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Costa Rica – die zentralamerikanische Schweiz

Computerkurs-Angebot im Dorf "La Suiza de Turrialba". Melanie Fluri

"Du bist aus der Schweiz? Weisst du, dass Costa Rica die Schweiz Zentralamerikas genannt wird?" Bei meiner Ankunft war ich überrascht, dass die Ticos die Schweiz kennen. Mittlerweile weiss ich, dass sie den Vergleich der beiden Länder gerne erwähnen.

Wenn die Ticos sagen, dass Costa Rica die Schweiz Zentralamerikas ist, so gehe ich davon aus, dass sie etwas über die Schweiz wissen. Dies trifft allerdings in den seltensten Fällen zu.

In Bezug auf die Umgangssprache denken die meisten Befragten, dass in der Schweiz Englisch gesprochen wird. Die vier Landessprachen verwirren die Leute, weil sie automatisch davon ausgehen, dass jeder Schweizer alle vier Sprachen spricht.

Oft werde ich bedauert, wenn ich erwähne, dass die Schweiz ein Land ohne Meer ist. Die Ticos können dies kaum glauben. Für sie ist ein Leben ohne Meer nicht vorstellbar. Schliesslich ist Costa Rica auf der einen Seite vom Pazifik und auf der anderen vom Atlantik umspült.

Die Schweiz – ein Staat in den USA?

In sportlicher Hinsicht ist eines klar: Roger Federer ist auch hier bestens bekannt. In der Zeitung erscheinen regelmässig Neuigkeiten über ihn mit Foto. Andere Informationen aus der Schweiz schaffen es jedoch selten in eine costaricanische Zeitung.

Es passiert häufig, dass die Schweiz (Suiza) mit Schweden (Suecia) verwechselt wird. Ich brauche dann jeweils etwas Ausdauer, um die Gesprächspartner davon zu überzeugen, dass dies zwei verschiedene Länder in Europa sind.

Der Gipfel war jedoch eine Postangestellte, die mich fragte, ob der aufgegebene Brief in die USA geht. Die gute Frau ist davon ausgegangen, dass Suiza ein Bundesstaat der USA ist.

«La Suiza centroamericana»

Ein traditionelles Lied stellt Costa Rica als Schweiz Zentralamerikas dar, weil dieses Land so schön sei (Por ser tan linda Costa Rica la llaman La Suiza centroamericana).

Dies ist auch die häufigste Antwort, die ich auf der Strasse auf folgende Frage erhalte: «Weshalb wird Costa Rica Ihrer Meinung nach die Schweiz Zentralamerikas genannt?»

Viele Leute denken, dass das Lied der Ursprung dieses Vergleichs ist. Andere erwähnen nicht das Lied, verweisen aber auf die Schönheit der Schweiz oder die bergige Landschaft. Süss fand ich einen älteren Herrn, der die Vulkane als Verbindung zwischen den zwei Ländern sieht.

Costa Rica zählt zu den Ländern mit dem höchsten Lebensstandard in Zentral- und Lateinamerika. Das Land hat eine konkurrenzfähige Ökonomie und ist vorbildlich in den Bereichen Sicherheit, Gesundheit und Bildung.

Costa Rica war das erste Land, das per Verfassung die Armee abschaffte, am 8. Mai 1949. Dadurch wollte dieses Land ein Zeichen für den Frieden setzen sowie den Finanzhaushalt neu organisieren. Seither wurde mehr Geld für das Bildungs- und Gesundheitswesen verwendet.

Der relative Wohlstand, die Neutralität und die bergige Landschaft sind allesamt Faktoren, durch die Costa Rica zum Attribut «La Suiza centroamericana» kam.

La Suiza de Turrialba

Nicht nur Costa Rica an sich wird als La Suiza bezeichnet. In der Provinz Cartago gibt es eine Ortschaft, welche La Suiza de Turrialba genannt wird.

Ich kann mich noch gut an den Moment erinnern, als ich zum ersten Mal davon hörte: Ich unterrichtete in San José und erhielt einen neuen Studenten. Beim Vorstellen teilte ich ihm mit, dass ich aus der Schweiz bin. Seine Antwort «Ich auch» deutete ich als Witz. Erst im Nachhinein erklärte er mir, dass er in La Suiza de Turrialba aufgewachsen war.

Vor Kurzem machte ich mich auf, diesen Ort endlich kennen zu lernen. Ich wollte wissen, ob dieses Dorf Gemeinsamkeiten mit der Schweiz aufweist. Die Hinfahrt von San José über Cartago nach Turrialba war so kurvenreich und hügelig, dass ich nur knapp um den Gebrauch der Plastiktüte herumkam.

Vor dem Polizeiposten stieg ich aus und sah mich um. Es war äusserst witzig, überall Schilder mit «La Suiza» zu sehen: Beim Polizeiposten, dem Roten Kreuz, der Klinik, dem Supermarkt, dem Eisenwarenladen, der Drogerie, dem Internetkaffee und dem Milchzentrum. Letzteres erinnerte mich unweigerlich an die Schweiz.

Ansonsten konnte ich nebst der grünen, hügeligen Landschaft und einem Fluss aber keine Ähnlichkeiten feststellen. Ich erlebte La Suiza als kleines, ländliches Dorf mit Einwohnern, die Auswärtigen gerne Auskunft geben.

Beliebte Länder und Heilige

Die Dorfbewohner erklärten mir, dass Schweizer diese Ortschaft gegründet hatten. In der Umgebung gibt es andere Dörfer mit den Namen Kanada und Deutschland.

Ich finde es amüsant, wie viele Ortschaften oder Ortsteile in Costa Rica Namen aus dem Ausland haben: Grecia, Los Angeles, Santo Domingo, Atenas, Esparta, La Argentina und andere mehr.

In der Zona de Los Santos, wo ich für längere Zeit weilte, tragen unzählige Ortschaften Namen von Heiligen: San Marcos, Santa María, San Pablo, San Lorenzo, San Carlos, San Gabriel, Santa Marta, San Antonio, San Gerónimo, San Gerardo, San Isidro. Sie liegen alle im Umkreis von wenigen Kilometern. In Gesellschaft so vieler Heiliger müsste man hier eigentlich heiliggesprochen werden.

Vielleicht fühle ich mich – auch ohne Heiligenschein – deshalb so wohl hier in Zentralamerika, weil Costa Rica eben «La Suiza» ist.

Immer häufiger reisen auch junge Leute für längere Zeit ins Ausland, sei das zum Studieren, Forschen, für ein Stage oder zum Arbeiten.

Zu ihnen gehört auch Melanie Fluri, die zur Zeit in Costa Rica weilt.

Bis im Sommer 2011 berichtet sie für swissinfo.ch über ihre Erfahrungen und Beobachtungen in Costa Rica.

Melanie Fluri ist 1985 geboren und von Beruf Primarlehrerin.

Von 2008-2010 arbeitete sie auf ihrem Beruf in Zuchwil, Kanton Solothurn.

Von Februar 2004 bis Oktober 2005 lebte sie in Costa Rica. Eigentlich kam sie nur für 5 Monate her, um einen Sozialeinsatz in einer Primarschule mit behinderten Kindern zu leisten.

Sie verlängerte ihren Aufenthalt jedoch und arbeitete unter anderem als Freiwillige für das Rote Kreuz und unterrichtete in einer Privatuniversität Englisch.

Seit Juli 2010 ist sie in Costa Rica wieder als Freiwillige in verschiedenen Projekten tätig: So arbeitet sie etwa auf einer Schildkrötenfarm, für kurze Zeit bei der Waldfeuerwehr.


Neben Deutsch spricht sie Spanisch, Französisch und Englisch.

Sie reist, fotografiert und liest gerne und mag Aktivitäten in der Natur.

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