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Wie wettbewerbsfähig sind Rankings?

Ranglisten berücksichtigen viele, aber nicht alle Kriterien. AFP

Die vom IMD jährlich erstellten Ranglisten zur Wettbewerbsfähigkeit der Nationen gelten als Indikatoren für den Wohlstand im jeweiligen Land. Dass allerdings eine Grossmacht wie China nicht unter den ersten zehn figuriert, wirft bei verschiedenen Experten Fragen zur Aussagekraft dieser Rankings auf.

Die seit 25 Jahren vom in der Schweiz beheimateten IMD erstellten Länder-Rankings sind weltweit zu einer begehrten Auszeichnung geworden und mit den Oscars in der Filmwelt vergleichbar. Eine bessere Platzierung kann Unternehmen davon überzeugen, in einem Land zu investieren.

Simon Evenett, Professor für internationalen Handel an der Universität St. Gallen, mahnt zur Vorsicht beim Betrachten von Rankings: «Man ist sich nicht einig, welche Faktoren zur Bestimmung der Wettbewerbsfähigkeit zu berücksichtigen sind. Mit dem IMD-Ranking erhalten Sie einen Blick auf eine Art der Messung der Wettbewerbsfähigkeit, mit der andere Leute nicht unbedingt einverstanden sind», sagte er gegenüber swissinfo.ch.

Seit ihren Anfängen ist die Rangliste der Business Schule ständig erweitert worden. 1989 umfasste sie 32 Länder, heute sind 60 Länder darin enthalten. Die Liste berücksichtigt 333 Kriterien. Zwei Drittel basieren auf Daten von internationalen Organisationen und privaten Institutionen, ein Drittel stammt aus Geschäftsprüfungen.

USA an der Spitze

«Zu dieser Zeit dachten alle an die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen», erklärte Stephane Garelli, der Direktor und Gründer des «IMD World Competitiveness Center». «Das Konzept der Wettbewerbsfähigkeit der Länder hatte sich noch nicht etabliert.» Das IMD definiere die Wettbewerbsfähigkeit als «Werkzeug für den Erfolg», so Garelli. «Es geht darum, wie Länder sich organisieren, um zu mehr Wohlstand zu gelangen.»

In den vergangenen Jahren haben die Kräfte der Globalisierung die Geschäftswelt dramatisch verändert. Insbesondere die Schwellenländer haben stark an Bedeutung gewonnen. Das IMD berücksichtigt diesen Wandel seit 1997 in seinen Rankings, indem es die Schwellenländer in die Liste integrierte, statt eine separate Liste zu führen.

Dennoch dominieren die entwickelten Länder nach wie vor die Ranglisten. Die USA sind 2013 genauso an der Spitze, wie sie es bereits 1997 waren. Europäische Länder wie die Schweiz, Norwegen, die Niederlande und Grossbritannien sind unter den ersten 20.

Das Center widmet sich seit 1989 der Untersuchung der weltweiten Wettbewerbsfähigkeit und publiziert das IMD World Competitiveness Yearbook mit einem internationalen Vergleich der Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften.

Außerdem veröffentlicht es Berichte zu länder- und regionenspezifische Wettbewerbsfähigkeit und organisiert Workshops zum Thema Wettbewerbsfähigkeit.

Das Center gehört zum International Institute for Management (IMD), einer privaten Wirtschaftshochschule mit Sitz in Lausanne

Mehr Wachstum

Die starken Positionen dieser Länder reflektieren laut dem IMD den starken Finanzsektor und die technologischen Innovationen in den USA, währendem die europäischen Länder ihre Positionen der Diversifikation und der starken Exportorientierung verdanken.

China ist seit 1997 von Rang 27 auf Rang 21 aufgestiegen. Russland stieg von Rang 46 auf 43, währendem Brasilien von Rang 34 auf Rang 51 abgestiegen ist.

Bei den Wachstumsperspektiven ist die Situation anders. Der Chefökonom der kanadischen Scotiabank geht in seinen Voraussagen davon aus, dass die Wachstumsraten in den Schwellenländern dreimal höher sein werden, als in den entwickelten Ländern.

Konsum als Faktor

Würde ein Unternehmen aufgrund solch optimistischer Einschätzungen von einem Investment in China absehen? Kaum, sagen Experten. «Es ist klar, dass solche Rankings lediglich ein Element sind, wenn es um einen solchen Unternehmensentscheid geht», sagte Graham White, Assistenzprofessor an der Universität Sidney gegenüber swissinfo.ch. «Wenn ein Investor darüber nachdenkt, in den wachsenden chinesischen Markt zu investieren, ist das Ranking nicht der entscheidende Faktor.»

Evenett von der Universität St. Gallen weist darauf hin, dass bei Investitionsentscheiden verschiedene Faktoren eine Rolle spielten. «Die Bevölkerungszahl eines Landes und der Konsum sind wichtige Kriterien, die ausländische Investoren interessieren, aber das sind nicht unbedingt Kriterien, die in einem direkten Zusammenhang  mit der Wettbewerbsfähigkeit stehen», sagte Everett mit Blick auf China.

Das asiatische Land ist in der Tat ein attraktiver Wachstums-Markt für Schweizer Firmen. Laut einer Studie des Swiss Centers in Shanghai betrachten mehr als die Hälfte der befragten Schweizer Firmen China als eine der attraktivsten Destinationen für Investitionen.

GPS für Regierungen

Garelli verteidigt das IMD-Ranking und insistiert, dass es mehr sei, als eine PR-Übung für die Regierungen. Wachstum sei lediglich ein Element der Wettbewerbsfähigkeit. Im Falle der USA hebt er die technologischen Innovationen im vergangenen Jahrzehnt hervor und weist auf die Erfolgsgeschichten von Google, Amazon, Apple, und Facebook. Die Rangliste erlaube es den Regierungen, ihr Land zu bewerten und von den Erfolgen anderer Länder zu lernen. Garelli vergleicht das Ranking mit einem GPS in einem Auto. «Es sagt Ihnen, wo Sie sind und wo Sie gewesen sind. Wir helfen den Regierungen, Entscheide zu treffen.»

Schweizerische Standortmarketing-Organisationen halten Rankings für nützlich: «Wir sehen uns die Rankings auch deshalb genau an, weil es Investoren gibt, die genaue Auskunft wollen über Anstellungs- und Entlassungspraktiken oder über die Innovationskraft», sagte Philippe Monnier, Direktor der «Greater Geneva Bern area» gegenüber swissinfo.ch.

(Übersetzung aus dem Englischen: Andreas Keiser)

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