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Der «Trumpism» – ein europäisches Importgut?

"Messerstecher", "Vergewaltiger", "Gutmenschen" etc.: Der Durchmarsch von Rechtspopulisten wie Christoph Blocher und der neue US-Präsident Donald Trump zur Macht basiert nicht nur auf Milliarden, sondern auch auf Sprache. Dies die These des Autors David Eugster. Keystone

Wenngleich Donald Trumps Wahl überraschend kam, so bedient der neue Präsident der USA doch das wohlfeile, europäische Klischee des vorlauten Maulhelden. Doch während der Blick über den Atlantik in der Geschichte meist in Sorge oder Hoffnung umschlug, dass das, was sich in den USA ereignet, die Zukunft Europas verhiess, kann man dies Mal beruhigt sein: Denn das, was Trump verkörpert, ist längst hier.

Ein Schreiber der «Washington Post», Eugene J. Dionne, hat während des Wahlkampfes behauptet, der «Trumpism» sei letztlich ein europäisches Importgut. So habe beispielsweise seine Hetze gegen Immigranten seine Wurzeln nicht in der amerikanischen Tradition, sondern gleiche vielmehr den Forderungen von Rechtsaussenparteien, deren Aufstieg Europa in den letzten Jahrzehnten erlebt.

Tatsächlich stellt sich auch für Europa und insbesondere die Schweiz die Frage, wie es Milliardäre schaffen, sich vor ihren Wählerinnen und Wählern glaubwürdig und erfolgreich als Gegner des Establishments, beziehungsweise der «Classe politique» zu profilieren. Wie hat ein Milliardär wie Christoph Blocher es geschafft, die politische Landschaft der Schweiz als selbsternannte Vox populi so massiv zu verändern? Wieso konnte sich ein Silvio Berlusconi so lange halten?

Despektierliche Wortwahl als Mittel zum Zweck

Der Erfolg der Rechtspopulisten ist vor allem darin begründet, dass sie sich sprachlich als jene inszenierten, die aussprechen, was sich angeblich niemand zu sagen wagt. 1993 hatte die Schweizerische Volkspartei (SVP) mit einem Plakat für sich geworben, das eine Messerstecherei zeigte. Darunter stand geschrieben: «Das haben wir den Linken und Netten zu verdanken.»

Zum Autor

David Eugster ist Kulturwissenschaftler und Linguist. Er hat einen Band zum Imaginären des Kalten Krieges mitherausgegeben, arbeitet an einem Buch zur Geschichte der Schweizer Werbung und ihrer Kritiker. Er schreibt regelmässig Artikel über die Höhen und Tiefen der Gegenwartskultur.

In die 1990er-Jahre fällt im deutschsprachigen Raum auch das Aufkommen der despektierlichen Verwendung des Wortes «Gutmensch» durch rechte Parteien, das 2015 zum Unwort des Jahres gewählt wurde. In diesem Wort bündelt sich die Verachtung für Respekt und Anstand gegenüber politischen Gegnern und der Toleranz gegenüber Minderheiten und Randgruppen.

Diese Werte wurden zu gefährlichen Symptomen politischer Tabuisierung erklärt, die in der Logik der Rechtspopulisten zu Chaos, Mord und Totschlag führten. In den Anfängen ihres Aufstiegs nach dem Kalten Krieg hat man die SVP deswegen regelmässig auf der Stilebene angegriffen. Man warf ihr vor, überrissen und vor allem unanständig zu argumentieren. Diese Vorwürfe der Unanständigkeit halfen ihr letztlich jedoch nur, ihre Abgrenzung gegenüber ihren politischen Gegnern zu verstärken.

Die europäischen Rechtspopulisten sind Trump mit der Strategie vorangegangen, sich selbst als jene darzustellen, welche die Grenzen des in der Öffentlichkeit sprachlich Erlaubten als einzige übertreten. Insbesondere die Migration haben sie über die Jahre zu einem Problem geformt, von dem sie beanspruchen, sich als einzige zu trauen, offen darüber zu sprechen

Wer sich traut, gewinnt?

Auch Trump arbeitet durchaus bewusst mit Sprache, auch wenn vieles so wirkt, als komme es direkt vom Bauch aus dem Mund. Er formt regelmässig vollkommen unvollständige Sätze – letztlich kein Ruhmesblatt für einen Rhetoriker. Doch ihre Unvollständigkeit erlaubt es seinen Zuhörern, sie in ihrem Sinne für sich beenden zu können.

In prägender Erinnerung bleibt seine Rede, in der er andeutete im «Second Amendment», dem verfassungsmässigen Recht, Waffen zu tragen, liege für seine Befürworter allenfalls eine Möglichkeit des Umgangs mit Hillary Clinton: Eine Aussage, die von vielen als Aufruf zu einem Attentat verstanden wurde. 

Doch auch dabei ging es mehr um den strategischen Tabubruch als um die Inhalte: In seinem Ratgeber «The Art of the Deal» von 1987 erzählt er sogar, er habe eine eigene rhetorische Figur erfunden, die «truthful hyperbole». Mit seinen glaubwürdigen Übertreibungen spiele er mit den Fantasien der Menschen, die sich selbst nicht «trauten, gross zu denken, aber immer begeistert davon sind, wenn andere sich trauten, es zu tun».

In Trumps Wahlversprechen, er werde eine Mauer zwischen die USA und Mexiko bauen und von Mexiko bezahlen lassen oder Hillary Clinton als erste Amtshandlung ins Gefängnis bringen, findet man solche strategischen Angebereien. Niemand wird ihn darauf behaften, diese Versprechen tatsächlich einzulösen. Doch er bewies seiner Klientel, dass er sich «traut», Grenzen des politischen Anstands zu übertreten.

Trump hat diese Logik der permanenten Grenzüberschreitung noch weiter getrieben. In seinen Reden in der Nominierungsphase haben Beobachter in seinen Reden auf das regelmässige Auftauchen der rhetorischen Figur der Auslassung hingewiesen, bei der man vorgibt, ein Thema eigentlich übergehen zu wollen, es aber gerade dadurch besonders hervorhebt.

So beispielsweise wenn er über seinen parteiinternen Kontrahenten Ted Cruz sagte: «Ich werde ihn nun nicht ein Leichtgewicht nennen, denn ich halte das für einen abwertenden Ausdruck.» Damit beleidigte er seinen Gegner nicht nur, sondern er machte auch offensichtlich, dass er vollkommen bewusst die Grenzen des Opportunen überschritt.

Mängelliste als Promotor

Der Philosoph Slavoj Zizek hat 2009 Italien unter Berlusconi als politisches Zukunftslabor beschrieben. Die Herstellung der erfolgreichen Politmarke Berlusconi lag gerade in der selbstbewussten Zurschaustellung seiner Mängel und Begehrlichkeiten: Nicht trotz, sondern gerade wegen seiner Verachtung des Staates und der Korruptionsvorwürfe, nicht trotz, sondern wegen seiner sexuellen Eskapaden und seinen verbalen Entgleisungen sei Berlusconi für so viele wählbar geworden. Der Milliardär erschien als «average guy», als Durchschnittsbürger.

Bei Trump verhält es sich ähnlich: Man glaubte, dass seine sexistischen Aussagen, von denen sich sogar seine eigene Frau distanzierte, ihn die Wahl kosten würden. Zuletzt hat ihm sein Wahlkampfteam den Twitter-Account gesperrt, worüber sich die Demokraten genüsslich amüsiert haben.

Doch während Hillary Clinton als karrieristische Streberin, die auch in der Öffentlichkeitsarbeit immer alles richtig machte, gesehen wurde, trugen Trumps Beleidigungen, Übertreibungen und Lügen dazu bei, den Mythos des Renegaten gegen angebliche politische Gepflogenheiten weiter zu befördern. Letztlich hat ihn gerade dieses Dauerbad im Fettnäpfchen, über das so viele in den letzten Monaten gelacht haben, wohl gestärkt.



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