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Design-Preis für Kuscheltiere aus zweiter Hand

Aussenseiter unter Kuscheltieren, aber preisgekrönt. swissinfo.ch

Für ihre "Outsider", ausrangierte Stofftiere, denen sie ein zweites Leben verschaffen, sind zwei Schweizer Produktedesigner ausgezeichnet worden. Lea Gerber und Samuel Coendet vom Zürcher Atelier Volvox haben den Recycling-Designpreis 2012 gewonnen.

Was macht man mit alten Stofftieren, wenn ihre kleinen Besitzer nicht mehr damit kuscheln wollen? Anstatt sie in den Kehricht zu schmeissen, schneide man ihnen den Bauch auf, wende die Innenseite nach aussen und nähe sie wieder zusammen: So entstehen «Outsider», wie sie von ihren Schöpfern genannt werden. «Unter den Stofftieren sind sie die Aussenseiter, weil ihre weniger perfekte Seite – Nähte und ausgefranste Stoffränder – zum Vorschein kommt».

Während ihr Partner Samuel Coendet in der deutschen Stadt Herford den Recycling-Designpreis 2012 in Empfang nimmt, hütet Lea Gerber in Zürich das Atelier und erklärt Journalisten aus der Schweiz das preisgekrönte Produkt.

Entstanden seien die Kuscheltiere aus zweiter Hand zufällig: «Beim Tüfteln im Keller. Durch den einfachen Eingriff haben sie ein ganz anderes Aussehen bekommen», erklärt die diplomierte Produktedesignerin und gelernte Schreinerin. Weniger kuschelig vielleicht, aber ulkig und originär. «Anfänglich waren sie als Stofftiere für Erwachsene gedacht, aber dann haben wir festgestellt, dass auch Kinder vorbehaltlos mit ihnen spielen und keine Berührungsängste haben.»

Kunstobjekt oder Spielzeug?

Ob die Wiedergeburten auf einem Sofa im Wohnzimmer oder als Spielzeuge im Kinderzimmer Platz nehmen, spiele keine Rolle. Für Lea Gerber sind es so oder so Kunstobjekte. «Obwohl fast alle Outsiders erahnen lassen, welches Wesen sie in ihrem ersten Leben verkörpert haben, entsteht immer ein ganz anderes Geschöpf, das beim Betrachter sofort Fragen auslöst».

Entscheidend sei aber auch, dass sie nach Ablauf des ersten Lebens nicht im Müll enden, sondern aus dem vermeintlichen Müll ein zweites Leben entstehe. Unter den Prototypen der Outsiders befinden sich Lea Gerbers eigene Stofftiere, jene von Freunden, aber auch Exemplare aus Brockenstuben, wo sie zahlreich (zwischen)lagern.

Ihre Geschöpfe patentieren zu lassen, kommt für die jungen Designer nicht in Frage. «Wir sind zwar selber darauf gekommen, aber im Internet haben wir gesehen, dass andere Leute die gleiche Idee hatten», gesteht Lea Gerber. Aber die findigen Zürcher Designer haben das Label ‹Outsider› darauf gesetzt, das Produkt bei einem Wettbewerb eingereicht, und nun sind sie dafür mit dem bisher bedeutendsten Preis in ihrer jungen Karriere ausgezeichnet worden.

600 Bewerbungen aus 35 Ländern

«Als schlüssige Geschichte», bezeichnet Jury-Mitglied Udo Holtkamp das Second-Handprodukt «Outsider». Die internationale Fachjury wählte das diesjährige Siegerprodukt aus rund 600 Bewerbungen aus 35 Ländern aus. «Die Idee, aus überflüssig gewordenen Kuscheltieren mit einer Umdrehung ein neues Produkt zu machen, schien uns äusserst reizvoll zu sein».

Den zweiten Preis holten Felix Kaiser und Dirk Wember aus Münster mit ihrer Gartenbank «DIN 1317» aus Autobahn-Leitplanken und Einwegpaletten. Walltraud Münzhubers Abfalleimer, den die Münchner Künstlerin aus bespielten Video- und Tonbändern geflochten hatte, landete auf dem dritten Platz. Sie muss den 3. Preis mit Silke Koch teilen, die für «After Gravity’s Rainbow», ausgezeichnet wurde, einer Skulptur aus Objekten aus Porzellan, Glas, Plastik und Metall.

Verborgenes aus dem Müll holen

Ziel des Recycling-Designpreises sei es, das Nachdenken über ökologische Fragen anzuregen. «Wir möchten, dass junge Designer an den Hochschulen den verborgenen Sinn weggeworfener Dinge entdecken und sich mit der Frage auseinandersetzen, wie sie die Müllberge nutzbar machen könnten», sagt Udo Holtkamp. der auch Vorstand des Arbeitskreises Recycling ist, der den Designpreis vergibt.

Das mit den Schweizer Brockenstuben vergleichbare Geschäftsmodell, dessen Zweck es ist, Müll zu vermeiden, Arbeitsplätze zu schaffen, Kunst und Kultur zu fördern, ist in Deutschland sehr erfolgreich. Allein in der Region Herford, wo der Recycling-Designpreis verliehen wurde, betreibt der Arbeitskreis vier grosse Kaufhäuser und drei City-Läden.

Insgesamt 28 der eingereichten Re-Design-Entwicklungen werden bis 1. April 2012 im Marta Herford Museum ausgestellt. Später werden sie auch im Umweltbundesamt Dessau und im Bauhaus Dessau, in den stilwerk Designzentren Hamburg, Berlin, Düsseldorf und Wien, sowie im Museum der Dinge in Berlin gezeigt.

Der AKR wurde 1984 als gemeinnütziger, selbständiger und unabhängiger Verein gegründet.

Der Verein führt in der Region Bielefeld und Herford fünf Kaufhäuser und drei City-Läden, wo Preisbewusste und Sammlerinnen für wenig Geld gut erhaltene Sachen finden.

Das verwendete Material besteht ausschliesslich aus Sachspenden.

Jährlich werden 1200 Tonnen Werkstoffe recycliert und als Secondhand-Artikel weiterverwendet. 

Die Börsen qualifizieren und beschäftigen rund 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die aus alten Werkstoffen neue Produkte schaffen. 

Der Verein will einen Beitrag zur Müllvermeidung und Wiederverwertung von Werkstoffen leisten.  

AKR suchte von Beginn weg auch den Dialog mit Kunst und Kultur und hat selber kulturelle Aktivitäten initiiert und durchgeführt. 

Seit 2007 vergibt der AKR den Recycling-DesignPreis im Rahmen eines internationalen Wettbewerbs.

Der Preis ist mit 2500 Euro dotieret. Ausgezeichnet werden Entwicklungen, die vermeintlichen Abfall zu Objekten des täglichen Gebrauchs verarbeiten.

Beurteilt werden die eingereichten Projekte u.a. nach ihrer Gestaltungsqualität, dem Gebrauchswert, der Realisierbarkeit, sowie der Umweltverträglichkeit und Neuartigkeit.

2012 wurden zum Thema «Ressourcenschonung in der Produkteentwicklung» 600 Bewerbungen aus 35 Ländern eingereicht. 

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