Das Schwarzgeld oder wie gross ist der Imageschaden?
Was tun? Diese Frage stellt sich Schweizer Regierung und Behörden angesichts des anhaltenden Druckes auf das Bankgeheimnis immer mehr. Ist das die Stunde der PR-Profis? Polit- und Kommunikations-Experte Iwan Rickenbacher im Gespräch.
«The End of Switzerland» lautet eine der krassesten Überschriften, die jüngst in der Auslandpresse zum Schwarzgeldhafen Schweiz zu lesen waren.
Das Fazit des Artikels vom 5. Februar im namhaften amerikanischen Magazin Newsweek: Wirtschaftskrise und wachsender Fremdenhass würden die grossen Schweizer Mythen niederreissen und das einstige Modellland zerstören.
Auch in Medien aus anderen Ländern Europas und den USA tönt es nicht viel moderater. Wie gross ist der Imageschaden, den Schlagzeilen wie diese anrichten? Was kann oder sollte Präsenz Schweiz (PRS), die PR-Agentur des Bundes, angesichts dieser Situation tun?
swissinfo.ch befragte dazu den 66-jährigen PR-Experten Iwan Rickenbacher, Honorarprofessor an der Universität Bern und ehemaliger Generalsekretär der Christlichdemokratischen Volkspartei der Schweiz (CVP).
swissinfo.ch: Ist die Schweiz das verwundete Tier, von dem die Meute der Jäger nun nicht mehr ablässt?
Iwan Rickenbacher: Das wäre die eine Interpretation. Die andere wäre die des Ausnahmelandes Schweiz, die sogar noch im schlimmsten Krisenjahr 2009 in ihrem Staatshaushalt positive Zahlen schrieb, die Schweiz, die im Vergleich zu anderen Ländern weniger von Arbeitslosigkeit betroffen ist und deren Finanzwelt wieder gut funktioniert, teilweise sehr gut sogar. Das wäre dann der Neideffekt, der hier spielt.
swissinfo.ch: Wo leidet das Image der Schweiz besonders? Die Gäste sind weiter zum Skifahren gekommen, der Aussenhandel zieht langsam wieder an.
I.R.: Die massiven Angriffe auf die Schweiz, ihre Behörden und den Finanzplatz in einem Teil der Medien dürften sehr ambivalente Auswirkungen haben. Denn mit jedem Angriff wird auch auf die Standortvorteile des Landes hingewiesen, etwa die stabilen Verhältnisse und tiefen Steuerbelastungen.
Die Empfänger der Botschaft in den betreffenden Ländern werden unterschiedlich reagieren. Politiker werden möglicherweise angeregt, zu einer härteren Sprache zu greifen, um ihrer Klientel zu zeigen, dass sie Steuerhinterzieher und Steuerflüchtlinge vehement an die Kandare nehmen möchten.
In der breiten Bevölkerung dagegen wird das Bild einer Schweiz eher noch verstärkt, die alle jene Dinge verkörpert, die man gerne im eigenen Land hätte.
swissinfo.ch: Was könnte Präsenz Schweiz überhaupt mit einer Kampagne ausrichten? Ist es nicht illusorisch, nach jahrzehntelanger Schwarzgeld-Horterei dem Land mit einer Kampagne ein Saubermann-Image zu verpassen?
I.R.: Es sind zwei Dinge zu unterscheiden. Einerseits die Reaktion in der Krise selbst. Hier dürften Organisation wie Präsenz Schweiz relativ wenig Möglichkeiten haben, direkt zu intervenieren. Da sind die Politiker und Behörden gefragt. Sie müssen im direkten Kontakt mit den ausländischen Behörden Lösungen suchen.
Solche Krisen haben andererseits aber auch den Vorteil, dass sie alte und verdeckte Vorurteile gegenüber dem Land oder Missverständnisse an die Oberfläche spülen. Organisationen wie PRS können analysieren, welche Zerrbilder des Landes und Defizite im Verständnis vorhanden sind, so wie sie es in den 1990er-Jahren in der Situation der nachrichtenlosen Vermögen gemacht hatten.
Dann kann man mittelfristig in Schlüsselländern gegenüber Schlüsselpersonen entsprechende Kampagnen organisieren. Aber als Feuerwehr ist PRS wenig geeignet. Die Imagepflege ist eine Sache, die langfristig entwickelt werden muss.
swissinfo.ch: Anders gefragt: Hat die Schweizer Regierung überhaupt noch Alternativen zu einer Strategie des sauberen Geldes, auf die Liechtenstein umgeschwenkt ist?
I.R.: Wie sich die Lage zur Zeit präsentiert, führt wahrscheinlich kein Weg an dieser Lösung vorbei. Aber es ist noch etwas früh, Bilanz zu ziehen.
Richtig ist, dass es Banken und Behörden sind, die in dieser Situation durch ihre Entscheide für neue Rahmenbedingungen und eine neue Ausgangslage zu sorgen haben.
swissinfo.ch: Wiederholt sich jetzt in der Frage des Schwarzgeldes das Verhaltensmuster der Schweizer Banken und Regierung wie damals im Fall der nachrichtenlosen Vermögen?
I.R.: Ihre Frage geht von der Annahme aus, dass durch rechtzeitiges Handeln mildere Lösungen gesucht und gefunden werden könnten, als wenn man zu lange wartet und dann Maximallösungen erfüllen muss.
Man darf aber nicht unterschätzen, dass die Schweiz ein kleines Land ist. Wenn fundamentale Interessen der grossen Staaten wie diejenigen der Vereinigten Staaten oder von Ländern der Europäischen Union wirklich tangiert sind, dann wird sich die Schweiz über kurz oder lang mit den Forderungen auseinandersetzen müssen.
Das heisst, sie wird wahrscheinlich eine Lösung finden müssen, welche die grossen Nachbarn und Partner anstreben, denn die Spielräume in einem solchen Fall sind relativ klein.
swissinfo.ch: PRS hat Ende 2009 eine Kampagne in den USA gestartet, aber inzwischen abgebrochen, offenbar aus Geldmangel. Sind Kampagnen unter solchen Umständen überhaupt möglich?
I.R.: Es gibt Stimmen, die besagen, dass die Schweiz in den USA bei Meinungsführern aus Wirtschaft und Gesellschaft noch immer über ein hohes Ansehen verfügt. Aber man sollte nicht einfach darauf vertrauen.
Es ist vielmehr notwendig, dass man dieses gute Bild kontinuierlich verstärkt, Kontakte schafft und die USA als eines der Zielgebiete von PRS betrachtet. Da ist es natürlich nicht günstig, wenn eine längerfristig angelegte Kampagne kurzfristig unterbrochen werden muss, aus welchen Gründen auch immer.
Aber nicht nur die USA müssen im Fokus sein, ich denke auch an aufstrebende Staaten wie China und Indien, die ebenfalls eine entsprechende Pflege brauchen.
swissinfo.ch: Wie müssten solche Kampagnen aussehen?
I.R.: Eine solche Strategie kann man natürlich nicht aus dem Hut zaubern. Aber in dieser vernetzten Welt, in der jede Information über Internet abrufbar ist, findet heute vieles wieder in persönlichem Kontakt statt. Als Gegengewicht zur virtuellen Welt sind wieder persönliche, tragfähige Beziehungen gefragt.
Die Vernetzung der Schlüsselpersonen aus der Schweiz mit den Schlüsselpersonen im Ausland ist eine der wichtigsten Aufgaben. Diese Vernetzung müsste an Anlässen und Events, die von beidseitigem Interesse sind, angebahnt und danach vertieft werden.
Renat Künzi, swissinfo.ch
Mai 2008: In den USA wird ein Verfahren gegen die UBS eröffnet. Vorwurf: UBS-Kundenberater sollen reiche Amerikaner zum Steuerbetrug animiert haben. Ein Schuldspruch wäre gleichbedeutend mit dem Untergang der Bank.
Februar 2009: Die Schweizer Behörden geben der Grossbank UBS die Erlaubnis, den USA Daten von 225 Kunden zu liefern, denen sie zur Flucht vor dem amerikanischen Fiskus verholfen hat. Damit ist Bankgeheimnisses angeknackt.
März 2009: Der Bundesrat übernimmt die OECD-Standards und will künftig auch im Falle von Steuerhinterziehung Amtshilfe leisten.
April 2009: Der G20-Gipfel setzt die Schweiz auf eine graue Liste der Steuerparadiese. Für die Streichung von der Liste muss die Schweiz 12Doppelsteuerabkommen neu aushandeln.
August 2009: In einem Staatsvertrag mit den USA sichert die Schweiz Amtshilfe im Falle von 4450 US-Steuersündern zu.
September 2009: Die Schweiz unterzeichnet 12 Abkommen zur Doppelbesteuerung und wird von der grauen Liste der OECD gestrichen.
Die Abkommen müssen noch vom Parlament abgesegnet werden. Weil sie dem fakultativen Referendum unterliegen, kommen sie evtl. gar an der Urne zur Abstimmung.
Italien erhöht mit einer Amnestie für italienische Steuersünder den Druck auf die Schweiz.
Die Regierung Frankreichs und die deutschen Bundesländer setzen auf die Verwendung gestohlener Daten. Nordrhein-Westfalen hat für 2,5 Mio. Euro Schweizer Steuerdaten gekauft.
Bayern prüft einen Ankauf, während Baden-Württemberg davon absieht. Schleswig-Holstein kam gratis in den Besitz einer CD mit geraubten Steuerdaten.
Januar 2010: Das Schweizerische Bundesverwaltungsgericht erklärt die Herausgabe von Kontendaten amerikanischer UBS-Kunden an die USA für illegal.
Februar 2010: Die OECD verstärkt den Druck auf die Schweiz weiter, indem Steuerhinterziehung künftig als Vorstufe zu Geldwäscherei gelten und verfolgt werden soll.
Seit Januar 2009 ist PRS als Teil des EDA für den Auftritt der Schweiz im Ausland zuständig. Dabei setzt PRS die Strategie des Bundes für die Schweizer Landeskommunikation um.
PRS tut dies mit Projekten im Ausland, mit Einladungen von ausländischen Medienschaffenden und Entscheidungsträgern in die Schweiz, der Entwicklung von Infomitteln über die Schweiz im Ausland und mit Auftritten der Schweiz an internationalen Grossveranstaltungen.
Grundlage für alle PRS-Aktivitäten bildet die «Marke Schweiz», in der die Hauptaussagen und der visuelle Auftritt der Schweiz im Ausland festgelegt sind
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