Das Minarett der Zwietracht
In Wangen im Kanton Solothurn haben die Behörden den Bau eines Minaretts abgelehnt. Der türkische Kulturverein will den Entscheid anfechten.
Die Baukommission begründete den ablehnenden Entscheid damit, dass ein Minarett nicht zonenkonform wäre.
Der Türkisch-kulturelle Verein Olten darf auf seinem Gebetshaus in Wangen bei Olten kein symbolisches Minarett errichten. Dies hat die örtliche Baukommission am Dienstagabend entschieden. Ein Minarett widerspreche dem Zweck der Nutzungszone, so die Begründung.
Das schon bestehende Gebetshaus liegt in der Gewerbezone. Mit dem Minarett erhielte das Gebäude den Charakter eines Sakralbaus, sagte der Wangener Bauverwalter Max Zülli am Mittwoch.
Nicht unter politischem Druck
Zülli betonte, dass sich die Baukommission rein baurechtlichen Kriterien gewidmet habe und sich vom öffentlichen Druck nicht habe beeinflussen lassen.
Kirchen lägen alle in der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen. Diesbezüglich gehe es um die Rechtsgleichheit, so Zülli weiter. Sakralbauten anderer Glaubensgemeinschaften seien gleich zu behandeln und deshalb in der Gewerbezone nicht zugelassen.
Auch entspreche das Bauvorhaben nicht dem kantonalen Recht über Dachaufbauten und Gebäudehöhe.
«Unverstanden»
Süleyman Osmanof vom Türkisch-kulturellen Verein Olten zeigte sich enttäuscht. «Es war ein politischer Entscheid», so der Sprecher gegenüber swissinfo. Die Wangener seien gegen das Minarett gewesen, weil sie sich vor einem solchen Bau in ihrer Gemeinde gefürchtet hätten.
Osmanof interpretiert das Nein dahin gehend, dass die Einwohner die Bedeutung eines Minaretts nicht verstanden hätten. «Es ist ein Symbol, das man auf der ganzen Welt antrifft,» beschwichtigte er und stellt klar: «Unser Projekt ist keineswegs politisch motiviert.»
Er kündigte an, dass der Verein den Entscheid mit allen ihm zustehenden Rechtsmitteln anfechten werde. Nächste Entscheidungsinstanz ist das kantonale Bau- und Justizdepartement Solothurns. Bleibe ein Erfolg auf rechtlicher Ebene aus, bleibe der Verein dennoch in Wangen, so Osmanof. «Wir sind Eigentümer des Gebäudes, deshalb denken wir nicht an einen Wegzug.»
Auch Gemeindespitze und Kirchen dagegen
In der 4700-Seelen-Gemeinde Wangen sorgt das Minarett-Projekt seit Monaten für rote Köpfe. Gemäss dem im vergangenen September publizierten Baugesuch plant der Türkisch-kulturelle Verein, auf seinem Gebetshaus ein sechs Meter hohes Minarett ohne Lautsprecher zu errichten.
Innert weniger Tage hatte darauf ein Lokalpolitiker der rechtskonservative Schweizerischen Volkspartei (SVP) knapp 400 Unterschriften gegen das Vorhaben gesammelt und vor einer «schleichenden Unterwanderung durch den Islam» gewarnt.
Angesichts der Opposition hatte sich Gemeindepräsident Beat Frey von der Freisinnig-Demokratischen Partei bereits im Vorfeld öffentlich gegen das Bauvorhaben ausgesprochen.
Auch die reformierte und die katholische Kirchgemeinde erhoben Einsprache. «Bei der Minarettfrage sehe ich den Religionsfrieden gefährdet», hatte der reformierte Pfarrer in einem Interview im «Oltner Tagblatt» erklärt.
swissinfo und Agenturen
Das Minarett ist ein Turm, von dem der Muezzin die Gläubigen – meist via Lautsprecher – zum Gebet aufruft.
Deshalb ist das Minarett heute in erster Linie ein bildhaftes Symbol des Islam.
Demnach hätte das Minarett von Wangen eine symbolische und dekorative Bedeutung gehabt. Es wäre nicht mit Lautsprechern ausgerüstet gewesen.
In der Schweiz haben heute nur die Moscheen in Zürich und Genf ein Minarett.
In der Schweiz leben 311’000 Muslime, viele aus Ex-Jugoslawien und der Türkei.
1990 hatten sie 2,2% der gesamten Wohnbevölkerung in der Schweiz ausgemacht, 2000 waren es 4,3%.
Ein wichtiger Grund für die Zunahme war der Krieg in Ex-Jugoslawien.
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