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Wie weit ist die Branche mit ethischem Gold? Eine Schweizer Firma stellt sich kitischen Fragen

Das geschmolzene Metall wird aus einer glühenden Form in rechteckige Formen gegossen.
Geburt eines Goldbarrens: Das geschmolzene Metall wird in rechteckige Formen gegossen. Vera Leysinger/SWI swissinfo.ch

Die Schweiz ist das Zentrum des internationalen Goldhandels, einem Sektor mit notorisch schlechter Umwelt- und Menschenrechtsbilanz. Was sagt die Branche zu Todesfällen in Minen wie im Mai in Peru? Ein Gespräch mit Antoine de Montmollin, CEO von Metalor.

Die Raffinerie von Metalor in der westschweizerischen Stadt Marin wirkt mit ihrer Wellblechfassade unscheinbar wie ein riesiger grauer Hangar. Doch die Sammlung von Luxusautos, die draussen auf dem Parkplatz stehen und die Hightech-Sicherheitskontrollen am Eingang lassen erahnen, was für ein enormer Reichtum sich im Inneren verbirgt.

Die Sicherheitsprotokolle ähneln denen eines Flughafens oder eines Gefängnisses: Schmuck und Telefone werden beim Einlass kontrolliert, und auf dem Weg zu den Schmelzkammern und den makellosen Labors sind Körperscans und Kontrollen der persönlichen Gegenstände ein obligatorisches Ritual.

Gegründet wurde dieses Juweil der Goldindustrie im Kanton Neuenburg 1852, heute ist sie im Besitz der Muttergesellschaft von Metalor, Tanaka Kikinzoku, einem japanischen Familienunternehmen.

CEO Antoine de Montmollin führt uns durch die Geschichte der Firma sowie durch die technischen Aspekte des Schmelzens von Edelmetallen. Säcke mit unreinem Gold und Silber stehen am Anfang eines komplexen Prozesses, bei dem Goldbarren mit einem Reinheitsgrad von 999,9‰ und Metallringe hergestellt werden, gedacht für Banken und Uhrmacher. Die Raffinerie hat eine Kapazität von 800 Tonnen Edelmetallen pro Jahr.

Grauer Bürobau mit angrenzender Industriehalle in ländlicher Umgebung
Der Standort von Metalor Technologies SA in Marin-Epagnier in der Schweiz. Vera Leysinger/SWI swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch: Wie stellen Sie sicher, dass das Gold, das Sie erhalten, aus legitimen Quellen stammt?

Antoine de Montmollin: Wir haben sehr strenge und robuste Sorgfaltspflichten. Wir versuchen, so nah wie möglich an den Kunden und an den Goldlieferanten zu sein, um sicherzustellen, dass das Gold aus einem legitimen Land stammt.

KYC, know your customer [Kenne deinen Kunden, Anm. d. Red.], ist sehr wichtig für uns. Wir arbeiten direkt mit Minen zusammen, so dass wir überprüfen und sicherstellen können, dass das Gold auch wirklich von dort kommt.

Wir machen keine Kompromisse. Wenn wir irgendwelche Zweifel an einem Goldlieferanten haben, beenden wir die Geschäftsbeziehung.

Metalor hat kein Gold aus dem Amazonasgebiet und wir arbeiten nicht mehr mit Russland zusammen. Gold, das wir nicht zurückverfolgen können, nehmen wir nicht an.

Wir nehmen zum Beispiel kein Gold aus Dubai an. Wir meiden Zwischenhändler wie Sammler aus dem handwerklichen Bergbau, weil man auch dieses Gold nicht zurückverfolgen kann.

Metalor hat zudem zusammen mit der Universität Lausanne ein eigenes Rückverfolgbarkeitstool entwickelt. Und wir unterziehen uns jedes Jahr vier Audits: durch die London Bullion Market Association, den Responsible Jewellery Council, den London Platinum and Palladium Market und durch die Schweizer Behörden.

Sie wählen mindestens 30-40 Goldlieferanten aus, gehen die Unterlagen durch und stellen sicher, dass alle Dokumente vollständig sind. Sie überprüfen auch die Transaktionen.

Wie stellen Sie sicher, dass in diesen Minen, mit denen Sie zusammenarbeiten, die Arbeits- und Umweltbedingungen einwandfrei sind und es keine Menschenrechtsverletzungen gibt?

Die 20 bis 25 Minen, mit denen wir zusammenarbeiten, liegen hauptsächlich in Afria. Es sind alles Industrieminen, die zu grossen Unternehmen gehören, denen ihr Image sehr wichtig ist, denn sie sind börsennotiert und haben entsprechend sehr strenge Richtlinien.

Wir arbeiten eng mit ihnen zusammen und sind überzeugt, dass sie das Richtige tun. Mindestens einmal im Jahr besuchen wir sie und besprechen alle möglichen Probleme.

Wir sind sicher, dass alle unsere Lieferanten von Gold aus industriellen Minen die Umwelt und die Menschenrechte respektieren.

Antoine de Montmollin im blauen Arbeitskittel in einer Industriehalle
CEO Antoine de Montmollin führte SWI swissinfo.ch durch die Produktionsanlagen von Metalor. Vera Leysinger/SWI swissinfo.ch

Sie haben mit dem Kleinbergbau gemischte Erfahrungen gemacht. Haben sich in Afrika und Südamerika aus diesem Sektor zurückgezogen, sind aber in Peru wieder aktiv geworden. Worin besteht die Herausforderung?

Der Sektor ist für uns eine grosse Herausforderung. Metalor kann nicht die gesamte Rückverfolgbarkeit und Lieferkette des Kleinbergbaus selbst kontrollieren. Wir brauchen lokale Unterstützung, entweder von NGOs oder den örtlichen Behörden. Nur so können wir das Ziel erreichen, die Bedingungen im Kleinbergbau zu verbessern.

2014 haben wir uns aus Afrika zurückgezogen, weil wir die Lieferkette nicht kontrollieren konnten. Aus demselben Grund haben wir 2019 den Kleinbergbau in Südamerika eingestellt. Jetzt haben wir ein gutes Projekt mit der Swiss Better Gold Association in Peru, und ich glaube, dass dies ein Weg ist, um in Zukunft zu arbeiten: immer in Zusammenarbeit mit einer NGO oder lokalen Regierungen.

Kleinbergbau, auf Englisch artisanal and small-scale mining (ASM), bezeichnet eine Bandbreite von Tätigkeiten, die von Einzelpersonen, die ihren Lebensunterhalt auf eigene Faust verdienen, bis hin zu formelleren und regulierten Kleinbetrieben, die Mineralien kommerziell fördern, ausgeführt werden.

In diesem informellen Wirtschaftssektor sind nach Angaben der Weltbank weltweit 40 Millionen Menschen beschäftigt, davon 10 Millionen in Afrika südlich der Sahara. Einige Länder unterscheiden zwischen «handwerklichem Bergbau», der rein manuell und in sehr kleinem Massstab betrieben wird, und «Kleinbergbau», der teilweise mechanisiert ist und in grösserem Massstab betrieben wird.

Einige Staaten bemühen sich um eine Reguierung des handwerklichen Bergbaus, der – aufgrund der Verwendung von Quecksilber, das zur Goldgewinnung aus dem Erz verwendet wird – mit Umwelt- und Gesundheitsproblemen einhergeht und ausserdem mit Entwaldung und Menschen-/Arbeitsrechtsverletzungen in Verbindung gebracht wird.

Die Schweiz unterstützt diese Bemühungen im Rahmen der Swiss Better Gold InitiativeExterner Link, einer Public Private Partnership zur Förderung von Gold aus verantwortungsvoll betriebenen handwerklichen und kleinen Minen in Peru, Bolivien, Kolumbien und Brasilien.

Im Mai kamen bei einem Grubenunglück beim Projekt in Peru 27 Menschen ums Leben. Wissen Sie, was genau passiert ist und was das für die dessen Zukunft bedeutet?

Es ist ein tragischer Unfall und es ist schwierig, die richtigen Worte zu finden, um eine solche Tragödie zu beschreiben. Ich denke, dass es jetzt wichtig ist, die genaue Ursache des Unfalls zu ermitteln.

Wenn wir den Grund kennen, werden wir daraus unsere Lehren ziehen und dafür sorgen, dass sich so etwas nicht wiederholt.

Ziehen Sie in Betracht, mit dem Kleinbergbau in weiteren Teilen der Welt zusammenzuarbeiten? Was spricht dafür, dies zu tun?

Ja, wenn wir eine gute Partnerschaft und ein gutes Projekt haben.

Für Metalor gibt es allerdings keinen Business Case. Das ASM-Material muss getrennt und in separaten Chargen raffiniert werden, damit wir die vollständige Rückverfolgbarkeit gewährleisten können, um es später auf dem Markt mit der Angabe verkaufen zu können, dass das Gold aus dieser bestimmten Mine stammt.

Das ist eine Menge Arbeit. Man muss den Reaktor jedes Mal reinigen. Und dann muss der Endkäufer noch eine Prämie zahlen, von der ein Teil wieder in Projekte zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Mine fliesst.

Es ist nicht einfach, jemanden zu finden, der bereit ist, dieses Gold mit einer Prämie zu kaufen. Sobald man eine Prämie verlangt, neigen die Leute dazu, nicht zu kaufen, es sei denn, man hat einen Kunden, der glaubt, dass es Sinn macht und es für einen guten Zweck ist.

Wir sprechen hier von ein paar Franken pro Kilo. Wenn man sich den Preis für ein Kilo Gold ansieht, der zwischen 50’000 und 55’000 Franken liegt, kann man die Frage aufwerfen: Was sind da ein paar Franken mehr?

Die Prämie beträgt 1 CHF pro Gramm. Das sind also 1000 CHF pro Kilo, und 70% davon, also 700 CHF, gehen an die Mine zurück, um soziale und ökologische Projekte zu unterstützen, 15% werden in technische Hilfe investiert. Das ist kein riesiger Betrag. Ich glaube, dass die Uhrmacher [die Gold verwenden, Anm. d. Red.] das langsam begreifen.

Es gibt zwar einige Fortschritte, aber es ist eine tägliche Herausforderung, dieses Gold zu verkaufen. Für Metalor ist das wirtschaftlich absolut kein Gewinn.

Wie würden Sie die Swiss Better Gold Initiative beschreiben: Wo war diese erfolgreich, wo ist sie gescheitert oder blieb etwas schuldig?

Die Idee ist grossartig. Und die Unterstützung vom Bund, durch das Staatssekretariats für Wirtschaft, ist auch gut. Das Problem ist, dass wir mehr Mittel, mehr Personal brauchen, um zu kontrollieren, was vor Ort passiert. Nehmen wir das Beispiel von Yanaquihua [Mine in Peru, Anm. d. Red.]: Hier geht es um 300 handwerkliche Bergleute. Es erfordert also eine Menge Ressourcen, um alle Kontrollen durchzuführen und sicherzustellen, dass alles in Ordnung ist.

Normalerweise werden in Yanaquihua etwa 1 bis 1,5 Tonnen Gold pro Jahr gefördert. Als wir vor etwa drei Jahren mit dem Projekt begannen, konnten wir keine Käufer für das Gold finden. Es gab absolut kein Interesse. Jetzt können wir das gesamte Gold verkaufen. Käuferinnen sind die UBS und Schweizer Luxusmarken.

Welche Rolle müssen die Konsument:innen bei der Förderung der Nachfrage nach ethischem Gold spielen?

Wenn Sie in ein Juweliergeschäft oder ein Uhrengeschäft gehen und die Verkäufer:innen fragen: Wie viele Leute fragten, woher das Gold kommt, ist die Antwort: Niemand fragt. Ich denke, die Verbraucherinnen und Verbraucher sollten die Frage stellen, woher das Gold kommt. Ihnen kommt eine Schlüsselrolle zu.

Gold ist eines der begehrtesten Metalle der Welt. Seit Tausenden von Jahren ist es ein Wertaufbewahrungsmittel und ein Symbol für Reichtum, was sich in seiner weit verbreiteten Verwendung als Schmuck zeigt.

Seit Jahrhunderten ist es ein wichtiger Bestandteil der Finanzreserven der Nationen. Es wird auf den Finanzmärkten gehandelt, als Absicherung gegen die Inflation und sogar zur Umgehung von Sanktionen verwendet. 

Die Konsument:innen haben mehr Gold in ihrem Haushalt, als ihnen bewusst ist. Das Edelmetall findet sich nicht nur in Eheringen, sondern auch in alltäglichen elektronischen Geräten wie iPhones, Laptops und Computern. Es wird zudem in der Medizin-, Automobil- und Raumfahrtindustrie verwendet.

Wann werden wir auf der Metalor-Website eine Weltkarte mit Stecknadeln sehen, für jedes Bergwerk, das mit Ihnen zusammenarbeitet?

Was ich sagen kann, ist: Dieser Zeitpunkt wird kommen. Wir befinden uns in einer Welt der Transparenz. Nicht nur in der Goldindustrie, sondern ganz allgemein. Die Menschen wollen Transparenz. Und ich denke, dass wir uns in der Goldindustrie auf mehr Transparenz zubewegen müssen.

Wenn es nur nach mir ginge, hätte ich absolut kein Problem damit, alle Minen, die wir in der Welt haben, sichtbar zu machen, denn wir haben absolut nichts zu verbergen. Es gibt kein einziges Problem mit einer einzigen Mine.

Das Problem ist, dass die Liste dieser Minen eine Liste unserer Kundinnen und Kunden wäre. Im Grunde geht es also um das, was wir auf Französisch «secret d’affaires» [Geschäftsgeheimnis, Anm. d. Red.] nennen.

Der Wettbewerb ist sehr hart. Wenn Sie die Liste all Ihrer Minen an Ihre Konkurrenz weitergeben, wird diese mehr als glücklich sein, sich dieses Geschäft unter den Nagel zu reissen.

Wo sehen Sie die Zukunft von Metalor? 

Bei Gold und Silber sind die Gewinnspannen definitiv sehr gering.  Es ist wirtschaftlich sehr schwierig. Die Strategie besteht also darin, sich mehr auf das zu konzentrieren, was wir PGM [Platinum Group Metals, Anm. d. Red.] nennen.

Hier können wir Produkte mit einer höheren Gewinnspanne herstellen. Wir liefern Katalysatoren auf Palladiumbasis [für die Wasserstofferzeugung, Anm. d. Red.] an die Pharmaindustrie und entwickeln verschiedene Arten von Katalysatoren.

Tanaka ist sehr kompetent im Bereich der Brennstoffzellen. Sie stellen diese in Japan her. Und die Idee ist, auch in der Schweiz Brennstoffzellen für den europäischen Markt zu entwickeln. Das ist die zukünftige Ausrichtung von Metalor.

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