Dominique Ziegler freut sich, widerspenstig zu sein
Der Schriftsteller und Sohn des Schweizer Intellektuellen Jean Ziegler hat ein Talent für politische Kommentare. Bis heute sind vierzehn Theaterstücke und ein Roman von ihm erschienen. Eine Begegnung mit dem ungestümen 46-Jährigen, für den das Schreiben "eine Gesellschaftskritik sein muss", die überall verwendet werden kann.
Jean und Dominique ZieglerExterner Link: Der Vater, der Sohn und der widerspenstige Geist. Jean ist ein Störenfried, der oft wegen seiner Publikationen zuvorderst auf der politischen Bühne auftaucht. Zu seinen bekanntesten Streitschriften gehören «Die Schweiz wäscht weisser», eine unerbittliche Abrechnung mit dem Schweizer Bankensystem.
Dominique steht seinem Erzeuger in nichts nach, ausser dass der rebellische Geist des Sohns sich auf der richtigen Bühne, jener des Theaters, präsentiert. Während sich Jean der Essays bedient, um seine Gedanken auszudrücken, nutzt Dominique die Stimme der Fiktion, um die Inkohärenz der Politikerinnen und Politiker zu zeigen.
Vor allem die westlichen Sozialdemokraten, diese «post-kolonialen Liberalen, die sich tolerant geben, aber immer neue Raffinessen finden, um nicht als das zu erscheinen, was sie sind: eine dominante Klasse», sagt er in theatralischem Ton.
Der CIA, die Indianer und die Weissen
Der junge Ziegler ist redegewandt, und die Gestik passt. Sein Lieblingsthema sind die USA, seines Erachtens Ursache aller Zwistigkeiten. «Sie geben seit ungefähr 150 Jahren in der internationalen Politik weltweit den Ton an. Ihre imperialistische Ausrichtung hat mir nie gefallen», gibt der Autor zu.
Dieses Amerika hat Dominique in zwei seiner Stücke inszeniert: «Opération Métastases» (2004) und «Building USA» (2008). Das erste, ein Agententhriller, weist «auf die Verantwortung des CIA für das Auftauchen Bin Ladens hin». Das zweite handelt von der Jagd auf Indianer, deren Land von den Weissen geraubt wurde. Wir befinden uns im Amerika der Jahre 1880.
Seinen ersten Roman, der im November 2016 unter dem Titel «Les Aventures de Pounif Lopez» (Editions Pierre Philippe) erschien, widmet der Autor den illegalen Einwanderern. Der Buchumschlag ist vom Schweizer Comicautor Zep iIlustriert worden, dessen Zeichnungen den spielerischen Charakter des Werks verraten.
Die Sterne von Hollywood
Pounif Lopez, ein junger Guatemalteke, entflieht der Armut seines Landes und lässt sich heimlich in Los Angeles nieder, um möglichst nahe bei den Sternen …von Hollywood zu sein. Aber der Himmel, den er dort zu berühren versucht, verwandelt sich in eine Hölle.
«Es ist eine Satire mit erfundenen und reellen Abenteuern», sagt Dominique Ziegler. «Ich bin von einer Anekdote ausgegangen, die mir ein Lateinamerikaner einst in einem Bus erzählt hatte. Er erklärte mir sämtliche Taktiken, welche die pendelnden Arbeiter seines Landes einsetzten, um die Grenze zu den USA zu überwinden. Mich interessiert die durch Pounif veräusserte kulturelle Seite, der trotz amerikanischer Repressionen seine Herkunft geringschätzt und weiterhin an den amerikanischen Traum glaubt. Das gleiche Phänomen habe ich bei gewissen Afrikanern beobachten können, die ihre Wurzeln verleugneten, um dem Westen zu gefallen.»
Dominique hat Afrika und Lateinamerika zuerst mit seinen Eltern, später allein durchreist. «Ich kenne ihre komplexen Gesellschaften aus dem Innern.» Seine Erfahrungen hat er auf seinen Reisen mit Rucksack auf der Strasse gesammelt.
«Ich habe nicht Politik studiert, aber das intellektuelle Milieu, in dem ich aufgewachsen bin, hat mir die Sache erleichtert.» Bereits als Jugendlicher erfasste er die gegensätzlichen Sensibilitäten zwischen seinem Schweizer Vater und seiner ägyptischen Mutter. «Ein Reichtum, der es mir oft erlaubte, die nötige Distanz gegenüber den Ereignissen einzunehmen», sagt er.
«Dinosaurier Afrikas»
«N’Dongo revient», heisst das Stück, das er 2002 herausgab. Einstudiert hat er es im Keller eines Genfer Restaurants (wie er es mit allen seinen Stücken macht). Wir waren damals dabei. Eine Handvoll Zuschauer verfolgten amüsiert die Szenen, in denen ein afrikanischer Diktator von einem mächtigen europäischen Präsidenten empfangen wird. Das Stück hatte grossen Erfolg und wurde später auch in Frankreich und Belgien aufgeführt. Seit 2002 wird es regelmässig gespielt, mit gutem Grund: Das Thema ist aktueller denn je.
«Damals prangerte ich die Dinosaurier Afrikas an, die Eyademas und Mobutus. Nichts hat sich seither geändert, denn heute sind es deren ‹Söhne›, welche die Tradition der kriminellen Komplizenschaft zwischen afrikanischen Diktatoren und westlichen Präsidenten fortsetzen», sagt Ziegler.
Die vierzehn Theaterstücke des Autors werden heute auf allen grossen Theaterbühnen der Schweiz aufgeführt. Aber nicht nur: Die institutionellen Theater des frankophonen Europas schätzen die Qualitäten des Schriftstellers, und für jene von Caracas oder Kinshasa sind seine Stücke eine geistreiche Inszenierung der Ungerechtigkeiten, denen die Länder Afrikas ausgesetzt sind.
Militante Seite
«Dort werden meine Stücke einstudiert, ohne dass ich es im Voraus vernehme. Manchmal höre ich zufällig davon, via Internet. Ich erhalte keine Autorenrechte, aber es ist mir egal… Wichtig ist, dass meine Stimme in diesen Regionen gehört wird», sagt er.
Dominique Ziegler hat eine militante, aber auch eine ironische Seite. «Les associés de l’ombre» (Die Kompagnons des Schattens) nennt sich seine Theatertruppe. Man kann darin eine Anspielung auf die Arbeit hinter den Kulissen sehen; achtet auf die Machenschaften der politischen Macht, die der Autor anprangert.
Der Theaterregisseur hat nichts am Hut mit «modernen Stücken, mit welchen der Autor seine Neurose auf die Bühne bringt». Dominique Ziegler denkt, dass «das Theater eine Gesellschaftskritik sein muss, die überall verwendet werden kann». Recht hat er.
(Übertragung aus dem Französischen: Peter Siegenthaler)
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