Cybersquatter entwickeln Appetit auf .ch
Die Schweiz gehört laut einer UNO-Agentur zu den Ländern, in denen am häufigsten über den rechtmässigen Besitz-von Internetadressen gestritten wird.
Seit Mai 2004 hat sich der Schlichtungs-Service der in Genf beheimateten Welt-Organisation für geistiges Eigentum (WIPO) mit 53 Fällen für .ch-Domains beschäftigt.
Gut 16% aller Internet-Ländercode-Streitereien, die durch die WIPO seit 1999 geschlichtet und bearbeitet wurden, betreffen Schweizer .ch-Adressen.
Besonders erwähnenswert sind die Auseinandersetzungen um den Technologie-Giganten Hitachi über die Adresse www.hitachi.ch oder jene um die Feldschlösschen-Brauerei um die Adresse www.feldschlössli.ch.
Christian Wichard, WIPO Vize-Direktor, begründet die hohe Zahl der so genannten Cybersquatter-Streitfälle in der Schweiz gegenüber swissinfo mit den tiefen Prozess-Kosten.
Zweistufige Prozedur
Die erste Stufe der Schweizer Prozedur – der Schlichtungs-Phase, in der die meisten Fälle gelöst werden – kostet 600 Franken.
In anderen Ländern kostet ein Streit um eine Internet-Länder-Adresse nach den WIPO-Regeln, der Domainnamen-Streitrichtlinie (UDRP), bis zu 2000 Franken.
«Die .ch-Verfahren waren sehr erfolgreich», sagt Wichard. «Wir bearbeiten Auflösungsverfahren für die Adresskennungen für 46 Länder.»
Das WIPO-Zentrum wird nicht von Ländern wie Grossbritannien (co.uk) oder Deutschland (.de) beansprucht. Dort müssen die Inhaber der Markennamen ihr Recht bei der Justiz ihres Landes einfordern.
Ein weiterer Grund für die hohe Anzahl der Streitigkeiten in der Schweiz ist laut Wichard die grosse Präsenz von Haltern wichtiger Handelsmarken und ihr Verlangen, ihren Firmennamen mit dem .ch-Länder Code zu versehen.
Steigende Tendenz
Im letzten Jahr wurden von der WIPO über 1450 Cybersquatting-Fälle um internationale Domain-Namen wie .com, .org oder .biz behandelt – das ist ein Anstieg um 20%.
Seit die WIPO 1999 ein System zur raschen Verfahrens-Abwicklung, kurz UDRP, eingeführt hat, wurden 8500 Streitfälle behandelt, davon 294 von Schweizer Firmen oder in der Schweiz lebenden Personen.
Darunter befinden sich UBS, Credit Suisse, Swiss Re, Swatch, Nestlé und das Internationale Olympische Komitee. Kürzlich erhielt der Pharma-Gigant Roche die Internet-Adresse www.tamiflu-vaccine.com zugesprochen.
Laut Wichard nimmt die Schweiz Rang 6 jener Länder ein, in denen bei der WIPO um internationale Länderkennungen geklagt wird.
Die UNO-Unterorganisation führt die weltweite Steigerung darauf zurück, dass der Preis zur Registrierung von Internet-Adressen gesunken ist.
Ab März fallen zudem die 40 Franken Registrierungskosten für eine Internet-Adresse mit .ch-Endung weg. Es bleibt somit lediglich die jährliche Benutzungsgebühr von 35 Franken.
«Der Registrierungs-Preis für Domain-Namen ist seit dem Jahr 2000 dramatisch gesunken», sagt Wichard. Ausserdem böten grosse Registrierungs-Firmen Kurzzeit-Internet-Adressen an, die nur 2 Wochen gültig seien.
«Dies bedeutet, dass professionelle Cybersquatter Abertausende von Domain-Namen reservieren.»
swissinfo, Adam Beaumont in Genf
(Übertragung aus dem Englischen: Etienne Strebel)
Cybersquatting bezeichnet das Registrieren von Internetadressen, die dem Registrierenden eigentlich nicht zustehen oder die er selber nicht nutzen will.
Die Cybersquatter bieten diese Adressen jener Person oder Firma an, der die Marke gehört, welche im Domainnamen enthalten ist.
Der Preis dafür bewegt sich gewöhnlich weit über der ursprünglichen Registrierungsgebühr.
Cybersquatter setzen oft zusätzlichen Druck auf, indem sie die Website mit negativem Inhalt über die Person oder die Firma versehen, die sie eigentlich repräsentiert werden sollte.
Sie bauen darauf, dass die Betreffenden die Domain so eher kaufen werden, allein schon, um den negativen Inhalt entfernen zu können.
Die Schlichtungs-Prozedur in der Schweiz:
In der ersten Instanz wird ein Telefongespräch von maximal einer Stunde Dauer zwischen dem Besitzer der Adresse und dem Kläger geführt um eine Lösung zu finden. Dies kostet 600 Franken.
Wird keine Lösung gefunden, kann der Kläger eine Expertenentscheidung verlangen, für die 2000 Franken bezahlt werden müssen.
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