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In St. Moritz sollen Ausländer abstimmen und wählen können

Portier vor einer Hoteltüre in St. Moritz
Willkommen in der Schweiz, Willkommen im Stimmrecht in St. Moritz: Die Tourismus- und Sportdestination will ihren ausländischen Mitbürgern die politischen Rechte auf kommunaler Ebene verleihen. Bild: Portier des St. Moritzer Hotels Kempinski. © Keystone / Jean-christophe Bott

In der international bekannten Tourismusdestination im Kanton Graubünden sollen künftig auch Einwohner ohne Schweizer Pass abstimmen und wählen können. Doch das ist nur ein Teil der geplanten neuen DorfverfassungExterner Link. Diese sieht auch die Senkung der Hürden für Volksinitiativen sowie mehr Transparenz für Lokalpolitiker vor.

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Christian Jott JennyExterner Link bekleidet das Amt des St. Moritzer Gemeindepräsidenten erst seit drei Monaten. Doch der Sänger und Entertainer gibt gleich Gas. Sein grösstes Anliegen für die AlpenmetropoleExterner Link hat der Mann aus Zürich bereits auf die Bahn gebracht: Ausländerinnen und Ausländer mit Niederlassungsbewilligung C sollen in St. Moritz künftig mitbestimmen können.

Dabei sollen sie aber nicht nur an kommunalen Abstimmungen und Wahlen teilnehmen, also das aktive Wahlrecht ausüben können. Sie sollen auch das passive Wahlrecht erhalten. Das heisst, sie können in St. Moritz in die Exekutive, das kleine Parlament oder in ein anderes kommunales Amt gewählt werden können.

Die Ausweitung des Stimm- und Wahlrechts aus Ausländer ist Teil der geplanten, totalrevidierten Dorfverfassung, welche die Behörde letzte Woche den Bürgerinnen und Bürgern an einer Versammlung vorstellte. Die aktuelle Dorfverfassung von St. Moritz, dem zweifachen Austragungsort Olympischer Winterspiele 1928 und 1948, stammt aus dem Jahr 1978.

«Viele Ausländerinnen und Ausländer in St. Moritz sind genauso mit dem Dorf verbunden wie alle anderen. Aber sie dürfen nicht mitreden. Für mich war schon lange klar, dass sich das ändern muss», sagte der parteilose Christian Jott Jenny im Vorfeld der Versammlung.

Grosser Ausländer-Anteil

In St. Moritz oder «Top of the World», so ein alter Werbeslogan für die auf 1850 Metern gelegene internationale Tourismus- und Sportdestination, trifft sich die Welt. Auf den Skipisten ebenso wie an den Töpfen in den Hotelküchen. Die ausländische Wohnbevölkerung beträgt stolze 41%, das sind etwa 2000 der insgesamt 5000 Einwohner. Zum Vergleich: In der Stadt Zürich haben 32% der Einwohner keinen Schweizer Pass, in der Bündner Hauptstadt Chur sind es 18,6%. Der Schweizer Durchschnitt liegt bei 25%.

Ohne Fachkräfte aus dem Ausland würde in St. Moritz nichts mehr gehen. Kommen sie aus einem aus EFTA-Staat, erhalten sie in der Regel nach fünf Jahren die Niederlassungsbewilligung C; Personen aus Drittstaaten nach zehn Jahren.

Die grösste Ausländergruppe in St. Moritz machen Italienerinnen und Italiener aus. Wie sie kamen auch die Portugiesinnen und Portugiesen, sie stellen die zweitgrösste Gruppe, als Gastarbeiter in die Schweiz – viele von ihnen blieben.

Politisch ausgeschlossen

So wie Daniel Cardoso, Mitglied des Club Português da Engadina, einer Vereinigung, die das portugiesische Kulturgut im Oberengadin am Leben erhält, inklusive Fussballmannschaft und Musikgruppe. Er war mit 16 Jahren ins Oberengadin gekommen, auf der Suche nach Arbeit.

Inzwischen lebt Daniel Cardoso seit 30 Jahren in St. Moritz. Seit vier Jahren ist der langjährige Chef de Service eines eingesessenen Cafés eingebürgert. Er selber kann also wählen und abstimmen. Nichtsdestotrotz erachtet Cardoso es als wichtig und positiv, dass sich St. Moritz die Mitbestimmung der ausländischen Wohnbevölkerung überlegt. «Wir arbeiten hier, wir wohnen hier, wir zahlen Steuern. Also möchten wir auch die Möglichkeit haben, uns politisch einzubringen.»

«Es braucht eine Brücke»

Dem pflichtet an der Versammlung Mohamed Abou el Naga bei, der aus Ägypten stammt. Auch er ist inzwischen eingebürgert, verfügt sogar bereits über politische Erfahrung: Er liess sich letzten Herbst als Vertreter der «Next Generation» aufstellen, einer parteilosen Gruppe, die sich rund um Christian Jott Jenny bildete. «Ich würde mich sehr über ein Wahl- und Stimmrecht für Ausländerinnen und Ausländer freuen», sagt Abou el Naga.

Er betont allerdings auch: «Dann müssen wir aber dringend eine Brücke zwischen der Gemeinde und den Ausländern bauen.» Es brauche eine amtliche Person, die den Leuten erklärt, was das bedeutet, politische Rechte zu haben und wie man diese Rechte nutzt. «Viele kennen die demokratischen Abläufe kaum.»

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Fast nur in Westschweizer Kantonen verankert

In der Schweiz haben die Kantone Freiburg, Neuenburg, Jura, Waadt und Genf ein solches Wahl- und Stimmrecht verbindlich für alle Gemeinden festgelegt. In drei der insgesamt 26 Kantone können die Gemeinden Ausländerinnen und Ausländern das Stimm- und Wahlrecht auf Gemeindeebene erteilen. Es sind dies Appenzell Ausserrhoden, Basel-Stadt und Graubünden.

Jura und Neuenburg sind die einzigen Kantone, die Ausländerinnen und Ausländer das Stimm- und Wahlrecht auf kantonaler Ebene einräumen.

Auf nationaler Ebene ist das Ausländerstimmrecht seit Jahrzehnten absolut chancenlos. Dieses stehe nur Einwohnern mit Schweizer Pass zu, so der Tenor der Mehrheit.

Fahrplan Abstimmung 2020

Bis zur allfälligen politischen Gleichberechtigung der ausländischen Mitbewohner dauert es in St. Moritz aber noch mindestens ein Jahr. In einer Anhörung können sich alle zum Entwurf der neuen St. Moritzer Dorfverfassung äussern. Diese so genannte Vernehmlassung dauert bis Juni. Laut Fahrplan der Behörden soll die Revision im nächsten Jahr an der Urne zur Abstimmung kommen.

Die politische Integration der Ausländer ist aber nur ein Teil der neuen Grundlage. Deren anvisiertes Ziel ist die Erhöhung der politischen Mitwirkung generell. Dazu sollen die Hürden für die Volksinitiative gesenkt werden. Damit über eine solche abgestimmt wird, sollen neu nur noch 200 statt der aktuellen 500 Unterschriften erforderlich sein. Damit soll der gesunkenen Bevölkerungszahl besser Rechnung getragen werden.

Künftig sollen zudem die Mitglieder des Gemeinderats, es ist dies das 17-köpfige Parlaments in St. Moritz, ihre Interessenbindungen öffentlich ausweisen müssen. So wie dies die Gemeindeexekutive rund um Präsident Jott Jenny auf der Homepage der Gemeinde bereits heute tun. Für das Gemeindepräsidium soll zudem eine Amtszeitbeschränkung von 12 Jahren, das sind drei Amtsperioden, eingeführt werden.

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