Carlo Chatrian, das neue Gesicht der Piazza Grande
Der italienische Filmkritiker Carlo Chatrian wird künftig die grösste kulturelle Veranstaltung der Schweiz leiten: Er tritt als Direktor des Filmfestivals Locarno die Nachfolge von Olivier Père an, dessen Kündigung vor wenigen Tagen bekannt geworden war.
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swissinfo.ch und Agenturen
Der 1971 geborene Chatrian ist im Tessin kein Unbekannter, war er doch bereits bisher sporadisch für das Filmfestival tätig. So kuratierte er beispielsweise dieses Jahr die Otto-Preminger-Retrospektive. Von 2006 bis 2009 war der Italiener Mitglied der Auswahlkommission.
Seit Beginn der 1990er-Jahre schreibt Chatrian regelmässig für Fachzeitschriften wie Filmcritica, Duellanti oder Cineforum und leitet ausserdem die Publikation Panoramiques, schreiben die Veranstalter des Filmfestivals Locarno in einer Mitteilung. Er ist zudem Autor von mehreren Biographien bekannter Regisseure.
Von 2001 bis 2007 war er Vizedirektor des italienischen Alba Film Festivals. Er gehörte in seiner Karriere auch schon den Auswahlkommissionen des Festivals dei Popoli in Florenz, einer Dokfilm-Veranstaltung, und des Festivals Visions du Réel in Nyon an.
Ivo Kummer, Chef der Sektion Film im Bundesamt für Kultur (BAK), bezeichnete die Ernennung von Carlo Chatrian zum Direktor des Filmfestivals Locarno als «gute Lösung». Die Verantwortlichen hätten in kurzer Frist ein Gesicht gefunden, das «zu Locarno passt».
Zu kurzes Gastspiel
Die Amtszeit von Chatrians Vorgänger Olivier Père sei zu kurz geblieben, bedauerte Kummer. Er hoffe, dass Chatrian das Festival auf längere Zeit hin werde prägen können. Als Norditaliener verfüge der neue Direktor über «kulturelle Bezüge» zur Schweiz.
Einen Experten für das Schweizer Filmschaffen brauche es auf diesem Posten hingegen nicht, so Kummer. «Heimatschutz» für Schweizer Filme wäre in Locarno fehl am Platz. Die einheimischen Werke müssten sich im Gegenteil im internationalen Kontext behaupten können.
Durchlauf-Erhitzer
Der Posten des Festival-Direktors in Locarno hatte sich in den letzten Jahren immer mehr als Sprungbrett für andere Aufgaben in der Film- und Festivalbranche erwiesen: Der Italiener Marco Müller war noch zehn Jahre geblieben, seine Landsfrau Irene Bignardi danach deren fünf, der Romand Frédéric Maire vier – und der Franzose Olivier Père verliess für die Öffentlichkeit völlig überraschend nach nur drei Jahren den Direktorensessel.
Festival-Präsident Marco Solari hofft nun, dass mit Chatrian wieder etwas mehr Kontinuität an die Spitze des Grossanlasses auf der Piazza Grande einkehrt.
Olivier Père 2010-2012
Frédéric Maire 2006-2009
Irene Bignardi 2001-2005
Marco Müller 1991-2000
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