«Was bleibt, ist eine einzigartige Sammlung»
Ernst Beyeler verstarb im Alter von 88 Jahren. Der Galerist, Art Basel-Mitbegründer und Gründer der Fondation Beyeler hatte zusammen mit seiner Ehefrau Hildy eine der weltweit bedeutendsten Kunstsammlungen des 20. Jahrhunderts aufgebaut.
«Wir waren immer stark berührt von Kunstwerken, von denen wir uns oft nicht trennen konnten und später kam das Bewusstsein, dass wir diese Kunst und auch den damit gemachten Gewinn weitergeben wollen», sagte Ernst Beyeler 1997 in seiner Rede zur Eröffnung der Fondation Beyeler.
«Wir haben die Kunstwerke stets als Schöpfungsgleichnisse empfunden «analog zur Natur», wie Cézanne sich ausgedrückt hat, als Ausdruck auch einer Joie de vivre.»
Mit Ernst Beyeler verliert die Schweiz einen der bedeutendsten Kunstsammler. Beyeler war bekannt für sein sicheres Urteil und seine poinitierten Kommentare, er hatte Charisma und geschäftliches Geschick.
«Für mich war Ernst Beyeler ein aussergewöhnlicher Mensch, er konnte die Leute begeistern und mitreissen», sagt Ulf Küster, Kurator der Fondation Beyeler, gegenüber swissinfo.ch. «Bei ihm konnte man sehen lernen.» Beyeler verfügte laut Küster neben seinem Gespür über Qualität ein ausgeprägtes strategisches Denken, schaute immer bereits in die Zukunft.
Ernst Beyeler war ein Pionier: Er und seine 2008 verstorbene Frau gehörten 1971 zu den Mitbegründern der Kunstmesse Art Basel, der bedeutendsten Kunstmesse der Welt.
Die Art Basel war mit dem Kunstmarkt Köln eine der ersten Kunstmessen überhaupt. Dass die Kunst aus Museen und Galerien hinausgetragen und in einer Messehalle wie Nähmaschinen, Möbel oder Wein verkauft wurde, löste damals heftige Diskussionen aus.
Vom Antiquar zum Kunstsammler
Der am 16. Juli 1921 geborene Ernst Beyeler machte eine kaufmännische Ausbildung und studierte Ökonomie sowie Kunstgeschichte an der Universität Basel. Während dem Studium arbeitete er als Aushilfe in einem Basler Antiquariat.
1945 übernahm er das Antiquariat. Zwei Jahre später eröffnete er eine erste Ausstellung mit japanischen Holzschnitten. Ab 1951 widmete er sich ausschliesslich den Ausstellungen und dem Kunsthandel. Bis zu seinem Tod organisierte Beyeler über 250 Ausstellungen.
Einen ersten grossen Coup landete er mit dem Kauf von 340 Werken der Sammlung Thompson im amerikanischen Pittsburgh: Darunter zahlreiche Werke von Paul Klee, Cézanne, Monet, Picasso, Matisse, Léger, Miró, Mondrian, Braque und Giacometti.
Privatsammlung für alle
Eine glückliche Hand hatte er auch bei Picasso in Mougins: Bei einem Besuch beim grossen Maler erhielt er die Möglichkeit, 26 Werke aus dessen Beständen auszuwählen.
1982 gründete er die Beyeler-Stiftung. Die Idee, eine Stiftung zu gründen, entstand in den 1970er-Jahren. Vorerst ging es dem Ehepaar darum, das eigene Haus mit Kunst zu bestücken und einige der liebgewordenen Werke nicht mehr weiterziehen zu lassen.
Erstmals öffentlich präsentiert wurde die bis zu diesem Zeitpunkt unbekannte Sammlung 1989 auf Einladung des spanischen Kultusministeriums im Centro de Arte Reina Sofia in Madrid. Die Ausstellung wurde zum Publikumserfolg. Es folgten Ausstellungen in Berlin und Sidney.
Der Erfolg in Madrid bestärkte Beyeler in der Absicht, seine Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Um die über Jahrzehnte entstandene Kollektion buhlten renommierte Museen aus aller Welt wie etwa das Museum of Modern Art in New York.
Die Sammlung von Ernst und Hildy Beyeler besteht aus rund 200 Werken von 40 Künstlern der klassischen Moderne. Sie enthält neben Werken des Spät- und Postimpressionismus von Paul Cézanne, Vincent van Gogh und Claude Monet auch Werke des Kubismus. Dabei sind namentlich Pablo Picasso und Georges Braque sowie Joan Miró, Piet Mondrian, Wassily Kandinsky, Henri Matisse, Paul Klee vertreten.
Hinzu kommen einige ausgewählte Skulpturen aus Afrika, Alaska und Ozeanien.
«Schönstes Museum der Welt»
«Beyeler hat jedes Bild speziell ausgewählt. In seiner Sammlung spricht jedes einzelne Werk den Besucher direkt an», sagt Küster.
Auch für Markus Brüderlin, der von 1996 bis 2004 künstlerischer Leiter der Fondation Beyeler war, hebt sich die Sammlung von anderen ab. «Die von Ernst Beyeler bewusst verfolgte Beschränkung auf Bewährtes und Gewachsenes stellt eine Herausforderung dar für eine Zeit, die ständig nach Neuem schreit, deren kulturelle Produktion jedoch meist das Verfallsdatum einer kurzen Kunstsaison nicht überlebt.»
Die Sammlung sei durchaus originell und subjektiv geprägt und scheine viel mehr als nur Privatsammlung, vermerkte der Feuilletonchef der Basler Zeitung Hans Joachim Müller bereits 1991.
Beyelers Museum in Riehen, das nach Plänen des Architekten Renzo gebaut wurde, zieht mit seinen grossen Sonderausstellungen alljährlich Scharen von Kunstfans an: Das Haus hatte 2008 mit rund 300’000 am meisten Besucher aller Museen in Basel und auch landesweit einen Spitzenplatz.
«Ernst Beyeler ist verstorben, was bleibt ist seine einzigartige Sammlung und eines der schönsten Museen der Welt», sagt Küster.
Corinne Buchser, swissinfo.ch und Agenturen
1921 Geboren in Basel.
1940 Kaufmännische Ausbildung und Studien der Ökonomie und Kunstgeschichte an der Universität Basel.
1945 Beyeler wird Antiquariats-Besitzer.
1947 Erste Ausstellung von japanischen Holzschnitten.
1959 – 1965 Ankäufe aus der Sammlung Thompson (Pittsburgh)
1966 Ernst Beyeler erhält die Möglichkeit, 26 Werke aus den Beständen des Künstlers frei auszuwählen.
1971 Mitbegründer und bis 1992 Mitorganisator der Internationalen Kunstmesse Art Basel.
1972 Ernst Beyeler erwirbt rund 100 Ölgemälde, Aquarelle und Zeichnungen von Nina Kandinsky.
1982 Gründung der Beyeler Stiftung.
1989 Präsentation der Sammlung Beyeler im Centro de Arte Reina Sofia in Madrid.
1993 Präsentation der Sammlung Beyeler in der Neuen Nationalgalerie in Berlin.
1996/97 Präsentation der Sammlung Beyeler in der Art Gallery of New South Wales, Sydney.
18. Oktober 1997 Eröffnung der Fondation Beyeler.
12. November 2001
Gründung der Stiftung «Kunst für den Tropenwald».
12. Januar 2008
Auzeichnung mit dem SwissAward für Kultur
Die Beyeler-Stiftung war auch mit Streitigkeiten um Raubkunst aus der Nazi-Zeit in Deutschland konfrontiert
Ein Rechtsstreit um ein Kandinsky-Gemälde wurde 2002 mit den Erben der früheren Besitzerin aussergerichtlich beigelegt.
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