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Sind wir Beherrscher oder Sklaven der Zeit?

Anita Affentranger

Zeit sparen mit Klett- und Reissverschluss, mit schnelleren Bahnverbindungen, schnelleren Autos, mit E-Mail und Mobiltelefonie, etc. Trotzdem haben wir immer weniger Zeit. Warum? Das Stapferhaus Lenzburg präsentiert Fragen und Antworten.

Eine Minute setzt sich aus 60 Sekunden zusammen, Eine Stunde hat 60 Minuten und ein Jahr zählt 8760 Stunden. Wir haben die Zeit fest und gleichmässig eingeteilt. Weshalb vergeht sie für uns mal schnell, mal langsamer?

Und weshalb legt sie an Tempo zu, je älter wir werden? Und überhaupt: Wie nutzen wir unsere Lebenszeit?

Die Macherinnen und Macher von «nonstop, der Ausstellung über die Geschwindigkeit des Lebens» haben eine Timeout-Zone geschaffen. Sie vermittelt Einblicke in die Welten der Tempomacher, Temposüchtigen, der unter dem Tempo Leidenden und Tempotherapeuten.

Zeitlos

Zeit haben oder nicht? Schon beim Betreten des Ausstellungsgebäudes darf man sich entscheiden: Rutsche ich via schnelle Feuerwehrstange zum Empfang oder schraube ich mich gemächlich die Wendeltreppe runter?

Als erstes müssen Besucherinnen und Besucher ihre Zeit ablegen, da die Ausstellungsräumlichkeiten zu einer (uhr)zeitlosen Zone erklärt wurden. So werden Uhr, Mobiltelefon, kurz alle Geräte, die Zeit messen oder anzeigen, in einem Zeitsafe verwahrt.

Wer es eilig hat, versucht, in einer halben Stunde durch die Hallen durchzuzappen, wer Zeit im Überfluss hat, verbringt Stunden darin. Es könnte aber durchaus sein, dass wer keine Zeit hat, dies vergisst, und am Angebot länger hängen bleibt als ursprünglich beabsichtigt.

life-time-bar

Hängenbleiben könnte man bereits an der life-time-bar. 20 Personen erzählen hier von der Geschwindigkeit ihres Lebens. Hier kommen jene zu Wort, die zuviel Zeit und jene, die zuwenig davon haben. Den einen verrinnt die Zeit zu schnell, die anderen langweilen sich fast zu Tode. Der eine hat Zeit gewonnen, die andere hat welche verloren.

Wie in der realen Welt auch, muss man sich entscheiden, welche der 20 auf Vinyl gepressten Geschichten man sich anhören will. Unterstützt werden die Unentschlossenen durch das freiwillig arbeitende Bar-Personal, das den Besuchern einen Teil seiner persönlichen Lebenszeit schenkt.

Zeitlabor

Obwohl die Zeit äusserst exakt vermessen werden kann, ist es doch die subjektive Wahrnehmung, die sie uns als schnell oder langsam vorübergehend empfinden lässt.

Die Ausstellungsmacher lassen uns dieses persönliche Zeitempfinden erleben in Kinderzeichnungen, an der inneren Uhr und was passieren kann, wenn diese nicht mit der äusserem, der realen Uhr synchron geht.

Als Beispiel wird auch der Online–Terminplaner Doodle herangezogen. Weiter werden Abläufe, die fürs menschliche Auge zu langsam ablaufen, beschleunigt und zu schnelle in Zeitlupe wiedergegeben.

Auch die Statistik kommt nicht zu kurz: Nachgegangen wird der Frage, was der Schweizer, die Schweizerin im Lauf ihres durchschnittlich 960 Monate dauernden Lebens so alles tut.

Wir werden alle älter, unsere Lebenszeit nimmt ab. Ein Lebenserwartungsrechner konfrontiert die Besuchenden mit ihrer persönlichen Lebens-Restzeit – ausgedruckt auf einen Kassenzettel.

Wunsch- und Traum-Depot

Der Estrich (Dachboden) des Ausstellungsgebäudes wird von den Besucherinnen und Besuchern als Depot für ihre Zeit-Wünsche und –Träume verwendet.

Sie beschäftigen sich mit Fragen wie «Wofür hätten sie gerne mehr Zeit?», «Was sind die besten Momente Ihres Lebens?», «Was möchten Sie unbedingt noch erleben?», «Was kommt in ihrem Leben immer zu kurz?».

Die Antworten werden auf Papier festgehalten und aufgehängt und damit Teil der Ausstellung und somit für die anderen Besuchenden sichtbar.

Fazit: Eines macht man mit dem Besuch dieser Ausstellung definitiv nicht: Zeit verschwenden!

swissinfo, Etienne Strebel, Lenzburg

Nonstop – eine Ausstellung über die Geschwindigkeit des Lebens bis am 29. November 2009 im Zeughausareal Lenzburg.

Öffnungszeiten: Di-So: 10-17 Uhr; Do: 10-20 Uhr.

Die Ausstellung ist an allen Feiertagen bis 17 Uhr geöffnet, auch wenn sie auf einen Montag fallen.

Das Stapferhaus führt auch diverse Rahmen-Veranstaltungen durch wie Speedflirting, Gespräche mit Zeitfachleuten, Tempotherapeuten und Tempomachern und -macherinnen.

Publikation: nonstop – ein Lese- und Hörbuch über die Geschwindigkeit des Lebens mit Tönen und Texten.

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