Die Schweiz in der Welt: Wie viel Kredit hat sie verspielt?
Hier erfahren Sie, mit welchen Haltungen die Schweiz die Welt überrascht oder wie es um Schweizer Positionen zu globalen Themen steht. In Teils abgelegenen Winkeln der Welt schreibt die Schweiz aber auch kleine, nicht minder erstaunliche Geschichten.
Die Schweiz bedeckt gerade mal 0.008% der Erdoberfläche. Umso erstaunlicher ist es, dass sie in der Welt regelmässig zu reden gibt. Verantwortlich dafür sind nicht nur die über 800’000 Ausland-Schweizer:innen. Die Schweiz ist auch wirtschaftlich und durch die vielen internationalen Organisationen mit der Welt eng verbunden.
Aufs Wesentliche reduziert: Die Schweiz in der Welt
Aktuell scheint der Ruf der Schweiz in der Welt ziemlich ramponiert zu sein. Im Fokus stehen vor allem die Misswirtschaft bei der Credit Suisse und der Widerspruch, dass die Schweiz im Nahen Osten Waffen an Kriegsparteien liefert, dasselbe jedoch im Ukraine-Krieg verhindert.
Als ob dies noch nicht genug wäre, sieht sich die Schweiz bald gezwungen, der Welt erklären zu müssen, weshalb sie im Winter trotz ausbleibendem SchneeExterner Link eine Reise wert ist.
Durch den fehlenden Schnee ist noch etwas anderes in Gefahr, wofür die Welt die Schweiz beneidet: Der hohe Anteil an erneuerbarer Energie. Ohne die alljährliche Schneeschmelze drohen die Stauseen in den Alpen zu versiegen.
Kann die Schweiz neben all dem wenigstens mit dem Einsitz im UNO-Sicherheitsrat punkten? Für ein endgültiges Fazit ist es noch zu früh. Die ersten Eindrücke sind zwiespältig – was jedoch auch dem Konstrukt des wichtigsten UNO-Gremiums geschuldet ist.
In den kommenden Monaten und Jahren könnten zwei Menschen mit Schweizer Wurzeln in zwei Nachbarländern für Furore sorgen: Elly Schlein führt neuerdings die linke Oppositionspartei in Italien an und der kantige Theatermann Milo Rau hat die Intendanz der Wiener Festwochen übernommen.
In ausgewählten Spotlights: Die Schweiz in der Welt
Russland: Kriegsverbrechertribunal und Föderalismus
Die Schweiz beherbergt viele gescheite Köpfe und treibt zuweilen den Föderalismus auf die Spitze. Beides kann für Dritte eine Gefahr oder ein Gewinn sein.
Kurz nach unserer Serie zu Kriegsverbrechen in der Ukraine war www.swissinfo.ch in Russland nicht mehr abrufbar. In dieser Serie nehmen verschiedene Expert:innen – vor allem solche aus der Schweiz – die Kriegsverbrechen in der Ukraine unter die Lupe. Dabei wird eine mögliche Rolle der Schweiz thematisiert, die zu den wenigen Staaten zählt, die internationale Verbrechen vor ihren eigenen Gerichten nach dem Prinzip der «universellen Gerichtsbarkeit» verfolgen kann. So wurde beispielsweise 2021 der ehemaligen liberianischen Rebellenführer Alieu Kosiah wegen Kriegsverbrechen zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt.
Das Schweizer Newsportal Blick publizierte letzthin ein längeres Interview mit Michael Chodorkowski, das wir bei SWI swissinfo.ch in diversen Sprachen übernehmen durften. Dabei skizziert der Gegner von Putin, der vorübergehend in der Schweiz lebte, wie ein Russland mit gestärkten Regionen nach Schweizer Vorbild mit den souveränen Kantonen aussehen könnte.
Serie: Kriegsverbrechen in der Ukraine
- Internationale Verbrechen und der Ukraine-Krieg
- Carla Del Ponte: «Putin ist ein Kriegsverbrecher»
- Beth Van Schaack: «Der Ukrainekrieg schreit nach Gerechtigkeit»
- Philippe Currat: «Eine Verurteilung Putins ist Wunschdenken»
- François Zimeray: «Ein Kriegsverbrechertribunal ist wünschenswert»
- «Russland verletzt permanent die Völkermordkonvention»
USA: Zwei Sargnägel für die Credit Suisse
Die hellen Lichter der Wall Street lockten die Credit Suisse wie keine andere Schweizer Bank. Es ist deshalb eine Ironie des Schicksals, dass einer der letzten Nägel in den Sarg der Credit Suisse von den Vereinigten Staaten aus eingeschlagen wurde.
Rund 5 Milliarden Franken hat die CS verloren, weil sich der in New York ansässige Hedge-Fonds Archegos verspekulierte. Die CS ist nicht die einzige BankExterner Link, die einen Schaden von den riskanten Geschäften des Kunden davon trug – aber sie hat den grössten Verlust erlittenExterner Link.
Im Zuge dessen geriet die Credit Suisse immer tiefer in die Krise, bis sie im März diesen Jahres täglich mehr als 10 Milliarden Franken an Geldern wohlhabender Kund:innen verlor. Dieser Geldabfluss konnte auch nicht von den Garantien der Nationalbank gestoppt werden. Und weil die US-Aufsichtsbehörden im selben Zeitraum die Kontrolle über die Silicon Valley Bank übernehmen musste, stieg der Druck auf die die Schweizer Regierung – vor allem auch aus den Vereinigten Staaten – das angeschlagene Unternehmen vor dem Konkurs zu retten.
Der Krimi zur potentiellen Rettung der Credit Suisse
Australien: Schweizer Bürgerrecht an Adoptierte?
Cate Riley, in Australien geborene Tochter von Schweizer Eltern, wurde in den Siebzigerjahren von einer australischen Familie adoptiert. Jetzt will sie rechtlich als Schweizerin anerkannt werden. Doch ganz so einfach ist dieses Unterfangen nicht.
Bis in die Neunziger-Jahre wurden in Australien die Adoptions-Akten geheim gehalten. Die anschliessende Recherche wurde für Riley zur Odyssee – obwohl sie in Australien geboren wurde. Der Hintergrund dazu: In den Siebziger-Jahren drängten die Behörden ledige Frauen dazu, ihre Babys zur Adoption freizugeben. Die Gesellschaft sprach ihnen die Fähigkeit ab, allein für ihr Kind zu sorgen. So auch die Schweizer Mutter von Cate Riley, die in Australien alleingestellt schwanger wurde.
Nach fünf Jahren Suche fand Riley ihre leibliche Mutter schliesslich.
Rechtlich ist es so, dass ein Kind, das von einem Schweizer Elternteil im Ausland geboren wurde und eine andere Nationalität hat, im Alter von 25 Jahren automatisch den schweizerischen Pass verliert.
Riley schöpft nun trotzdem noch Hoffnung. Nach jahrelanger Recherche hat die inzwischen 52-jährige Riley mit ihrem Anwalt jemanden gefunden, der sie auf ihrer Mission «Schweizer Bürgerrecht» unterstützt.
Eine Schweizerin ohne Schweizer Pass
Nigeria: Wahlbeobachtung und Kulturgüter-Rückgabe
Nigeria ist in Vielem das Gegenteil der Schweiz. Das Land ist gross und vor allem jung.
Umso spannender ist es, wie eine Frau aus der nigerianischen Diaspora, die in der Schweiz lebt und forscht, die Gesellschaft und Politik in ihrem Heimatland beurteilt. Vor diesem Hintergrund erhält die Kritik auch eine viel grössere Legitimation, als wenn hiesige Expert:innen ihr Urteil abgeben.
Effektiv gefordert ist die Schweiz hinsichtlich kolonialer Raubkunst, die unter anderem aus Nigeria stammt. Laut einem Bericht der «Benin Initiative Schweiz» ist die Hälfte aller Benin-Bronzen in Schweizer Museen zweifelhafter Herkunft. Sie sollen bald wieder in Nigerias Besitz übergehen.
Mit dem Angebot für Dialog und Kooperation spielen jedoch viele Museen auf Zeit. Gleichzeitig steht die Frage im Raum, ob mit der simplen Rückgabe der Raubkunst-Objekte quasi die Schuld gesühnt ist. Gemäss Abba Tijani, Generaldirektor der Nationalen Kommission für Museen und Monumente in Nigeria, soll mit der Rückgabe kein Vakuum entstehen, sondern weiter kooperiert werden.
China: eingeschränkte Pressefreiheit
Im Gegensatz zu den meisten angelsächsischen Medienunternehmen haben Schweizer Medien immer noch Auslandkorrespondent:innen in China. «Als Vertreter der Schweizer Medien geniesse ich nach wie vor ein relativ hohes Ansehen. Das mag mit der Neutralität der Schweiz zu tun haben», sagt NZZ-Korrespondent Matthias Kamp. «Heute fragt man sich jedoch wirklich, ob es nicht besser wäre, von einem anderen Ort als Peking aus zu arbeiten. Hier sind alle nervös und ängstlich. Meine Anfragen für Interviews werden einfach nicht mehr beantwortet.» Die meisten anderen Korrespondent:innen berichten deshalb inzwischen aus Taiwan über China und Ostasien.
Wir bei SWI swissinfo.ch führen im Prinzip ein umgekehrtes Korrespondent:innen-Netzwerk. Bei uns in Bern arbeiten neben anderen vier chinesisch-stämmige Journalist:innen, die in ihrer -Sprache über die Schweiz ins Ausland berichten. Was in unserer Berichterstattung jedoch beachtet werden muss: Weil unsere Webseite in China kaum geladen werden kann, werden mit unserer Berichterstattung vornehmlich chinesisch-sprechende Menschen ausserhalb Chinas angesprochen.
Ein Augenschein in Taipeh
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