Anton Mosimann und seine Passion für Kochbücher
Dachsbraten? Das ist auf der Speisekarte des Starkochs Anton Mosimann nicht zu finden. Aber allenfalls in seiner einzigartigen Sammlung historischer Kochbücher und Menükarten, die zurzeit erstmals in Basel ausgestellt sind.
Zu seinen Gästen gehörten Politiker, Präsidenten und Prominenz aus aller Welt. Er kochte für vier Generationen des britischen Königshauses, so auch das Hochzeitsmenü für Prinz William und Kate Middleton 2011.
Die wenigsten wissen aber, dass der 68-jährige gediegene Meisterkoch mit der Fliege auch eine einzigartige Kochbuch- und Menükartensammlung besitzt, die Einblick gibt über die kulinarische Geschichte der letzten fünf Jahrhunderte. Es soll sich um die grösste Privatsammlung dieser Art handeln.
Eine Auswahl – nämlich 120 Exemplare – sind bis zum 21. Februar 2016 im Basler Spielzeug Welten MuseumExterner Link zu sehen.
Erfolgreiche Pause
An der Eröffnung der Ausstellung war MosimannExterner Link, der die Fragen der Journalisten höflich und versiert beantwortete – offensichtlich stolz auf seine Sammlung. Er erzählt, wie alles mit einer glücklichen Pause begonnen hat.
«Die ersten paar hundert Bücher wurden mir angeboten, als ich sehr jung war und kein Geld hatte. Ich ging zur Bank und – Sie können es glauben oder nicht – erhielt einen Kredit, um Kochbücher zu kaufen», erklärt Mosimann gegenüber swissinfo.ch.
«Das war ein sehr guter Start für meine umfangreiche Kollektion», sagt er verschmitzt und fügt mit einem Lacher an, dass das heutzutage wohl nicht mehr passieren würde.
«Ich besitze mehr als 6000 Bücher, darunter 500, die sehr alt sind und bis ins 16. Jahrhundert zurückgehen.»
Die Ausstellung ist für das kleine Basler Museum ein ziemlicher Coup – die Vorbereitungen dauerten zwei Jahre. Im nächsten Jahr kommt die Sammlung in ein eigenes Museum in der Culinary Arts Academy Switzerland in Le BouveretExterner Link am Genfersee, dessen Eröffnung für Juni 2016 vorgesehen ist.
Mosimanns Sammlung beinhaltet auch zwei Ausgaben von 1516 und 1530 des ersten gastronomischen Textes, der von Platina, dem Bibliothekar des Vatikans geschrieben worden war. Das Buch beginnt mit einem Rezept für ein mit Brot und Walnuss gefülltes Brathähnchen.
Platina entnahm fast die Hälfte der Rezepte aus handgeschriebenen Dokumenten des ersten bekannten Meisterkochs, Martino di Como. Dieser wurde 1430 in Torre geboren, einer kleinen Ortschaft, die im heutigen Südschweizer Kanton Tessin liegt. Aus heutiger Sicht könnte er als weiterer Schweizer Meisterkoch betrachtet werden.
Aber auch das erste auf Deutsch gedruckte Kochbuch gehört zu Mosimanns Sammlung, ebenso das Werk des bekannten Astrologen Nostradamus aus der Renaissance – zur Herstellung von Konfitüre.
Eines von Mosimanns beliebtesten Objekten ist ein Kochbuch von Bartolomeo Scappi, Chefkoch beim Papst Ende 16. Jahrhundert. Besonders schön seien die Zeichnungen der Küche mit Rost, Töpfen und Pfannen, sagt er.
Ausstellung
500 Jahre Kochgeschichte im Basler Spielzeug Welten Museum, zu sehen bis am 21. Februar 2016.
Ausgestellt sind 120 Objekte aus Mosimanns Sammlung und 25 Kinderkochbücher. Zudem werden Skulpturen und gemalte Keramikteller der Schweizer Künstlerin Kathryn Zellweger-Staehelin gezeigt.
Auch Schweizer sind präsent in Basel: Wie Alessio Piemonteses Werk aus dem 16. Jahrhundert, das als Buch der Geheimnisse bekannt ist und vom Basler Johann Jacob Wecker ins Deutsche übersetzt wurde. Dessen Ehefrau, Anna Wecker, war die erste Frau, die ein Kochbuch publizierte.
Alte Gerichte für moderne Menschen
Der Schweizer Starkoch hat auch selber schon Gerichte aus seinen alten Büchern gekocht, für Gäste in seinem Club.
«Für eine Gesellschaft machten wir zum Beispiel Spanferkel als Hauptgang. Und dann ein ganzer Lammhachsen, allerdings auf altmodische Art: stundenlang mariniert und auf dem Rost langsam gegart. Es sind wunderbare Rezepte mit sehr guten Resultaten», sagt er.
Mit einem Blick auf die Rezepte in der Sammlung wird schnell klar, wie sich die Essgewohnheiten verändert haben. Das Rezept für Dachsbraten stammt aus dem Kochbuch «für das tägliche Kochen und die feine Küche» aus dem Jahr 1887.
Damals wurden auch üppig Saucen verwendet, was ziemlich schwerer ist, als was Mosimann heute kocht. Er hält sich an die Cuisine NaturelleExterner Link, die gesunde Küche, und braucht weder Rahm, Butter noch Öl. Sein Credo ist, dass «Essen nach dem schmecken soll, was es ist: Fisch nach Fisch, Poulet nach Poulet. Zudem soll man nicht zu viele Zutaten zusammenmischen.»
Mosimann jedenfalls praktiziert, was er predigt. Er ist gepflegt, auch weil er sich gerne fit hält, wie er betont.
Beziehung zum Königshaus
Mosimann kann die königliche Familie zu jenen zählen, die seinen Kochstil schätzen. Und Menükarten von diversen royalen Ereignissen, auch historischen, sind Teil seiner Kollektion.
Mehr
500 Jahre Kochgeschichte
Ein Objekt seiner Sammlung zeigt ein Menü, das am Samstag, 17. Oktober 1891 für Königin Victoria (1837-1901) in deren Residenz in Balmoral zubereitet wurde. Es umfasst zwei Suppen, vier Sorten Fisch, ein Entrée, ein Relevé (zweiter Gang wie Roast Beef) und ein Rôti (Fasan).
Es gab auch «Entremets», Zwischengerichte, die von Desserts (holländische Waffeln) bis zu Gemüse (Chicorée mit Rahm) reichten.
Dieses Essen unterschiedet sich ziemlich vom Dreigang-Menü, das Mosimann zur Hochzeit von Prinz William und Kate MiddletonExterner Link 120 Jahre später kochte: Farcierter Krebs aus Wales, gefolgt von schottischem Lamm und einem Mini-Pudding-Trio.
Weihnachten bei Mosimanns
Weihnachtsthemen kommen in der Ausstellung in Form zeitgenössischer Weihnachtskarten aus Mosimanns Club in London zum Ausdruck oder als Menüs für dortige Weihnachtsessen. Und was kocht der Schweizer Starkoch selber an Weihnachten? Gibt es einen Bezug zur Schweiz?
«Eine sehr gute Frage», meint er lachend. Seine Familie (die Söhne Philipp und MarkExterner Link sind Co-Geschäftsführer bei Mosimanns) komme zusammen und koche entweder etwas traditionell Schweizerisches oder etwas Innovativeres.
«Wir haben fünf Grosskinder, daher ist Fondue Chinoise zurzeit ein Hit, denn die Kinder lieben es, darüber herzufallen und ihr eigenes Gericht zu kochen.»
Und es gibt auch einen Wink in Richtung Wahlheimat: Das Dessert besteht aus einem leichten Weihnachtspudding ohne Talg, serviert mit einer leichten Joghurtsauce statt mit Brandy-Butter. «Die ganze Familie liebt diese Süssspeise», sagt er.
Anton Mosimann
Er wird 1947 in Solothurn geboren. Seine Eltern betreiben eine Gaststätte.
Seine Kochlehre beginnt er im Bären in Twann, Kanton Bern, im Altern von 15 Jahren.
Als junger Koch arbeitet er in verschiedenen Erstklass-Hotels in der Schweiz, Frankreich, Japan, Schweden, Italien, Kanada, Belgien.
1975 kommt er nach England. Mit 28 wird er Chefkoch im Dorchester Hotel in London. Er wirnd mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet – kein Hotelrestaurant ausserhalb Frankreichs hatte bislang zwei Sterne bekommen. Er bleibt dort 13 Jahre lang.
Seit 1988 betreibt er das exquisite Clubrestaurant Belfry in Belgravia, London. Er gründete auch eine Cateringfirma und die Mosimann Academy, wo Kochkurse veranstaltet werden.
2004 wird er von Königin Elizabeth II mit dem «Order of the British Empire» ausgezeichnet.
(Übertragung aus dem Englischen: Gaby Ochsenbein)
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