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Zukunft der Privatbanken unter der Lupe

Diskret und edel: Die Schalter der ehemaligen Privatbank Wegelin. Keystone

Mit dem Niedergang der Privatbank Wegelin und dem geplanten Besitzerwechsel bei Pictet und Lombard Odier sinkt die Zahl der von Familien geführten Privatbanken. Nach dem Zweiten Weltkrieg zählte die Schweiz 60 Privatbanken, künftig werden es noch neun sein.

Die Welt der Privatbanken ist im Wandel. Der steile Anstieg der Vermögen in den Schwellenländern steht im Gegensatz zu den volatilen Märkten in Europa und den damit verbundenen sinkenden Einkünften. Gleichzeitig hat der weltweite Feldzug gegen die Steuerflucht dem schweizerischen Bankgeheimnis zugesetzt.

Zahlreiche Beobachter fürchten, dass das Modell der diskreten und exklusiven Privatbank aufgrund der geänderten Verhältnisse in Zukunft gefährdet sein könnte.

Risikoscheu und konservativ

Bei Rahn & Bodmer, der ältesten Privatbank Zürichs, fehlen die dicken Teppiche, die Ölbilder in Goldrahmen und andere Zeichen von Prunk und Reichtum. Hier herrscht eine Atmosphäre der Ruhe und der Verschwiegenheit.

Einer der grossen Trümpfe der Bank ist, dass die fünf beteiligten Partner mit ihrem Privatvermögen für allfällige Verluste haften. Das gilt als Voraussetzung, damit sich ein Banker Privatbanquier nennen darf, ein Titel, der 1997 von der Schweizerischen Privatbankier-Vereinigung urheberrechtlich geschützt worden ist.

«Kunden schätzen es zu wissen, dass die Partner alles daran setzen, um sicherzustellen, dass die Bank keinen Schaden nimmt», sagte Christian Rahn gegenüber swissinfo.ch. «Das führt zu einer risikoscheueren, konservativeren Strategie als bei andern Banken.»

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Die Geschichte holt das Schweizer Privatbanking ein

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Doch die Entwicklung der zu Beginn bescheidenen Finanz-Industrie zu ihrer internationalen Grösse hat auch Schleifspuren hinterlassen, die immer noch ihre Schatten werfen. «Ursprünglich waren alle Banken in Europa Handelsfirmen», sagt Youssef Cassis, Professor für Wirtschaftsgeschichte am European University Institute in Florenz. «Sie fingen mit dem Finanzhandel. Erst später entstanden durch Abspaltungen die Banken.» Die Basler…

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Wegelins Schatten

Bis vor einem Jahr war Rahn & Bodmer die zweitälteste Privatbank der Schweiz. Das änderte sich mit dem Fall von Wegelin, der bislang ältesten Privatbank, die sich für schuldig erklären musste, weil sie über Jahre amerikanischen Bankkunden geholfen hatte, Geld vor dem US-Fiskus zu verstecken.

Die einstmals stolze, 1741 gegründete Privatbank hat ihre Bankenfunktionen eingestellt. Der Schatten Wegelins fällt auch auf andere Banken, die in den USA Probleme mit der Justiz haben. Viele Beobachter stellen auch Abkehr der beiden Schwergewichte der Privatbankenszene, Pictet und Lombard Odier, vom Modell der Privathaftung in einen Zusammenhang mit deren US-Aktivitäten.

Die beiden Banken kündeten kürzlich eine Änderung ihrer Besitzstrukturen an. Konkret sollen sie auf den 1. Januar 2014 in Kommandit-Aktiengesellschaften umgewandelt werden.

Beide Banken verneinen vehement, die geplante Änderung der Rechtsform habe mit dem Druck auf Schweizer Banken aus Übersee zu tun. Sie machen vielmehr geltend, der Wandel erfolge vor allem wegen des starken Wachstums der beiden Institute während der vergangenen Jahre und um die künftige Expansion vor allem im Ausland zu erleichtern.

In der Schweiz gibt es zurzeit 11 Privatbanken, bei denen die Eigentümer mit ihrem Privatvermögen haften.

Auch die Schweizer Grossbanken und in der Schweiz ansässige Auslandbanken sind im Geschäft der weltweiten Vermögensverwaltung aktiv.

Die UBS galt lange Zeit als die weltweit grösste Bank im Bereich Vermögensverwaltung. Seit der Finanzkrise ist die US-Bank Merrill Lynch zusammen mit der Bank of America die grösste Bank in diesem Bereich.

Zwischen den reinen Privatbanken und den Grossbanken positioniert sind die börsenkotierten Institute wie die Bank Julius Bär, Bank Sarasin oder Bank Vontobel.

Laut der Schweizerischen Nationalbank waren Ende 2011 rund 5,3 Billionen Schweizer Franken an Vermögen auf Schweizer Banken gelagert.

Grösse als Faktor

«Sie können es abstreiten, soviel sie wollen, aber ich bin überzeugt, dass der Fall Wegelin bei diesem Entscheid eine Rolle gespielt hat», sagte Martin Schilling, Bankenexperte bei PricewaterhouseCoopers gegenüber swissinfo.ch.

Aus welchen Gründen auch immer: Pictet und Lombard Odier wollen denselben Weg gehen, wie ihn auch die Privatbanken Julius Bär und Vontobel gegangen sind. Die beiden Bankier-Familien wollen die Aktienmehrheit und damit die Kontrolle behalten und sich so zwischen den wenigen verbleibenden Privatbanken und den Universalbanken wie UBS und Credit Suisse positionieren.

Grösse wird laut einer PricewaterhouseCoopers-Studie zum Schweizer Privatbanken-Umfeld in Zukunft ein entscheidender Erfolgs-Faktor sein. Ein relativ kleiner Heimmarkt, ein wegen den neuen Steueregeln reduzierter Zugang zum europäischen und zum US-Markt, sinkende Erträge angesichts der kaum rentierenden Finanzmärkte und steigende Kosten infolge strengerer Regeln, sind die Gründe für die laut der Studie benötigte Grösse.

Szene schrumpft

«Viele Banken glauben, sie könnten auch in Zukunft existieren, wenn es ihnen gelingt, mittels Auslagerung der IT- und Backoffice-Dienstleistungen, die Kosten zu senken», sagte Schilling gegenüber swissinfo.ch. «Kosten senken allein genügt nicht. Banken müssen auf der Einnahmenseite wachsen. Die Kleinen haben nicht genügend Mittel, um ihre Präsenz in neuen Märkten auszubauen.»

Laut einem Bericht der Universität St. Gallen ist die Zahl der Privatbanken in der Schweiz von 169 im Jahr 2008 auf 148 im Jahr 2012 gesunken. Experten erwarten eine weitere Schrumpfung der Szene.

Doch Christian Rahm teilt die Auffassung nicht, wonach kleine Banken ein Auslaufmodell seien. «Es gibt keinerlei zusätzlichen Druck rein wegen der Grösse einer Bank», sagte er gegenüber swissinfo.ch. «Grosse und mittlere Banken sehen sich auch mit steigenden Kosten konfrontiert.»

Die lange Tradition einer Bank sei keine Garantie für den Erfolg, so Rahn. Dennoch habe Rahn & Bodmer dank der grossen Erfahrung auch Vorteile: «Wir hatten in den vergangenen 263 Jahren mit grösseren Problemen zu kämpfen, als heute. Die heutigen Probleme verblassen im Vergleich mit den Problemen während des Zweiten Weltkrieges.»

(Übertragung aus dem Englischen: Andreas Keiser)

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