokale Herausforderungen zu überwinden, die in der Vergangenheit die Kaffeeproduktion beeinträchtigt haben», sagt sie gegenüber SWI swissinfo.ch.
«Jedes Gebiet wurde speziell ausgewählt, weil es unter ökologischen, sozialen oder wirtschaftlichen Faktoren litt, die zu einem drastischen Rückgang der Kaffeeproduktion in dieser Region führten», so Bourseau.
«Aufgrund der unterschiedlichen Umstände, die diese Gemeinschaften betreffen, erfordert jeder ‹Reviving Origins›-Kaffee einen massgeschneiderten Ansatz, und wir konzentrieren uns darauf, über einen längeren Zeitraum in eine kleinere Anzahl von Gemeinschaften zu investieren. Aufgrund der Komplexität dieser Projekte kann es jedoch schwierig sein, genau zu garantieren, wann wir Ergebnisse haben und wie die aussehen werden.»
Zur Unsicherheit der Bäuerinnen und Bauern trägt auch die gesetzliche Verpflichtung bei, einen bestimmten Prozentsatz ihrer Einnahmen an die Reserve Bank of Zimbabwe abzugeben.
In den Jahren 2019 und 2020 hat die Regierung 20% der Einnahmen der Betriebe eingezogen. Im Jahr 2022 wurde die Schwelle auf 40% Prozent angehoben. Nach einer Gegenreaktion der Bäuerinnen und Bauern könnte der Prozentsatz für 2023 auf 25% fixiert werden.
Edward Dune, ehemaliger Vizepräsident der «Zimbabwe National Farmers Union», sieht kein Problem darin, dass die Regierung den Kaffeeanbau nicht wie andere Kulturen unterstützt. Die Kaffeebetriebe hätten die Möglichkeit, kommerzielle Kredite von Finanzinstituten zu erhalten. Er schlägt auch vor, dass Nespresso eine grössere Rolle spielen könnte.
«Die Rolle der Regierung besteht im Wesentlichen in der Politikentwicklung. Und wenn sie etwas für die Strategie und die Verbesserung der Produktivität entlang der Wertschöpfungskette getan hat, dann hat sie mehr als genug getan», sagt er.
Caleb Mahoya, Direktor des Kaffeeforschungsinstituts in der südöstlichen Stadt Chipinge, sagt gegenüber SWI swissinfo.ch, dass die Regierung den Plan umsetze. Es sei aber noch zu früh, um zu sagen, ob die Wachstumsprognosen erfüllt würden.
«Wir werden erst nach dieser und der nächsten Saison wissen, ob wir das Ziel erreichen», sagt er. «Jedes Jahr stossen neue Bäuerinnen und Bauern dazu, und sie werden uns helfen, das Ziel zu erreichen.»
Editiert von Virginie Mangin, Übertragung aus dem Englischen: Christian Raaflaub
Übertragung aus dem Englischen: Christian Raaflaub
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