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Yan Duyvendak, ein Talent ohne Grenzen

Yan Duyvendak, metteur en scène
Mit 54 Jahren steht Yan Duyvendak zu seiner Naivität. Er sagt, er nutze sie "als treibende Kraft" in seinen Kreationen. © BAK / Gneborg 2019

Er lebt in Genf, kommt ursprünglich aus Holland und ist Künstler sowie Gewinner des Schweizer Grand Prix Theater/Hans-Reinhart-Ring 2019: Yan Duyvendak. Bundesrat Alain Berset wird ihm die Auszeichnung am 24. Mai überreichen. Begegnung mit einem Weltenbummler und vielseitigen Künstler.

Yan Duyvendak hat die Agenda eines Ministers. Wer den Westschweizer Performer und Regisseur erreichen will, braucht Geduld und muss Zeitzonen überschreiten können: Anfang Mai ist es soweit, in der Schweiz ist es noch Tag, bei ihm bereits Nacht – Duyvendak weilt in Goa (Indien), zuvor hielt er sich in den Vereinigten Staaten auf.

Dort, in Chicago, präsentierte er eine seiner berühmtesten Shows, mit der er seit 2012 unter dem sich ständig weiterentwickelnden Titel «Please continue (Hamlet)» um die Welt tourt. In jeder Stadt wird Hamlet, der Mörder Polonius›, vor Gericht gestellt. Dabei stellt Duyvendak dem Helden Shakespeares bei jedem Zwischenstopp lokal rekrutiertes Justizpersonal vor, das Hamlet den Prozess macht.

Goa und seine Märkte

Goa ist eine andere Geschichte. Duyvendak ging dorthin, um einen Workshop zum Thema ziviler Ungehorsam durchzuführen – ebenfalls mit vor Ort ausgesuchten Personen. Duyvendak  erzählt swissinfo.ch am Telefon von seiner indischen Erfahrung. Es ist zwei Uhr morgens in Goa, aber das ist egal, nichts kann seine Begeisterung dämpfen. «Gestern betraten wir zum Beispiel einen Markt und blockierten für kurze Zeit die Durchfahrt, nur um gegen die Regeln zu verstossen und eine ungewöhnliche Situation zu schaffen», sagt er.

Ungewöhnlich ist der 54-Jährige auch selbst ein bisschen. Der Weltenbummler, vielseitige Künstler, und Autor von etwa dreissig Theaterstücken, die auf allen Kontinenten gezeigt werden, hat sich vor einigen Jahren in den Kopf gesetzt, nach Ägypten zu reisen, um islamistische Terroristen zu interviewen. «Meine ursprüngliche Idee war es, die Figur des religiösen Fanatikers zu verstehen», so Duyvendak, der von sich selber sagt, er sei naiv. Er nutze seine Naivität «als treibende Kraft» in seinen Schöpfungen, erklärt er.

Die Interviews mit den Terroristen fanden natürlich nicht statt. Doch habe er dank seiner Reise nach Ägypten ein Land und dessen Volk kennengelernt. Die Zusammenarbeit mit dem ägyptischen Künstler Omar Ghayatt, aus der das Stück «Still in Paradise» entstand, hat in dieser Reise ihren Ursprung. «Wir haben uns dem Spiel der Konfrontation mit dem Anderen hingegeben», erzählt er. Eine unbefangene Freude habe Überhand über die Tragik gewonnen, die durch den «Kampf der Kulturen» ausgelöst worden war.

Stars der Popkultur

Die anderen Figuren, die Duyvendak oft auf der Bühne beschworen hat, sind leichter: Hollywood-Helden wie Neo, die Figur aus «Matrix», oder Popstars wie Céline Dion. In seinen Soloauftritten imitierte er diese Ikonen.

«Die Integration ihrer Stimmen und Gesten in meinen Körper erlaubte es mir, deren Mechanismus zu beobachten. Aber auch, um die lächerliche Seite der ikonischen Figur zu zeigen, die ich mir übrigens nicht zu lieben verbiete», sagt Duyvendak, der das Widersprüchliche kultiviert. Der fast zwei Meter grosse Mann scheint die Welt mit Ironie von oben zu beobachten. Er verneint: «Oh nein! Ich beobachte sie mit Wohlwollen.»

Um einen guten Überblick zu erhalten, ist es besser, über mehrere Werkzeuge zu verfügen: Theater, Musik, Choreographie, bildende Kunst… Für Duyvendak ist alles zugänglich. Er studierte Kunst an Hochschulen im Wallis und in Genf.

Der in den Niederlanden geborene junge Yan kam im Alter von 15 Jahren in die Schweiz. «Mein Vater, ein Direktor eines grossen Unternehmens, floh aus den Niederlanden in die Schweiz, um sein Geld zu verstecken», sagt er lachend. Nach seinem Studium zog Duyvendak ins Ausland: Berlin, Barcelona und Marseille sind Stationen seines nomadischen Lebens. Er bleibt nicht stehen. Heute bringt er seine Theaterstücke von einem Land ins andere.

Prestigeträchtige Belohnung

Er sei ein Künstler, der die Grenzen zwischen den verschiedenen Disziplinen aufhebe, hält das Bundesamt für KulturExterner Link (BAK) fest, das ihm den mit 100’000 Franken dotierten Schweizer Grand Prix Theater/Hans-Reinhart-Ring 2019Externer Link verleiht. Bundesrat Alain Berset wird ihn ihm am 24. Mai in Monthey (Wallis) übergeben.

«Ich bezweifle viele meiner Arbeiten, ich habe den Eindruck, dass ich zu viel mache, von einem Thema zum anderen, von einer Disziplin zur anderen. Dieser Preis ist sehr würdigend. Dass ich ausgezeichnet werde zeigt, dass ich mich nicht auf der ganzen Linie irre», sagt Duyvendak.


Folgende Künstler werden 2019 mit den (jährlich) vom Bundesamt für Kultur (BAK) vergebenen Schweizer Theaterpreisen ausgezeichnet:

– Tom Luz, Regisseur, Szenograph und Musiker aus Basel

– François Gremaud, Regisseur aus Freiburg, Gründer von «2b company»

– Dominic Huber, Regisseur und Szenograph aus Zürich

– Bettina Stucky, Berner Schauspielerin

– Vania Luraschi, Regisseurin aus dem Tessin, Schöpferin von Vorstellungen für ein junges Publikum

Der Schweizer Kleinkunstpreis 2019, der eine besondere Kategorie darstellt, geht an das Zürcher Kabarett-Duo Knuth und Tucek, bestehend aus der Schauspielerin Nicole Knuth und der Sängerin Olga Tucek.

(Übertragung aus dem Französischen: Kathrin Ammann)

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