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«Werden die Medien ‹getötet›, verliert die Gesellschaft»

Zwei Gesichter Mexikos: einerseits aufstrebende Demokratie, andererseits eines der gefährlichsten Länder der Welt. Das gilt insbesondere für Journalist:innen. Anfang dieses Jahres wurden zwei Journalisten des Nachrichtenportals Monitor Michoacán ermordet, darunter der Leiter. Darauf musste Joel Vera die Newsseite schliessen.

In Zitácuaro im Bundesstaat Michoacán, 155 Kilometer von Mexiko City entfernt, wurde das Newsportal Monitor Michoacán «zum Schweigen gebracht», sagt Joel Vera, der ehemalige stellvertretende Direktor, zu swissinfo.ch.

«Zwei Menschen wurden ermordet. Wenn die Medien getötet werden, verliert die Gesellschaft. Aber sie muss aufwachen, um die Menschen zu schützen, die ihr Recht auf freie Meinungsäusserung wahrnehmen», sagt Vera.

Vera schloss das kleine Nachrichtenportal nach der Ermordung von zwei seiner Journalistenkollegen, «weil es in Mexiko keine Sicherheitsgarantien für die Meinungsfreiheit gibt».

Er erklärt, warum es im Land zu tödlichen Angriffen auf die Presse, auf ihre Vertreter:innen kommt: «Das Problem in Mexiko ist die Korruption, und diese führt zu Straflosigkeit.»

Internationale Verurteilung

«Wir verurteilen den Mord an dem Journalisten Armando Linares López, der sich am 15. März in Zitácuaro, Michoacán, ereignete», schrieben die Europäische Union, Norwegen und die Schweiz in einer gemeinsamen Erklärung vom 18. März dieses Jahres.

Linares López war Direktor des Nachrichtenportals Monitor Michoacán. Sein Spezialgebiet war Korruption. Am 31. Januar 2022, ist Roberto Toledo umgebracht worden. Auch er recherchierte für Monitor Michoacán. Er hatte gewissermassen sein eigenes Todesurteil unterschrieben: Linares López hatte die Morddrohungen, die ihn erreichten, bei der mexikanischen Polizei zur Anzeige gebracht.

Externer Inhalt

Internationale Medien wie El País aus Spanien berichteten über diesen wie auch über andere Morde an Journalist:innen. Sie zeigen eines ums andere Mal, dass Mexiko einer der gefährlichsten Staaten für Verteidiger:innen der freien Meinungsäusserung ist. Die Ermordungen bleiben meist folgenlos. «Die Straflosigkeit verhindert, dass die Täter, die Journalist:innen ermorden, zur Rechenschaft gezogen werden», sagt Joel Vera.

«Die gleichen Akteure, welche die Meinungsfreiheit schützen sollten, sind diejenigen, die sie ‹zum Schweigen bringen'», fügt der ehemalige Kolumnist hinzu.

Schutz einfordern

Vera ist Mitglied einer Arbeitsgruppe, die von den lokalen Behörden nach der Ermordung von Linares gebildet wurde. Ziel ist der rasche Aufbau von Schutzmechanismen für Journalist:innen in Michoacán.

«Es müssen rechtliche Bedingungen, Sicherheitsvorkehrungen und Institutionen geschaffen werden, um echten Schutz zu gewährleisten», sagt Vera. Mit seinem Engagement ist er in Mexiko nicht allein – er ist Teil jener Gruppe von Medienvertreter und Aktivistinnen, die ihre Stimme erheben und sich im Land für die Garantie der Meinungsfreiheit einsetzen. 

Die mexikanische Nichtregierungs-Organisation Artículo 19Externer Link, die Angriffe auf Journalist:innen im Land dokumentiert, weist in ihrem jüngsten Bericht darauf hin, dass in mindestens 40% der Attacken Beamte und Behördenmitglieder ihre Finger im Spiel haben.

«Es ist besorgniserregend, dass die lokalen und nationalen Behörden vor jeder Untersuchung eines Angriffs auf Journalist:innen behaupteten, dass es sich um eine Tat des organisierten Verbrechens handle, die wahrscheinlich nichts mit dem Journalismus zu tun hatten», heisst es im Bericht von Artículo 19.

Mit Verweis auf das organisierte Verbrechen entziehe man sich laut der NGOder Verantwortung, die Angriffe auf Vertreter:innen der Medien aufzuklären. In diesem Jahr sind in Mexiko bisher schon 15 Journalist:innen ermordet worden. Jeden Tag sterben 80 Menschen eines gewaltsamen Todes.

Der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador sagte nach dem Tod von Linares López, dass «der Staat nicht unterdrückt, nicht tötet und auch keine Straflosigkeit zulässt».

Seine präsidialen Worte ändern jedoch nichts daran, dass die Ermittlungen zu Morden an Journalisten in Mexiko nicht abgeschlossen sind. Auch die Täter stehen nicht vor Gericht. Darauf weisen die EU, Norwegen und die Schweiz in ihrer gemeinsamen Erklärung hin.  

Editiert von Mark Livingston, Adaption: Renat Kuenzi

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