Zu Besuch bei der Generation Internet
Kinder wachsen heute mit eigenem Facebook-Profil auf. Ältere Menschen hingegen können sich im Dschungel der digitalen Welt oft kaum orientieren. Diesen Graben will eine Ausstellung im Stapferhaus Lenzburg auffüllen.
Sind Sie ein Digital Native, ein Digital Immigrant oder ein Digital Tourist? Wenn Sie diese Frage nicht beantworten können, gehören Sie vermutlich zur zweiten oder dritten Kategorie.
Egal, welcher Gruppe Sie sich zugehörig fühlen, das digitale Leben beeinflusst zunehmend die eigene Realität, wie die Ausstellung «HOME Willkommen im digitalen Leben» unterhaltsam und spannend aufzeigt.
Als Digital Native wurden Sie in eine Welt geboren, in der Computer, Mobiltelefon, MP3 und Internet selbstverständlich zum Leben gehören. Dagegen mussten Sie sich als Digital Immigrant mit den neuen Technologien erst intensiv beschäftigen, mussten (um-) lernen, um diese intensiv nutzen zu können.
Und als Digital Tourist haben Sie nur wenig in die neue Welt hinein geschnuppert. Sie sind in der Lage, am Computer einen Brief zu schreiben, nutzen E-Mail und Internet.
Welten verschmelzen
Wer in der Zeit ab 1980 aufgewachsen ist, nutzt Computer und Mobiltelefon intensiver, vergnügt sich eher mit digitalen Spielen und ist in sozialen Netzwerken wie etwa Facebook zu Hause.
Moritz Zumbühl, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur Feintext, die auch den Einsatz von iPad-Computern für die Ausstellung realisiert hat, sagt gegenüber swissinfo.ch: «Ich mache keinen Unterschied mehr zwischen der digitalen und der so genannten ‹realen› Welt. Beide fliessen ineinander, sind fest verzahnt.»
Demgegenüber fühlen sich Digital Tourists angesichts der Stärke und des Elans der IT-Revolution oft hilflos. Sie kommen einerseits mit der rasanten Entwicklung nicht mit und verstehen auch Menschen wie Tim oder Laura nicht, die einen selbstverständlichen Umgang mit den modernen Technologien pflegen.
Schnuppern in der Welt der Computerspiele
Tim hat es weit gebracht: Er ist bis in die Schweizerische Ego-Shooter Nationalmannschaft vorgestossen. Ego-Shooter sind Computerspiele, bei denen sich der Spieler aus seiner Perspektive (Ego) in einer dreidimensionalen Spielwelt bewegt und andere Mitspieler oder vom Computer generierte Gegner mit Schusswaffen etc. bekämpft.
Diese Art von Spielen haben Suchtpotential, wie die Geschichte des 19-Jährigen aufzeigt, der selbst bestreitet, spielsüchtig gewesen zu sein. In einem der Ausstellungskinos kommt Tim als einer von sechs Digital Natives zu Wort.
Abrufbar sind aber auch die Einschätzungen seiner Mutter und seines Freundes Kevin, welche die für Tim schwierige Zeit, als er offensichtlich spielsüchtig war, aus ihrer Perspektive schildern.
So entsteht ein abgerundetes Bild, das Tims Persönlichkeit und seine Probleme auch jenen offenbart, die bisher keinen Kontakt zu spielsüchtigen Menschen gehabt haben.
Kein Leben ohne Handy?
Die Ausstellung gewährt auch einen Einblick ins Leben des 14-jährigen Web-2.0-Teenagers Laura. Ihr Handy ist von frühmorgens bis spätabends auf Empfang. Laura kann sich ein Leben ohne Telefon, SMS oder Internet schlicht nicht vorstellen.
Beim Betrachten ihres Porträts, wie sie ihren Tagesablauf schildert, aber auch wie sich ihre Mutter und die Schulsozialarbeiterin äussern, wird Lauras Persönlichkeit auch für digital Touristen zunehmend weniger abstrakt, und mancher digitale Skeptiker bringt Verständnis für Laura auf.
Wegbereiter
Auch Kritiker der neuen Technologien kommen in der Ausstellung zu Wort. Angesprochen werden sowohl Themen wie Pornographie im Internet als auch für Kinder gefährliche Webseiten.
In Lenzburg wird die heutige Kritik aber auch in den Kontext gebracht mit Medienkritiken aus den vergangenen Jahrtausenden (siehe rechte Spalte unter «Dokumente»). Diese Kommentare aus dem «Besenschrank der Geschichte» vermitteln zuweilen erstaunliche Einsichten.
Bei HOME drängt sich der Einsatz digitaler Hilfsmittel geradezu auf. Dabei nehmen sich die Macher den unerfahrenen Besuchenden besonders an: So genannte «Begleiter» helfen ihnen bei der Bedienung der iPads und der sensitiven Monitore, mit denen die digitale Entwicklung in den letzten 50 Jahren mit Filmen anschaulich abgerufen werden kann.
Wer bereits geübteren Umgang mit den modernen Technologien hat , wird ermuntert, selbst erstellte multimediale Beiträge in der Ausstellung zu präsentieren. Dafür ist, wie bei Stapferhaus-Ausstellungen üblich, der Dachboden reserviert, wo die Besucherbeiträge auf kleinen, von der Decke hängenden Bildschirmen präsentiert werden.
Die Ausstellung möchte einen Austausch zwischen den verschiedenen Nutzergruppen der digitalen Welt erreichen. Und es gelingt ihr, Verständnis für die Mitglieder der jeweils anderen Gruppen zu wecken. Damit werden auch Vorurteile und Ängste gegenüber der digitalen Revolution reduziert.
84% der Schweizer Bevölkerung nutzen das Internet, davon 80% Männer und 66,7% Frauen.
Nach Bildungsgrad:
92,3% Hochschule
82,5% höhere Berufsbildung
72,3% Sekundarstufe II
50,9% obligatorische Schule.
Quelle: Atlas der Digitalisierung, Stapferhaus
2,25 Mio. Menschen in der Schweiz nutzen das soziale Netzwerk Facebook.
Auf Facebook hat jeder durchschnittlich 130 «Freunde».
Zum engen Freundeskreis werden durchschnittlich vier Facebook-Freunde gezählt.
Zehn seiner Facebook-Freunde hat der User im Schnitt noch nie persönlich getroffen.
89% der Lehrpersonen bezeichnen Computerkenntnisse als unerlässlich für das Berufsleben.
98% aller Schulen verfügen über Computer mit Internetzugang.
53% der Lehrkräfte verfügen nach eigener Einschätzung nicht über genügend Kenntnisse, um den Computer sinnvoll im Unterricht einzusetzen.
25% aller Schulen schreiben den Einsatz von Computern im Unterricht vor.
Wo wir im digitalen Zeitalter mit welcher Wahrscheinlichkeit einen Partner finden:
8,7% im Urlaub
5,5% beim Sport
14,4% im Internet
14% in der Schule/im Studium
0,7% beim Einkaufen
0,4% in der Vermittlungsagentur
20,8% am Arbeitsplatz
27,6% im Ausgang
1,8% in Kontaktanzeigen
27,3% bei Freunden/Bekannten.
Dank der finanziellen Mithilfe von Pro Helvetia, konnten die Ausstellungsmacher HOME zweisprachig gestalten.
Vorbildlich gestaltete Hilfsmittel, wie der «Atlas der Digitalisierung» oder das Buch «HOME – Willkommen im digitalen Leben» zeigen auf, wie die Digitalisierung unser Leben verändert.
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