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CH/Verkauf und Umzonung von Landwirtschaftsboden nimmt zu

Bern (awp/sda) – Immer mehr Private wollen in der Schweiz landwirtschaftlichen Boden oder gar ganze Bauernhöfe erwerben. Prominente Beispiele dafür sind der ehemalige UBS-Chef Marcel Ospel und der ehemalige Chef der Zürcher Flughafenbetreiberin Unique, Josef Felder.
Landwirtschaftlicher Boden ist in der Schweiz knapp. Trotz sinkender Produktepreise besteht weiterhin eine rege Nachfrage. Der Verkauf wird durch das bäuerliche Bodenrecht (BGBB) stark eingeschränkt. Nach diesem Bundesgesetz kann nämlich Landwirtschaftsland nur ein Selbstbewirtschafter kaufen.
Als Selbstbewirtschafter gilt dabei, wer in der Lage ist, das Land zu bewirtschaften und dies auch will. Es muss kein Landwirt mit Fachausweis sein. Für den Bezug von Direktzahlungen braucht es aber eine Ausbildung.
Doch keine Regel ohne Ausnahmen. In den letzten Jahren hat es laut August Köpfli, Verantwortlicher Immobilien beim Schweizerischen Bauernverband, vermehrt Anfragen von Privaten zum Erwerb von Landwirtschaftsland und Bauernhöfen gegeben.
Es habe aber keine Zunahme von Verkäufe an Private gegeben, da nur in Ausnahmefällen an Private verkauft werden könne. Eine Bedrohung wie im Ausland stelle diese Nachfrage daher nicht dar. Das BGBB schütze nach wie vor die Selbstbewirtschafter, stellt Köpfli fest. Handänderungen mit Privaten seien flächenmässig relativ gering.
Hingegen heisst es bei Pro Natura, immer mehr landwirtschaftliche Wohn- und Ökonomiegebäude würden in der Schweiz ihren ursprünglichen Zweck verlieren. Vielerorts erlaubten die Kantone in unkontrollierter Weise die Umnutzung in Wohnbauten, oftmals als Zweitwohnungen. Hier würden die Grundsätze der Raumplanung missachtet und bestehende Gesetze ungenügend vollzogen.
Die breite Öffentlichkeit aufgeschreckt hat Marcel Ospels Alphütte im Waadtland. Der ehemalige UBS-Verwaltungsratspräsident konnte in Rougemont 5,78 Hektaren Landwirtschaftsland und eine Alphütte kaufen. Da keine Offerten von Bauern eingingen, konnte das Grundstück gemäss den waadtländischen Richtlinien zum bäuerlichen Bodenrecht freihändig verkauft werden.
Wenige Kilometer weiter weg, im Kanton Bern, wäre dies nicht möglich gewesen. Nicht mehr von der Landwirtschaft genutzte Gebäude werden hier abparzelliert und können dann von Privaten erworben werden. Das Landwirtschaftsland wird an Landwirte verpachtet oder verkauft.
Dieser Kantönligeist veranlasste den Berner SVP-Nationalrat Erich von Siebenthal zu einer Anfrage an den Bundesrat. In ihrer Antwort erklärte Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, dass der Bundesrat nicht beurteilen könne, ob der Kanton Waadt in diesem Fall rechtmässig gehandelt habe.
Die Sektion Pro Natura Waadt hat im Mai 2009 gegen das Baugesuch zur Erweiterung und zum Umbau von Ospels Chalet eine Einsprache bei der Gemeinde deponiert. Das Baugesuch ist laut Pro Natura immer noch hängig.
Etwas länger zurück liegt der Kauf des ehemaligen Unique-Chefs Josef Felder. Er kaufte sich für 2,81 Mio CHF im Thurgau ein Schloss samt Landwirtschaftsbetrieb mit einigen Hektaren Land. Um den Kauf zu ermöglichen, stimmte das Thurgauer Landwirtschaftsamt auf Antrag der Verkäuferin, der Stadt Zürich, einer Aufteilung des Geländes in zwei Parzellen zu und befreite Schloss und Bauernhof vom bäuerlichen Bodenrecht.
Das Thurgauer Landwirtschaftsamt sprach von «einem Sonderfall eines Sonderfalls». Wenn die Liegenschaft weiter dem bäuerlichen Bodenrecht unterstellt gewesen wäre, hätte sie niemand gekauft und sie würde verfallen.
Nach Angaben des Bundesamtes für Raumentwicklung stehen in der Schweiz 540’000 Gebäude ausserhalb der Bauzonen. Das ist rund ein Viertel des gesamten Bestandes. 150’000 davon sind Gebäude mit Wohnnutzung. Bei den Anderen handelt es sich um unbewohnte Bauten, oft landwirtschaftliche Ökonomiegebäude.
Die Daten aus der Volkszählung 2000 belegen, dass 62% der Wohngebäude ausserhalb der Bauzone von Personen bewohnt werden, die nicht in der Landwirtschaft tätig sind. Bei rund einem Viertel davon handelt es sich um Zweitwohnungen.
Die jüngste Entwicklung mache Pro Natura Sorgen, erklärt Marcus Ulber, Projektleiter Naturschutzpolitik bei Pro Natura auf Anfrage. Zwischen 2001 und 2005 seien in der Schweiz trotz rückläufiger Zahl von Landwirtschaftsbetrieben 3’700 neue Wohngebäude und 6’200 neue Wohnungen ausserhalb der Bauzonen erstellt worden.
Landwirtschaftliches Wohnen im bisherigen rechtlichen Rahmen innerhalb bestehender Gebäude solle zulässig bleiben, neue nichtlandwirtschaftlichen Wohnbauten widersprächen aber der geforderten Trennung von Baugebiet und Nichtbaugebiet. Dasselbe gelte auch für Lockerungen beim nichtlandwirtschaftlichen Nebenbetrieb ohne engen Bezug zum landwirtschaftlichen Gewerbe.
mk

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