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Costa Rica – die «zentralamerikanische Schweiz»

Ist der Kleinstaat Costa Rica die Schweiz von Zentralamerika? Die Folklore von Costa Rica will es so.

Die Verhältnisse zwischen den beiden Ländern sind jedoch komplex. Es eint sie die politische Neutralität, die Frage über den Sinn der Bewaffnung aber trennt sie.

Im ansteckend fröhlichen Volkslied «Linda Costa Rica» heisst es: «So schön ist mein Costa Rica/die Jungfrau der Engel holte es vom Himmel/die Jungfrau fand es wunderbar/sie ging nie mehr zurück in den Himmel/wegen ihrer Schönheit /nennt sie es die zentralamerikanische Schweiz». Soweit die Folklore.

In der Wirklichkeit sind die Verhältnisse zwischen Costa Rica und der Schweiz komplexer. Der Kleinstaat Costa Rica, der zwischen Nicaragua (Norden) und Panama (Süden) liegt, hat turbulente Jahrzehnte hinter sich.

Immer wieder drohten die Folgen der sandinistischen Revolution von 1979 aus Nicaragua auf Costa Rica überzugreifen. So konnte der seit 1948 politisch neutrale Staat nicht verhindern, dass sich die antisandinistischen Söldner (Contras) im Grenzgebiet zwischen Nicaragua und Costa Rica festsetzten.

Zwei neutrale Staaten gehen unterschiedliche Wege

Beobachter sind bis heute davon überzeugt, dass Costa Rica die jahrzehntelangen kriegerischen Auseinandersetzungen in Zentralamerika dank seiner unbewaffneten Neutralität heil überstanden hat.

Die Schweiz wählte in einer vergleichbaren Konfliktsituation einen anderen Weg als Costa Rica. Sie berief sich während des Zweiten Weltkriegs auf ihre bewaffnete Neutralität. Im September 1939 ordnete sie eine allgemeine Mobilmachung an und liess ihre Armee an der Grenze gegen Hitlerdeutschland aufmarschieren.

Obwohl sie im Norden, Osten sowie im Süden von den Achsenmächten umgeben war, wurde sie während des Krieges nicht durch eine Invasion in Mitleidenschaft gezogen. Nach Kriegsende zeigte sich die Schweiz stolz, dem übermächtigen Gegner getrotzt zu haben. Erst in den 1990er-Jahren wurde die Rolle der Schweiz kritischer aufgearbeitet. Einen Image-Schaden erlitt sie insbesondere durch Berichte über nachrichtenlose Vermögen von Nazi-Opfern auf Schweizer Banken.

Friedensprämien: Nobelpreis und Friedensuniversität

Im Gegensatz dazu ging Costa Rica mit seiner waffenlosen Neutralität als Siegerin aus den zentralamerikanischen Wirren hervor. Es gelang dem kleinen Land nicht nur, den Krieg abzuwehren. Oscar Arias, der Staatschef von Costa Rica jener kritischen Jahre, agierte als regionaler Vermittler zwischen den Kriegs- und Konfliktparteien. 1987 erhielt Oscar Arias, der seit vergangenem Jahr erneut Präsident von Costa Rica ist, den Friedens-Nobel-Preis.

Costa Rica ist den Weg der Friedensarbeit konsequent gegangen. Unter dem Mandat der UNO entstand in San José bereits 1980 die Friedensuniversität (Universidad para la Paz).

Die ehemalige Bundesrätin Ruth Dreyfuss ist Kanzlerin dieser Friedensuniversität. In einer Laudatio sagte sie diesen Sommer in San José vor 132 Masterstundenten aus aller Welt: «Am Tag, an dem mein Land entscheidet, seine Armee abzuschaffen, bezeichne ich die Schweiz als Costa Rica von Europa.»

Auch wenn die Schweiz und Costa Rica in der Friedensarbeit getrennte Wege gegangen sind, finden die beiden Kleinstaaten heute auf dem politisch-diplomatischen Parkett zusammen.

Was Kleinstaaten leisten

Die gemeinsame Plattform heisst: «The Small Five». «Dieses Gremium ist eine Interessenvertretung innerhalb der UNO. Ihm gehören nebst der Schweiz und Costa Rica auch Liechtenstein, Jordanien und Singapur an», erklärt Gabriela Nützi Sulpizio, Botschafterin der Schweiz in Costa Rica, gegenüber swissinfo.

«The Small Five versucht, gemeinsame Werte, Ziele und Ideen am UNO-Hauptsitz in New York durchzusetzen. Die Gruppe ist zum Beispiel bei der Reform des UNO-Sicherheitsrates sehr aktiv», fährt Botschafterin Nützi Sulpizio weiter.

Ecomercados

Auch im bilateralen Verhältnis rücken Costa Rica und die Schweiz näher zusammen. Im April 2006 schlossen die beiden Länder einen Vertrag. Die Schweiz verpflichtet sich unter dem Stichwort «Ecomercados», in Costa Rica kleine Gruppen von Biobauern mit 700’000 US-Dollar zu unterstützen.

Bisher erreichen die Exporte von costaricanischen Bioprodukten wie Brombeeren, Kaffee und Gemüse rund 9 Mio. Dollar. «Der Markt für Bioprodukte steigt weltweit um 10% pro Jahr. Dieser Nischenmarkt ist vor allem für arme und kleine Produzenten in Entwicklungsländern viel versprechend», meint Botschafterin Nützi Sulpizio.

In einem weiteren Kleinprojekt setzt sich die Schweiz im Rahmen der Internationalen Organisation für Migration (OIM) in Costa Rica gegen den Frauenhandel ein. Costa Rica gilt als Ursprungs-, Ziel und Transitland im regionalen Frauenhandel.

Erwin Dettling, San José, Costa Rica

1965: Vergleichs-,Gerichts- und Schiedsvertrag

1971: Abkommen über die technische und wissenschaftliche Zusammenarbeit

2000: Abkommen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen

Abkommen über die Aufhebung der Visumspflicht

Zusatzabkommen für die Durchführung des Programms «Ecomercados»

Doppelbesteuerungsabkommen steht vor der Unterzeichnung

2001 13 Mio.
2002 17 Mio.
2003 85 Mio.
2004 38 Mio.
2005 476 Mio.

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