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Der Frauenchor «Echo vom Eierstock» räumt mit Sexismus auf

Der feministische Chor bei der Probe
SRF / Primus Ettlin

Im Kanton Nidwalden gibt es den ersten feministischen Jodelchor der Schweiz. Altes Liedgut wird modern interpretiert.

Traditionelle Volks- und Jodellieder sind gespickt mit alten Geschlechterrollen. Da wird von echten Mannsbildern gesungen und vom lieben Müeti. Mit diesen verstaubten Rollenbildern wollen rund 45 Frauen aufräumen.

Konkret heisst das: Wenn der Berg ruft, hallt in Nidwalden seit neustem das Echo vom Eierstock zurück.

«Echo vom Eierstock»: So nennt sich der erste feministische Jodelchor der Schweiz. Die Idee für den Chor stammt von der Nidwaldnerin Elena Kaiser: «Als ich mich eingehend mit Jodel aus der Schweiz beschäftigt habe, merkte ich schnell, ich bleibe an den Texten kleben.» Sie machte die Erfahrung, dass es vielen Frauen gleich ergeht. Dass ihnen die Texte gegen den Strich gehen.

Logo einer Gebärmutter
ZVG / Corinne Odermatt

So kam es, dass sie am Frauentag in Stans dem feministischen Kollektiv augenzwinkernd sagte: «Wir müssten eigentlich mal einen Chor gründen und der müsste «Echo vom Eierstock» heissen.» Dann ist es prompt passiert: 2022 wurde der Verein «Echo vom Eierstock» gegründet. 

Idee trifft auf grosses Interesse

Eine musikalische Leiterin wurde mit der Luzernerin Simone Felber schnell gefunden. Auch Chormitglieder waren bald zur Stelle: Rund 45 Frauen singen inzwischen im neu gegründeten Chor.

Die meisten stammen aus der Region, aber einige nehmen einen längeren Weg in Kauf. So reisen Chormitglieder auch aus dem Zürcher Oberland oder aus dem Bernbiet für die Probe in den Nidwaldner Hauptort.

Die Chormitglieder hätten alle eine grosse Leidenschaft für die traditionelle Volksmusik. Mit den Liedtexten könnten sie sich aber häufig nicht identifizieren, sagt Simone Felber.

«Wenn die Lieder sexistisch sind, stellen sich alle meine Haare zu Berge. Dann will ich das nicht singen.» Zum Beispiel, wenn ein Meitschi sinngemäss aufgefordert werde «tue nid so, chli gschmützelet ond gschätzelet muess doch sii.»

Der Echo vom Eierstock-Chor bei der Probe aus einem anderen Winkel
SRF / Primus Ettlin

Altes Liedgut im neuen Gewand

Aus dieser Not macht «Das Echo vom Eierstock» eine Tugend.

Die Melodien bleiben, der Text wird verändert. Beim Nidwaldner Tanzlied zum Beispiel. Im Original geht man da zum Tanz, heiratet, und dann kommt die Taufe. «Heutzutage ist es ja nicht mehr so, dass man den ersten Schatz gleich heiratet und Kinder bekommt», sagt Simone Felber. Im neuen Text wird deshalb alleine wild getanzt.

Die romantische Darstellung des Alplebens sei in der Volksmusik nach wie vor dominant, zeitgenössisch relevante Themen vermisse man fast gänzlich. Auch da will «Echo vom Eierstock» Gegensteuer geben. So wird bei den Frauen in einem weiteren Lied nicht darüber gesungen, ob es eine Sünde ist, zum Tanz zu gehen, sondern darüber, ob man noch Kinder in diese Welt setzen soll.

«Es ist eine sehr legitime Frage, finde ich, wenn man weiss, dass es mit der Welt im Moment eher bachab geht», sagt Simone Felber.

Feministische Anliegen mit Traditionellem verbinden, damit trifft der Chor «Echo vom Eierstock» bei vielen Frauen einen Nerv. Dass sich möglicherweise Menschen darüber aufregen, was hier mit den traditionellen Liedern passiert, das sei gut möglich, sagt Simone Felber.

Ihr sei es aber wichtig, festzuhalten: «Volksmusik ist überhaupt nicht sexistisch und Volksmusik soll auch nicht politisch sein. Aber: Eine gewisse Prise Aktivismus in der Volksmusik ist nicht so schlecht.»

Der grosse Auftritt «Echo vom Eierstock» steht nun bald bevor. Bei den Stanser Musiktagen im April singt der Chor erstmals vor grossem Publikum und ist auch Teil einer Klanginstallation. Bis dahin wird noch eifrig geprobt.

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